Berlin. Private Seenotrettung wie die der „Alan Kurdi“ ist zu wenig: Die Flüchtlingskrise kann nur durch weltweite Maßnahmen gelöst werden.

Wer hätte das gedacht? Horst Seehofer (CSU) wandelt sich gegen Ende seiner Karriere noch vom Saulus zum Paulus. Der Innenminister, der die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) immer wieder harsch abgebügelt, der als Oberzensor die „Herrschaft des Unrechts“ gegeißelt und gar mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gedroht hatte: Dieser politische Haudegen wird auf einmal weich.

„Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden“, schreibt er seinem Amtskollegen Matteo Salvini ins Stammbuch. Italiens Innenminister, der die Häfen seines Landes für private Seenotrettungsschiffe wie die deutsche „Alan Kurdi“ schließen ließ, schickt eine polemische Replik Richtung Berlin: Man könne die Migranten in ein Auto setzen und sie zur deutschen Botschaft in Rom fahren. Basta!

Seehofer und Salvini waren mal Brüder im Geiste

Der barmherzige Samariter Seehofer gegen den Schotten-dicht-Politiker Salvini: Dieser Gegensatz ist bemerkenswert. Vor nicht allzu langer Zeit waren beide noch Brüder im Geiste. Mehr Schutz der europäischen Außengrenzen, zur Not Schließung der Grenzen und die Zurückweisung von Flüchtlingen, lautete die gemeinschaftliche Devise.

Seehofers 180-Grad-Schwenk ist ein populistisches Manöver. Angesichts der Fernsehbilder von erschöpften Migranten, die von der als Heldin gefeierten deutschen Kapitänin Carola Rackete aus dem Mittelmeer geborgen wurden, will er nicht als gefühlskalter Spitzenpolitiker rüberkommen. Seehofer, der Zeitgeistjünger.

Natürlich ist es eine humanitäre Pflicht, Menschen zu retten, die vom Ertrinken bedroht sind. Doch ein Problem wie die weltweite Flüchtlingskrise lässt sich nicht durch moralische Reflexe in Berlin oder Brüssel lösen. Private Migrantenschiffe, die vor den Küsten Nordafrikas patrouillieren, sind nicht die Lösung.

Schleuser verdienen Milliarden Euro

Ein mehrstufiger Ansatz tut not. Zunächst: Seenotrettung ist eine Aufgabe der Politik. Eine Koalition der Willigen innerhalb der EU sollte die Initiative ergreifen. Moralinsaure Tiraden gegen Salvini sind wohlfeil. Man mag seinen Stil und seine Sprache mit guten Gründen kritisieren. Doch seine Lega-Partei und ihr Koalitionspartner Fünf Sterne wurden von einer Mehrheit der Italiener gewählt. Das gilt es zu respektieren.

Migrationsbewegungen haben auch ihre kriminelle Seite: Das Schlepperwesen blüht und gedeiht. Schleuser verdienen Milliarden Euro, indem sie Flüchtlinge durch Afrika und über das Mittelmeer lotsen. Bilder von in Europa ankommenden Migranten haben in Mali, Kamerun oder Somalia eine Propaganda-Wirkung. Für Millionen Jugendliche, die in ihren Ländern keine Perspektive sehen, heißt die Botschaft: Es lohnt sich aufzubrechen. Um so mehr, als zum Teil Illusionen von einem paradiesischen Leben in Europa kursieren.

Wer mit Migration sein Geld verdient, muss bekämpft werden

Wer mit Migration sein Geld verdient, muss bekämpft werden. Hier sollte die EU die afrikanischen Herkunftsländer in die Pflicht nehmen – notfalls über finanzielle Anreize. In diese Rubrik gehört auch intelligente Hilfe zur Selbsthilfe, etwa Unterstützung für zukunftsfähige Unternehmen.

Klar ist aber auch, dass die EU Afrika nicht retten kann. 1,2 Milliarden Einwohner hat der Kontinent bereits. Forscher sagen voraus, dass sich die Zahl bis 2050 verdoppelt. Welche Chancen gibt es für die Neubürger, wenn bereits heute Korruption und Misswirtschaft viele Menschen ins Elend treibt? Hier haben die Herrscher zwischen Kairo und Kapstadt eine Bringschuld. Bevölkerungsentwicklung ist Teil der politischen Verantwortung. Die Europäer können hier nur flankierend helfen.