Berlin. Sigmar Gabriel gilt als Freund der Wirtschaft und der Autoindustrie. Jetzt ist der Ex-Vizekanzler Favorit für den Vorsitz beim VDA.

Der Posten des Cheflobbyisten der deutschen Autoindustrie wird zum Jahresende frei. Nun steht ein aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge in den Startlöchern: Der frühere Vizekanzler und niedersächsische Ministerpräsident, Sigmar Gabriel, ist offenbar Favorit für den Chefposten beim Verband der Automobilindustrie (VDA).

„Gabriel ist zu 99 Prozent sicher“, zitiert die „Bild am Sonntag“ einen nicht genannten Manager der Branche. Der 60 Jahre alte Sozialdemokrat sei der Wunschkandidat der Autokonzerne und der Zulieferer. Gabriel sitzt ab 1. November nicht mehr im Bundestag. Dann gibt er sein Bundestagsmandat ab.

Sigmar Gabriel neuer VDA-Chef? Matthes zieht sich zum Jahresende zurück

Neben Gabriel werde außerdem mit der früheren CDU-Politikerin Hildegard Müller gesprochen. Ihr werden aber nur Außenseiterchancen eingeräumt. „Die Reihenfolge steht fest“, zitiert die Zeitung informierte Kreise. Details sollen dem Bericht zufolge in der kommenden Woche mit Gabriel geklärt werden. „Sollten keine unüberbrückbaren Differenzen mit Gabriel auftreten, wird er der neue Präsident.“

Auf der Internationalen Automesse (IAA) hatte der amtierende Chef des Autoverbands, Bernhard Matthes, überraschend seinen Rückzug zum Jahresende verkündet. Der frühere Ford-Manager ist erst seit gut eineinhalb Jahren VDA-Präsident, seine Amtszeit lief eigentlich bis Ende 2020.

VDA ist einer der einflussreichsten Lobbyverbände

Der VDA ist einer der einflussreichsten Lobbyverbände in Deutschland. Die Autobranche beschäftigt mehr als 800.000 Mitarbeiter. Der Verband gilt als schwer zu führen, weil er die verschiedenen Interessen der Hersteller sowie der Zulieferer unter einen Hut bringen muss. Ihm wird zudem eine große Nähe zur Politik nachgesagt.

Die Autoindustrie war wegen des Dieselskandals schwer unter Druck geraten. Ein weiteres großes Thema ist die Klimadebatte und der angepeilte Umbau des Autoverkehrs in Richtung E-Mobilität.

Gabriel gilt als Freund der Wirtschaft und der Autoindustrie

Gabriel gilt als Freund der Autoindustrie. Der Sozialdemokrat war zuletzt bis März 2018 Außenminister, davor Bundeswirtschaftminister - und hatte als Ministerpräsident des Autolandes Niedersachsen auch einen Sitz im Aufsichtsrat bei Volkswagen.

Mit rechtlichen Problemen muss Gabriel bei einem Wechsel in die Wirtschaft nicht rechnen: Das Bundesministergesetz sieht lediglich vor, dass Mitglieder der Bundesregierung „innerhalb der ersten 18 Monate nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes“ anzeigen müssen.

Auch Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat einen Posten in der Wirtschaft übernommen

Seinen Rückzug aus der Politik hatte Gabriel Ende September in einem Schreiben an Freunde und Weggefährten mit „sehr persönlichen Gründen“ erklärt. In der SPD hieß es am Wochenende lediglich, man wolle Spekulationen nicht kommentieren.

Gabriel wäre nicht der erste hochrangige Ex-Politiker, der nach seiner politischen Tätigkeit in die Wirtschaft wechselt. So übernahm sein Parteigenosse Gerhard Schröder kurz nach seinem Abschied aus dem Kanzleramt 2005 den Aufsichtsratsvorsitz bei der vom russischen Konzern Gazprom dominierten Ostsee-Pipeline Nord Stream. Schröder hatte sich als Regierungschef für das Projekt eingesetzt.

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Die Linken sehen Wechsel von Gabriel kritisch

Kritische Stimmen kamen von den Linken im Bundestag: „Wenn ein Ex-Wirtschaftsminister 2,5 Jahre später Chef-Autolobbyist werden soll, hat das einen üblen Beigeschmack“, schrieb Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch im Kurznachrichtendienst Twitter. „Ich finde das unanständig. Wegschauen beim Dieselskandal und Ausbremsen der E-Mobilität erscheinen nunmehr in einem anderen Licht.“ (bk/dpa)