Brüssel. Ursula von der Leyens hatte beim Erstellen ihres „Teams für Europa“ kaum Spielraum. Dennoch hat sie nun eine Truppe mit viel Potenzial.

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann sich anstrengen, wie sie will, den zentralen Konstruktionsfehler ihres Teams kann sie mit noch so viel Schwung nicht beheben: Es ist ein Unding, dass jeder der künftig 27 EU-Mitgliedstaaten einen Posten in der Kommission besetzt – und den Anwärter dafür auch noch selbst benennt. Man stelle sich vor, im Bundeskabinett müsste jedes der 16 Bundesländer mit einem von der jeweiligen Landesregierung ausgewählten Minister vertreten sein. Undenkbar.

In Brüssel halten die EU-Staaten an genau diesem Prinzip für die europäische „Regierung“ fest, obwohl offensichtlich ist, dass man mit 27 Kommissaren keine effiziente Zusammenarbeit und keinen vernünftigen Ressort-Zuschnitt erreicht.

Im EU-Vertrag ist deshalb schon lange eine Reduzierung der Posten und die Einführung des Rotationsprinzips vorgesehen – was die Mitgliedstaaten aber einfach übergangen haben. Schlimmer noch: Fröhlich ignorieren viele Regierungen die offizielle Verpflichtung der Kommissare, am Brüsseler Kabinettstisch nur europäische, nicht nationale Interessen zu vertreten, und drängen darauf, dass ihr Emissär möglichst ein einflussreiches und national wichtiges Aufgabengebiet bekommt.

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Ursula von der Leyen hatte wenig Spielraum

All dies muss im Auge behalten, wer jetzt einen kritischen Blick auf von der Leyens Kommissions-Tableau wirft: Ihr Spielraum bei der Aufstellung des neuen „Teams für Europa“ war erstmal nicht groß. Die Kunst eines Präsidenten besteht darin, mit Ressort-Zuschnitt, Aufgabenstellung und Machtbalance eine Truppe aufzubauen, die trotz aller Hindernisse politische Gestaltungskraft entfaltet. Das ist von der Leyen ziemlich gut gelungen. Die CDU-Politikerin macht mit ihrer Mannschaft sehr klar, dass sie allen Widerständen zum Trotz Großes vorhat – und auch weiß, was die Bürger jetzt von der EU erwarten.

Die besten Köpfe in ihrem Team – der Sozialdemokrat Timmermans und die Liberale Vestager – steuern die europäische Klimapolitik, einen „grünen Deal“, die Digitalisierung. Von der Leyen will mit dieser großen Koalition an der Spitze auf zentralen Feldern Pflöcke einschlagen. Und zugleich will sie ihren Beitrag zu mehr Bürgernähe leisten. Sollte sie nicht reüssieren, hat es am Personal jedenfalls nicht gelegen.

Einer der wichtigsten Köpfe in von der Leyens EU-Team: der Sozialdemokrat Frans Timmermans.
Einer der wichtigsten Köpfe in von der Leyens EU-Team: der Sozialdemokrat Frans Timmermans. © dpa | Virginia Mayo

Besonderer Coup der früheren Verteidigungsministerin: Sie wertet über die Hintertür der Industriepolitik die gemeinsame EU-Verteidigungszusammenarbeit auf, was noch für Diskussionen sorgen dürfte. Dass die neue Fachabteilung, die einen Milliardenfonds für Rüstungsprojekte verwalten darf, nun der französischen Binnenmarktkommissarin und Macron-Vertrauten Goulard zugeschlagen wird, ist aber vielleicht des Guten zu viel – niemand hat so großes Interesse an diesem Thema wie die französische Regierung mit ihrem militärstrategischen Ehrgeiz und der mächtigen Verteidigungsindus­trie im Land, da sind Konflikte programmiert.

Von der Leyen muss sich bei unerwarteten Krisen bewähren

Wer in den EU-Hauptstädten gehofft hatte, von der Leyen würde die Kommission nicht ganz so politisch anlegen wie ihr Vorgänger Juncker und lieber auf die Anweisungen der Regierungschefs warten, darf sich jedenfalls getäuscht fühlen; die Kommission ist so austariert, dass ihre tragenden Kräfte Widerstände im zerfaserten Parlament und im Rat überwinden können. Freilich, all das gilt im Moment für die planbaren Herausforderungen.

Die eigentliche Bewährungsprobe für von der Leyen kommt, wenn sie wie ihre Vorgänger mit unerwarteten Krisen konfrontiert wird. Die kommen schneller als gedacht, wie die neue Zuspitzung im Brexit-Drama oder der Handelsstreit mit den USA erahnen lassen.