Kassel. In Kassel nutzt „Die Rechte“ den Lübcke-Mord bei einer Demo, um sich zu Opfern zu machen. In Halle dürfen die „Identitären“ nicht los.

Es klingt nach Provokation: Sieben Wochen nach dem mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke wird am Samstag in Kassel ein Aufzug Rechtsextremer erwartet. Die Kleinstpartei „Die Rechte“ will damit gegen eine vermeintliche Instrumentalisierung der Tat protestieren – mit der Rechte in die Nähe von Gewalt und Terror gerückt würden.

Die Polizei Kassel hatte bis zu 500 Teilnehmer erwartet – letztlich wurden es dann allerdings nur 120, denen 10.000 Gegendemonstranten gegenüberstanden. Ein Bündnis gegen Rechts hat zahlreiche Gegenveranstaltungen angemeldet, gerechnet wird mit mehrere tausend Demonstranten. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor.

„Die Rechte“ kommt nach Kassel – Ausnahmezustand und 10.000 Gegendemonstranten

Seit den Morgenstunden war die nordhessische Stadt in einer Art Ausnahmezustand: Busse und Bahnen hatten in der Innenstadt den Betrieb eingestellt. Die Polizei kontrollierte an Bahnhöfen, Teile der Stadt waren gesperrt. Das Stadtbild beherrschten die Gegendemonstranten, ein Bündnis gegen Rechts hatte zu zahlreichen Veranstaltungen aufgerufen und zog bereits vor der Ankunft der Rechten mit 3000 Menschen durch Kassel.

Sie trugen T-Shirts und Schilder mit Sprüchen wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder „Nazis nerven mehr als Wespen“. Einige hielten sich auch Porträtfotos des erschossenen Lübcke vor das Gesicht. Gegen Mittag wuchs die Zahl der Teilnehmer nach Polizeiangaben auf 10 000.

Rechtsextreme Demo auch in Halle geplant – Absage wegen Sicherheitsbedenken

Auch in Halle hatte eine rechtsextreme Demonstration stattfinden sollen – von der Identitären Bewegung. Der geplante Zug ist allerdings abgesagt worden. Das habe die Versammlungsbehörde am Samstagnachmittag entschieden, sagte eine Polizeisprecherin. Der Grund seien Sicherheitsbedenken.

Ursprünglich wollten die Anhänger der Bewegung in der Nähe ihres Hauses in Halle in Sachsen-Anhalt, das als Zentrale in Deutschland gilt, durch die Straßen ziehen. Stattdessen versammelten sie sich bei einem als Sommerfest deklarierten Treffen vor dem Gebäude. Nach ersten Polizeiangaben waren rund 250 Anhänger der Bewegung vor Ort.

Stadt Kassel versuchte, „Die Rechte“-Demo zu verbieten

Die rechtsextreme Kleinstpartei Die Rechte hat nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke für Samstag zu einer Demonstration in Kassel aufgerufen (Symbolbild)
Die rechtsextreme Kleinstpartei Die Rechte hat nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke für Samstag zu einer Demonstration in Kassel aufgerufen (Symbolbild) © dpa | Swen Pförtner

In Kassel hatte die Stadtverrwaltung noch versucht, den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verbieten – war aber vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof gescheitert. „Auch wenn uns von Beginn an bewusst war, dass die Hürden für eine Verbotsverfügung sehr hoch sind, wollten wir als Stadt nichts unversucht lassen, die Versammlung beziehungsweise den Aufmarsch in der Innenstadt oder vor dem Regierungspräsidium zu verhindern“, sagte Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD).

Zumindest sei es gelungen, die Versammlung und den Aufmarsch aus der Kasseler Innenstadt zu verbannen, so Geselle. Es sei auch das Vermächtnis des ermordeten Regierungspräsidenten Lübcke, dass man gegen Aufmärsche rechtsextremer Gruppen klare Kante zeigen müsse.

Hintergrund: Organisierter Rechtsextremismus: Das ist das Netz der Nazis

Nachdem im Internet Gewaltaufrufe kursierten, rüstet sich die Polizei für einen Großeinsatz. Busse und Straßenbahnen der Kasseler Verkehrsgesellschaft (KVG) blieb vom frühen Morgen an in den Depots.

Regierungspräsident Walter Lübcke war am 2. Juni in seinem Haus im Landkreis Kassel erschossen worden. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. Der 45-jährige Stephan E. hatte die Tat zunächst gestanden – dann aber sein Geständnis widerrufen.

Hintergrund: Was macht die „Identitäre Bewegung“ so gefährlich?

AfD-Chef Jörg Meuthen kritisierte diese Entscheidung des Inlandsgeheimdienstes: „Mir sind keine Gewaltaktionen der Identitären Bewegung bekannt, wie wir sie aus dem linken Lager kennen“, sagte Meuthen im Interview mit unserer Redaktion. (Bezahl-Inhalt) Daher könne man sich fragen, „wie gerechtfertigt diese Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist“. (dpa/moi)