London/Brüssel. Wie kommt Johnson aus dem Brexit-Desaster heraus? Die EU-Staaten haben nun einen Brexit-Aufschub gewährt. Großbritannien akzeptiert.

Großbritannien hat von der EU einen weiteren Brexit-Aufschub gewährt bekommen. Und der britische Premierminister Boris Johnson hat ihn akzeptiert. Das geht aus einem Schreiben Johnsons an EU-Ratspräsident Donald Tusk hervor, das die Regierung in London am Montagabend veröffentlichte.

Die EU-Staaten haben sich zuvor nach Angaben von EU-Ratspräsident Donald Tusk auf einen Aufschub für den Brexit bis Ende Januar 2020 geeinigt. Das teilte Tusk am Montagmorgen auf Twitter mit.

Die Genehmigung des Aufschubs hat wohl auch die von Boris Johnson geplante Abstimmung über eine Neuwahl beeinflusst. Der Premierminister hat am Montag über eine Neuwahl am 12. Dezember abstimmen lassen – und er kassierte eine Niederlage.

Das britische Unterhaus lehnte die Neuwahlpläne ab. Johnson wollte mit Neuwahlen seine Position stärken. Denn derzeit hat er keine Mehrheit im Parlament und muss im Streit um den EU-Austritt Großbritanniens um jede Stimme kämpfen.

Johnson braucht Unterstützung der Labour-Partei

Johnson braucht für eine Neuwahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament – dazu benötigt er die Hilfe der größten Oppositionspartei Labour. Deren Chef Jeremy Corbyn hatte deutlich gemacht, seine Partei werde einer Neuwahl nicht im Wege stehen, sobald ein No-Deal-Brexit vom Tisch sei. Er wollte zunächst die Entscheidung in Brüssel über die Verlängerung der Brexit-Frist abwarten.

Die EU-freundlichen Liberaldemokraten boten am Sonntag gemeinsam mit der Schottischen Nationalpartei (SNP) an, eine Neuwahl am 9. Dezember zu unterstützen, wenn es gleichzeitig eine Brexit-Verlängerung bis zum 31. Januar gibt. Die drei Tage frühere Wahl würde Spekulationen zufolge die Beteiligung von deutlich mehr Studenten garantieren, die in der Mehrheit pro-europäisch wählen. Der Tory-Abgeordnete James Cleverly wies den Vorschlag am Sonntag als „Trick“ zurück.

In Brüssel herrscht Einigkeit über eine weitere Fristverlängerung über den 31. Oktober hinaus. Paris hatte aber Bedenken gegen eine Verlängerung bis ins nächste Jahr hinein angemeldet. Möglich erscheint auch eine Schonfrist von nur wenigen Wochen, damit Johnson sein Gesetz durch das Parlament bringen kann.

Großbritannien will Aufschub bis 31. Januar

Dabei könnte die Staatengemeinschaft auf eine flexible Lösung setzen. EU-Ratschef Donald Tusk hatte den 27 bleibenden EU-Staaten empfohlen, dem britischen Antrag auf Aufschub bis 31. Januar stattzugeben, um so einen chaotischen Brexit zu vermeiden. Der entscheidende Punkt: Großbritannien soll ein EU-Austritt auch vor Fristenende möglich sein, falls eine Ratifizierung des Austrittsabkommens vorher gelingt.

Die EU bereite bereits die Freigabe dieser sogenannten Flextension vor, berichtete die britische Zeitung „The Guardian“ am Sonntagabend ohne genaue Quelle. Ein entsprechendes Dokument zirkuliere unter den Mitgliedstaaten und solle schon am Montag unterzeichnet werden.

Die Scheidung Großbritanniens von der EU war ursprünglich schon für den 29. März vorgesehen, wurde aber im Frühjahr zweimal verschoben.