Berlin. In diesem Jahr werden einer Berechnung zufolge nicht ausreichend Wohnungen entstehen. Auch die Zahl der Sozialwohnungen geht zurück.

Das im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD vereinbarte Ziel, bis 2021 insgesamt 1,5 Millionen Neubauwohnungen zu errichten, wird immer unwahrscheinlicher. Einer Berechnung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) zufolge werden in diesem Jahr kaum mehr als 290.000 Neuwohnungen entstehen.

Für die Berechnung hat die IG BAU verschiedene Branchenindikatoren ausgewertet, darunter als Hauptfaktoren die Anzahl der Baugenehmigungen und den Absatz der Mauersteinindustrie. Im vergangenen Jahr konnten 285.900 Wohnungen gebaut werden. In Summe müssten in den nächsten zwei Jahren also noch rund 920.000 Wohnungen entstehen.

„Damit steht endgültig fest: Die GroKo wird ihr Ziel von 1,5 Millionen Neubauwohnungen bis 2021 ganz sicher nicht erreichen. Andernfalls müssten bundesweit in den kommenden beiden Jahren jeweils 460.000 Wohnungen neu gebaut werden – eine absolute GroKo-Illusion“, sagte IG-BAU-Chef Robert Feiger unserer Redaktion.

Wohnungsbau: Mieterbund zeigt sich frustriert

Zuletzt war bekanntgeworden, dass die Zahl der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einen Rückgang von 1,9 Prozent verzeichnete. Frustriert über die Entwicklung zeigt sich der Deutsche Mieterbund (DMB). Mieterbund-Geschäftsführer Ulrich Ropertz sagte unserer Redaktion: „Ihr Ziel von 1,5 Millionen Neubauwohnungen bis 2021 wird die Koalition krachend verfehlen.“

In diesem Jahr würden immer noch 100.000 Wohnungen zu wenig gebaut, bemängelte Ropertz. „Jetzt gehen die Baugenehmigungen sogar noch zurück. Auch die Zahl der Sozialwohnungen – deutschlandweit entstehen nur 27.000 Sozialwohnungen – ist extrem ernüchternd. Es gehen mehr Sozialwohnungen verloren, als gebaut werden“, sagte der Mieterbund-Geschäftsführer.

Alle sechs Minuten geht eine Sozialwohnung verloren

Auch die IG BAU zeigt sich alarmiert über die abnehmende Zahl von Sozialwohnungen. Im Zeitraum zwischen 2016 und 2018 sein pro Jahr 84.550 Sozialwohnungen aus der Sozialbindung gefallen.

„Rein rechnerisch verschwinden damit pro Tag 232 Sozialwohnungen vom Markt – knapp zehn Wohnungen pro Stunde, alle sechs Minuten eine“, sagte IG-BAU-Chef Feiger. Wenn sich diese Entwicklung fortsetze, wird die Zahl der Sozialwohnungen bis 2023 unter eine Million fallen, warnt die Gewerkschaft.

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Bau-Gewerkschaft und Wohnungswirtschaft fordern Milliarden

Um dem entgegenzuwirken, fordert die IG BAU eine Milliardenförderung. Zuletzt seien rund 2,4 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau investiert worden, die Gewerkschaft will den Betrag um rund vier Milliarden Euro auf dann 6,3 Milliarden Euro pro Jahr aufstocken.

Auch der Bundesverband der Wohnungswirtschaft GdW fordert eine Aufstockung der finanziellen Mittel, um den Wohnungsbau zu beschleunigen. Die Wohnraumförderung beträgt für die kommenden zwei Jahre jeweils eine Milliarde Euro. „Notwendig wären mindestens 1,5 Milliarden Euro“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko unserer Redaktion.

Zuletzt hatten bereits Industrie und Gewerkschaften die Bundesregierung aufgerufen, mehr zu investieren – unter anderem in den Wohnungsbau.