Berlin. Die Protestaktionen gegen die Klimapolitik hatte Extinction Rebellion angekündigt. Und trifft den Verkehr in Berlin ganz empfindlich.

Extinction Rebellion (auf Deutsch: Aufstand gegen das Aussterben) geht für den Klimaschutz auf die Straße und will in dieser Woche Berlin und andere Großstädte weltweit lahmlegen. In der deutschen Hauptstadt wurde der morgendliche Berufsverkehr empfindlich gestört. Nicht alle Politiker kritisieren die Bewegung, obwohl ihr antidemokratische Züge vorgeworfen werden.

Seit dem Wochenende zeltet die Aktivistengruppe Extinction Rebellion am Kanzleramt in Berlin und hat am frühen Montagmorgen ihre erste Protestaktion gestartet. Laut Polizei liefen Hunderte Anhänger vom Regierungsviertel zur Siegessäule im Ortsteil Tiergarten. Dann besetzten die Aktivisten kurz vor Beginn des Berufsverkehrs den Großen Stern – einen wichtigen und zentralen Verkehrsknotenpunkt.

Extinction Rebellion: Kanzleramtsminister verurteilt Aktion in Berlin

Auf einem von den Aktivisten veröffentlichten Video war zu sehen, wie Dutzende Menschen auf der Fahrbahn liefen und sich setzten. Auch Einsatzfahrzeuge der Polizei waren zu sehen. Zuvor hatte die Gruppe via soziale Medien dazu aufgerufen, sich schnell auf den Weg zu machen. Die Polizei appellierte an Autofahrer: „Bitte seien Sie vorsichtig und umfahren Sie den Bereich.“

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Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) verurteilt die Protestblockaden. „Das geht natürlich gar nicht“, sagte Braun am Montag im „Morgenmagazin“ des ZDF. „Das Anliegen des Klimaschutzes, das teilen wir ja alle“, argumentierte der CDU-Politiker. Doch die Ankündigung gefährlicher Eingriffe in den Straßenverkehr sei nicht akzeptabel.

Hintergrund: extinction rebellion- der klima-protest wird radikaler Extinction Rebellion: Der Klima-Protest wird radikaler

Mit Blockaden und anderen Protestaktionen will die Umweltschutzbewegung von Montag an weltweit auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen. Aktionen soll es unter anderem in London, Paris, Madrid, Amsterdam, New York, Buenos Aires sowie in Sydney, Melbourne und Perth geben.

Aktivisten wollen Regierungen unter Druck setzen

Die Aktionen sollen mindestens eine Woche lang andauern. Wie genau sie dabei vorgeht, soll erst wenige Minuten vor Beginn der größtenteils unangemeldeten Aktionen bekannt gegeben werden. Zu den Blockaden erklärt die Gruppe: „Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf, der unsere Lebensgrundlagen zerstört. Wir setzen den Protest so lange fort, bis die Regierungen angemessen reagieren.“

Nahe des Brandenburger Tors ruht der Verkehr. Aktivisten haben die Straße besetzt.
Nahe des Brandenburger Tors ruht der Verkehr. Aktivisten haben die Straße besetzt. © Christian Mang Reuters

Eva Escosa-Jung von Extinction Rebellion sagte zu der ersten Aktion in Berlin: „Heute beginnt die weltweite Rebellion gegen das Aussterben. Wir stören, weil wir keinen anderen Weg sehen, um den umfassenden und tiefgreifenden Wandel herbeizuführen, der das Klima rettet.“ Die Klimapolitik der Regierung habe versagt.

„Der Menschheit droht eine lebensbedrohende Katastrophe“

„Wälder brennen, die Meeresspiegel steigen, die Ozeane übersäuern und weltweit sterben Wildtiere massenhaft aus - der Menschheit droht eine lebensbedrohende Katastrophe.“ Extinction Rebellion wende keine Gewalt, sondern Kreativität an. Am Mittag (12:05 Uhr) werde die als Seenotretterin von Flüchtlingen bekannt gewordene Carola Rackete an der Siegessäule eine Rede halten.

In Berlin wollen die Aktivisten am Montag zudem mit einem Marsch gegen das Artensterben aufmerksam machen. Am Mittag soll es dann auch am Potsdamer Platz eine zentrale Veranstaltung geben, von der aus weitere Aktionen ausgehen sollten. Zur gleichen Zeit soll an einem zunächst nicht bekannt gegebenen Ort im Regierungsviertel eine pinke Arche aufgestellt werden, die an das Artensterben erinnern soll.

Aktivisten sind bereit Gesetze zu brechen

U- und S-Bahnverkehr sollen verschont bleiben. Ob sich Extinction Rebellion auf die Straße konzentriert oder auch die Berliner Flughäfen ins Visier nimmt, wollten die Organisatoren nicht verraten.

• Kommentar: Klimakrise und Verabsolutierung: Die Grenzen des Protests

Anders als andere Bewegungen wie Greta Thunbergs Fridays for Future, ist Extinction Rebellion nach eigenen Angaben bereit, Gesetze zu brechen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Legale Demonstrationen und parlamentarische Prozesse hätten in den vergangenen 30 Jahren nicht zu den nötigen Veränderungen im Klimaschutz geführt, erklärte die Gruppe.

Neue Nahrung dürfte den Aktivisten die Ankündigung der Bundesregierung gegeben haben, das vereinbarte und viel kritisierte Klimapaket noch reduzieren zu wollen. Das berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ und beruft sich auf einen Gesetzentwurf des Umweltministeriums.

SPD reagiert aufgeschlossen, FDP warnt

Dabei betonten sie allerdings stets, dass sämtliche Aktionen friedlich ablaufen sollten. Dafür sollten unter anderem Mediatoren sorgen, die Konflikte zwischen den Aktivisten und anderen – etwa Polizisten oder aufgehaltenen Autofahrern – während der Aktionen vermeiden sollten.

Die Regierungspartei SPD reagierte aufgeschlossen auf die Ankündigungen. „Ich verstehe die Ungeduld von vielen“, sagte die Interims-Parteivorsitzende Malu Dreyer der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Ich begrüße frühzeitige Aktionen jeglicher Art, die die Dringlichkeit der Aufgabe deutlich machen.“ Zugleich mahnte sie: „Natürlich gilt für alle, dass es gewaltfrei bleiben muss.“

Kritik von den Grünen

Die FDP hingegen warnte vor antidemokratischen Zügen der Bewegung. „Über die extremen Forderungen zum Klimaschutz hinaus stellen Aktivisten der Gruppierung offen die Demokratie in Frage“, sagte Parteichef Christian Lindner. „Klimaaktivisten und Grüne sollten sich von den antidemokratischen und teils totalitären Äußerungen aus dieser Gruppierung distanzieren.“ Klimaschutz sei keine Entschuldigung für Gewalt, die bei Blockaden ihren Ausgangspunkt nehme, sagte der Liberale.

Auch der Grünen-Politiker Boris Palmer kritisierte Extinction Rebellion. „Es gibt gute Gründe, endlich entschiedenes Handeln für den Klimaschutz zu fordern. Wer aber Demokratie und Rechtsstaat dafür über Bord wirft, wird ziemlich sicher auch den Kampf gegen den Klimawandel verlieren. Protest ja, Rebellion nein“, sagte der Tübinger Oberbürgermeister der „Bild“-Zeitung.

Das sind Extinction Rebellion:

  • Extinction Rebellion kommt ursprünglich aus Großbritannien.
  • Nach eigenen Angaben gibt es die Gruppe seit November vorigen Jahres auch in Deutschland.
  • Sie fordert unter anderem, dass die nationalen Regierungen sofort den Klimanotstand ausrufen.
  • Alle politischen Entscheidungen, die der Bewältigung der Klimakrise entgegenstünden, müssten revidiert werden.
  • Schon bis 2025 müssten die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen auf netto null senken, verlangt die Gruppe.

(guhe/epd/dpa)