Berlin. Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit, fordert bessere Unterstützung von Kindern und Jugendlichen aus Hartz-IV-Familien.

Die Bundesagentur für Arbeit setzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz-IV-Sanktionen auch bei unter 25-Jährigen um. „Wir verschicken zurzeit keine Sanktionsbescheide“, sagte Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur dieser Redaktion.

Bei Arbeitslosen, die aktuell mit Abzügen von 60 oder 100 Prozent sanktioniert wären, würden die Sanktionen dem Karlsruher Urteil entsprechend auf 30 Prozent reduziert.

Hartz IV: Arbeitsagentur-Boss fordert Reformen – Das muss man wissen:

  • Detlef Scheele will umfassende Verbesserungen für Hartz-IV-Empfänger erreichen
  • Vor allem Kinder und Familien sollen besser gefördert werden
  • Auch Sanktionen werden weiter entschärft

Hartz-IV-Urteil: Arbeitsagentur streicht harte Sanktionen auch für unter 25-Jährige

Die Entschärfung der Sanktionen gelte vorläufig auch für junge Arbeitslose: „Wir haben den Jobcentern mitgeteilt, dass diese Sanktionspraxis zunächst auch für unter 25-Jährige gilt“. Lesen Sie das ganze Interview mit dem Chef der Arbeitsagentur hier (Bezahlinhalt).

Detlef Scheele (63) steht seit gut zwei Jahren an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit.
Detlef Scheele (63) steht seit gut zwei Jahren an der Spitze der Bundesagentur für Arbeit. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Scheele kündigte eine rechtlich verbindliche Übergangslösung bis Ende November an. Im nächsten Jahr werde eine gesetzliche Neuregelung der Sanktionspraxis folgen.

Übergang zu Arbeitslosengeld II soll abgemildert werden

Scheele sprach sich zudem für Korrekturen der aktuellen Hartz-IV-Regelungen aus: „Wir sollten den Übergang zwischen dem Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II abmildern.“ Es wäre sinnvoll, wenn ein Grundsicherungsempfänger in den ersten zwei Jahren noch nicht sein Vermögen antasten müsste und auch noch in seiner Wohnung bleiben könnte, so Scheele.

Deutschlands drängendste Probleme

Was sind die drängendsten Aufgaben der neuen Bundesregierung? Nach einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag unserer Redaktion auf Platz 1: Sicherung der Rente. 95 Prozent der Befragten finden, dass die neue Bundesregierung die Rentenentwicklung rasch thematisieren sollte. Nur 4 Prozent halten das für unwichtig oder völlig unwichtig.
Was sind die drängendsten Aufgaben der neuen Bundesregierung? Nach einer Umfrage von Kantar Emnid im Auftrag unserer Redaktion auf Platz 1: Sicherung der Rente. 95 Prozent der Befragten finden, dass die neue Bundesregierung die Rentenentwicklung rasch thematisieren sollte. Nur 4 Prozent halten das für unwichtig oder völlig unwichtig. © dpa | Julian Stratenschulte
Platz 2: Auch die Einbruchskriminalität beschäftigt die Deutschen. 91 Prozent wünschen sich, die große Koalition möge sie eindämmen. Für 7 Prozent ist das Problem irrelevant.
Platz 2: Auch die Einbruchskriminalität beschäftigt die Deutschen. 91 Prozent wünschen sich, die große Koalition möge sie eindämmen. Für 7 Prozent ist das Problem irrelevant. © dpa | Frank Rumpenhorst
Platz 3: Seit drei Jahren gibt es die Mietpreisbremse, doch eine Mehrheit der Deutschen hält sie offenbar nicht für wirksam. 85 Prozent gaben in der Umfrage an, es sei sehr wichtig oder wichtig, die Mietpreisentwicklung zu bremsen. 12 Prozent sehen das nicht so.
Platz 3: Seit drei Jahren gibt es die Mietpreisbremse, doch eine Mehrheit der Deutschen hält sie offenbar nicht für wirksam. 85 Prozent gaben in der Umfrage an, es sei sehr wichtig oder wichtig, die Mietpreisentwicklung zu bremsen. 12 Prozent sehen das nicht so. © dpa | Frank Molter
Platz 4: Vor allem in den sozialen Medien wimmelt es von Hasskommentaren. Diese zu bekämpfen halten 84 Prozent der Deutschen für sehr wichtig oder wichtig, 12 Prozent hingegen für unwichtig oder völlig unwichtig.
Platz 4: Vor allem in den sozialen Medien wimmelt es von Hasskommentaren. Diese zu bekämpfen halten 84 Prozent der Deutschen für sehr wichtig oder wichtig, 12 Prozent hingegen für unwichtig oder völlig unwichtig. © imago/photothek | Thomas Trutschel/photothek.net
Platz 5: 78 Prozent der Bürger sehen die Entlastung von Steuern und Abgaben als eine wichtige oder sehr wichtige Aufgabe der neuen Regierung. Für 18 Prozent ist das unwichtig bis völlig unwichtig.
Platz 5: 78 Prozent der Bürger sehen die Entlastung von Steuern und Abgaben als eine wichtige oder sehr wichtige Aufgabe der neuen Regierung. Für 18 Prozent ist das unwichtig bis völlig unwichtig. © dpa-tmn | Robert Günther
Platz 6: Im Mittelfeld der drängendsten Probleme landet der Ausstieg aus der Kohlenergie. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihn für wichtig bis sehr wichtig halten, 27 Prozent halten das Problem für (völlig) unwichtig.
Platz 6: Im Mittelfeld der drängendsten Probleme landet der Ausstieg aus der Kohlenergie. 69 Prozent der Befragten gaben an, dass sie ihn für wichtig bis sehr wichtig halten, 27 Prozent halten das Problem für (völlig) unwichtig. © dpa | Julian Stratenschulte
Platz 7: 67 Prozent der Deutschen möchten, dass die Regierung die Bundeswehr schnell besser ausstattet. Für 28 Prozent ist das kein drängendes Thema.
Platz 7: 67 Prozent der Deutschen möchten, dass die Regierung die Bundeswehr schnell besser ausstattet. Für 28 Prozent ist das kein drängendes Thema. © REUTERS | POOL
Platz 8: Die Begrenzung der Zuwanderung hat für 66 Prozent der Bundesbürger Priorität, 32 Prozent sehen sie als weniger drängendes Problem.
Platz 8: Die Begrenzung der Zuwanderung hat für 66 Prozent der Bundesbürger Priorität, 32 Prozent sehen sie als weniger drängendes Problem. © dpa | Carsten Rehder
Platz 9: 56 Prozent der Befragten finden, dass die große Koalition Diesel-Fahrverbote dringend abwenden sollte. Für 39 Prozent ist das überhaupt nicht relevant.
Platz 9: 56 Prozent der Befragten finden, dass die große Koalition Diesel-Fahrverbote dringend abwenden sollte. Für 39 Prozent ist das überhaupt nicht relevant. © imago/Arnulf Hettrich | imago stock&people
Platz 10: 52 Prozent der Deutschen ist es wichtig bis sehr wichtig, dass die Hartz-IV-Sätze erhöht werden, 40 Prozent gaben an, eine Erhöhung sei (völlig) unwichtig.
Platz 10: 52 Prozent der Deutschen ist es wichtig bis sehr wichtig, dass die Hartz-IV-Sätze erhöht werden, 40 Prozent gaben an, eine Erhöhung sei (völlig) unwichtig. © dpa | Oliver Berg
Platz 11: Die Rundfunkgebühren sollen weg – das halten 50 Prozent der Deutschen für wichtig bis sehr wichtig. 46 Prozent sind entgegengesetzter Meinung.
Platz 11: Die Rundfunkgebühren sollen weg – das halten 50 Prozent der Deutschen für wichtig bis sehr wichtig. 46 Prozent sind entgegengesetzter Meinung. © dpa | Arno Burgi
Platz 12: Höhere Investitionen in Europa steht bei den Deutschen an letzter Stelle der drängendsten Probleme. 42 Prozent halten das für wichtig bis sehr wichtig, 52 Prozent hingegen für unwichtig bis völlig unwichtig.
Platz 12: Höhere Investitionen in Europa steht bei den Deutschen an letzter Stelle der drängendsten Probleme. 42 Prozent halten das für wichtig bis sehr wichtig, 52 Prozent hingegen für unwichtig bis völlig unwichtig. © imago/Manngold | imago stock&people
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„Eine solche Schonfrist würde für viele die Lage leichter machen.“ Gut wäre es nach Ansicht Scheeles auch, wenn die Jobcenter nicht mehr Kleinstbeträge von sieben Euro von den Leistungsempfängern zurückfordern müssten.

Scheele will Kinder aus Hartz-IV-Familien besser unterstützen

„Das kostet mehr Geld als wir einnehmen.“ Schließlich sollten die Jobcenter bei Menschen, die keine Berufsausbildung haben, eine dreijährige Ausbildung fördern können. Bislang gehe das nur bei zweijährigen Ausbildungen.

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Um Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Familien besser zu unterstützen, forderte Scheele, Angebote für Kinder deutschlandweit kostenlos zu machen: „Zum Beispiel Tickets für Bus und Bahn, Eintrittskarten für den Zoo und fürs Schwimmbad.“ Kindern aus SGB II-Haushalten stehe das Feld nicht so offen wie anderen Gleichaltrigen. Eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder dagegen lehnte Scheele ab: „Ich bin nicht sicher, ob höhere Regelsätze immer eins zu eins bei den Kindern ankommen würden.“

„Kein Arbeitsloser muss auf Leistungen oder Bildungsangebot verzichten“

Detlef Scheele sieht einer möglichen weiteren Abschwächung der Konjunktur gelassen entgegen: „Wir haben eine Konjunkturdelle. Das verarbeitende Gewerbe, die Autoindustrie und ihre Zulieferer leiden unter den Handelskonflikten. Im nächsten Jahr wird die Arbeitslosigkeit nicht weiter sinken, sie bleibt aber immerhin konstant.“

Bundesverfassungsgericht verkündet Urteil zu Hartz IV

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    Die von der Großen Koalition geplante Absenkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung sei unproblematisch: „Wir verlieren durch die Beitragssenkung zwar 1,2 Milliarden Euro. Aber dadurch muss kein Arbeitsloser auf Leistungen oder ein Bildungsangebot verzichten“, so Scheele. Die Kasse sei gut gefüllt: Aktuell finanziere die Bundesarbeitsagentur 54.000 Arbeitnehmern das Kurzarbeitergeld.

    Das seien zwar in absoluten Zahlen deutlich mehr als 2018, aber insgesamt nur 0,2 Prozent der Beschäftigten. „Selbst wenn es zu mehr Kurzarbeit kommt, können wir das finanzieren. Wenn die Prognosen stimmen und sich die Konjunktur im dritten Quartal 2020 wieder erholt, dann kommen wir mit dem Geld gut aus.“

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