Berlin. Oskar Lafontaine hat sich zu einer Zusammenarbeit von SPD und Linken geäußert. Was dem Ex-Parteichef dabei jetzt konkret vorschwebt.
Sollte es eine Fusion von SPD und der Linken geben? Geht es nach dem ehemaligen Vorsitzenden beider Parteien, Oskar Lafontaine, bedarf es einer gemeinsamen politischen Linie. Die ist allerdings voraussetzungsvoll.
Die Diskussion um eine mögliche Fusion von Linkspartei und SPD hatte ein Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) ins Rollen gebracht. In dem Bericht hieß es unter Bezug auf das Umfeld von Oskar Lafontaine, dass er eine Vereinigung der Parteien für notwendig halte.
Gegenüber unserer Redaktion führte Lafontaine seine Ansichten zu einer Fusion jedoch aus. „Es geht nicht um eine vordergründige Fusionsdebatte (...) Es geht um eine politische Mehrheit im Bundestag für höhere Löhne und Renten und bessere soziale Leistungen, für eine friedlichen Außenpolitik und eine Umweltpolitik, die sich nicht auf kosmetische Korrekturen beschränkt.“, sagt Oskar Lafontaine.
Der ehemalige Linken-Vorsitzende grenzt sich dabei deutlich von dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit ab, der im Europawahlkampf versucht hatte, auf europäischer Ebene eine Verbindung zwischen den Grünen und der Partei En Marche des französischen Präsidenten Emmanuel Macron herzustellen.
Die Diskussion um eine Zusammenarbeit sorgt aktuell deshalb für Aufsehen, weil vor allem die SPD nach schlechten Wahlergebnissen – etwa bei der Europawahl – und dem Rücktritt von Parteichefin Nahles angeschlagen wirkt. Vor allem auf Landesebene gibt es zudem bereits linke Bündnisse (Berlin, Thüringen) unter Beteiligung von SPD und der Linken. In Bremen haben sich die Landesparteien zuletzt entschlossen, Verhandlungen über eine Koalition zu führen.
Fusion zwischen SPD und Linkspartei? Lafontaine wirbt für Bewegung
Oskar Lafontaine wirbt vorerst also nicht für einen Zusammenschluss zu einer neuen Partei, sondern für eine Bewegung. Wie diese aussehen sollte, weiß der saarländische Politiker auch schon: „Die Bewegung Aufstehen war und ist der Versuch, eine breite gesellschaftliche Debatte über diesen Neuanfang in Gang zu setzen.“
Aufstehen wurde im September 2018 vor allem von Lafontaines Frau, der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, ins Leben gerufen. Sie wurde von Vertretern der SPD und Grünen unterstützt. Die Bewegung will nach eigenen Angaben keine neue Partei sein, sondern eine Plattform, um im Bundestag linke Mehrheiten zu organisieren. Es gab im März einen Rückzug von der Spitze: Sahra Wagenknechts emotionaler Auftritt.
Die Fraktionschefin der Linken, Sahra Wagenknecht, hält einen Zusammenschluss von SPD und Linkspartei nicht für grundsätzlich ausgeschlossen. „Abstrakte Fusionsdebatten bringen nichts“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion. Doch wäre es „sehr wünschenswert“, wenn der SPD jetzt ein echter politischer und personeller Neuanfang gelingen würde. „Dann kann man über vieles nachdenken.“
Die Vorsitzenden der SPD seit 1946
Sahra Wagenknecht: SPD nicht abgestürzt, weil es die Linke gibt
Wagenknecht fügte hinzu: „Sicher ist: Ohne erneuerte starke Sozialdemokratie wird eine Regierung des sozialen Ausgleichs kaum möglich sein.“ Die SPD sei nicht deshalb abgestürzt, weil es die Linke gebe, sondern weil gerade Menschen mit niedrigen Löhnen und Renten seit der Agenda 2010 „keinen Grund mehr haben, der SPD ihre Stimme zu geben“, sagte Wagenknecht. Allerdings habe auch die Linke diese Menschen bei den letzten Wahlen immer weniger erreicht.
In die Diskussion um eine Fusion von SPD und Linken hat sich neben Lafontaine auch ein weiterer Ex-Vorsitzender der Linken eingeschaltet. Das RND zitiert den ehemaligen Linksparteichef Klaus Ernst: „Wenn die Sozialdemokratie wieder sozialdemokratisch würde, dann könnte und müsste man auch wieder darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, zwei Parteien in demselben Spektrum zu haben.“
Doch Ernst ist skeptisch, ob das Führungspersonal in den beiden Parteien aktuell dazu bereit sei. So schrieb Ernst am 3. Juni auf Facebook: „Man kann der SPD nur raten, endlich einen klaren Kurswechsel zu vollziehen. Dieser wird mit jenem altem Personal, das für den Ruin der SPD durch eigene Politik verantwortlich ist, nicht funktionieren.“
Die aktuelle Parteiführung bestehe aus Befürwortern der Agenda 10 – also dem Projekt, das die Hartz-Gesetze hervorbrachte.
Seitens der SPD gibt es eher ablehnende Reaktion auf eine mögliche Fusion. „Das sind eher Träume. Das so etwas auf absehbare Zeit kaum realistisch ist, liegt nicht zuletzt an Oskar Lafontaine selbst.“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner unserer Redaktion. Und auch innerhalb der Linken gibt es nicht nur positive Rückmeldungen zu solchen Plänen.
Linken-Chef Riexinger: „Wer aber zu dieser Zeit über Fusionen spekuliert, tut dem Ziel linker Mehrheiten keinen Gefallen.“
So sagte der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger unserer Redaktion: „Die SPD täte gut daran, sich wieder auf ihre sozialdemokratischen Wurzeln zu besinnen. Wir kämpfen für Mehrheiten links der Union und sind dabei selbstverständlich offen für Bündnisse und gemeinsame Projekte.“ Riexinger schränkte jedoch ein: „Wer aber zu dieser Zeit über Fusionen spekuliert, tut dem Ziel linker Mehrheiten keinen Gefallen. Die Linke ist eine sozialistische Partei, keine zweite Sozialdemokratie. Eine sozialistische Partei kann sich mit einer sozialdemokratischen Partei ergänzen, von ihr aber nicht ersetzt werden.“
Oskar Lafontaine war von 1995 bis 1999 SPD-Vorsitzender. Im Streit um die Sozialpolitik von Gerhard Schröder (SPD) und die spätere Agenda 2010 trat Lafontaine 1999 als Finanzminister unter Schröder zurück und trat 2005 schließlich aus der Partei aus. Nach der Gründung der Linkspartei war Lafontaine von 2007 bis 2010 Vorsitzender der Partei.
In den vergangenen Monaten ist der Politiker immer wieder auch mit der Linken hart ins Gericht gegangen. Nach der Europawahl schrieb Lafontaine auf Facebook: „Die Partei DIE LINKE hat mit 5,5 Prozent das bundesweit schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung eingefahren und selbst das Ergebnis der PDS bei der Europawahl 2004 (6,1 Prozent) unterboten. Es gelang ihr auch offensichtlich nicht, enttäuschte sozialdemokratische Wählerinnen und Wähler zu gewinnen.“ Grabenkämpfe innerhalb der Partei und und eine Konzentration auf „urbane Schichten“ würden nicht aus der Krise führen, hieß es weiter.
Oskar Lafontaine ist immer wieder Gast in Talk-Shows und bei Podiumsdiskussionen. Bei „Hart aber fair“ stritt Lafontaine zuletzt mit einem Immobilienmogul.
• Bericht beim RND: Lafontaine will Fusion von SPD und Linkspartei