Berlin. Ein schlechtes Verhältnis zur freien Presse, ein gutes zu Putin, dazu Verachtung fürs politische Establishment: das „Strache-Syndrom“.

Na und? Das weltweit Wellen schlagende Skandal-Video aus einer Ferien-Villa in Ibiza löst bei Europas Rechtspopulisten nur Schulterzucken aus. Die Äußerungen des zurückgetretenen österreichischen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache seien ein Ausreißer, heißt es unisono bei der italienischen Lega, dem französischen Rassemblement National oder der niederländischen Partei für die Freiheit.

Strache hatte einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte öffentliche Aufträge gegen Wahlkampfhilfe angeboten. Im Mittelpunkt des anvisierten Deals stand der Einstieg der Russin bei der einflussreichen „Kronen Zeitung“. Korruption? Käuflichkeit der Regierung? Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen weist alles weit von sich und spricht beschönigend von einem „singulären Vorgang“.

„Strache Syndrom“ – Rechte gegen unabhängige Medien

Nun mag Straches alkoholisierter und enthemmter Ibiza-Auftritt die Entgleisung eines einzelnen Politikers gewesen sein. Doch ein „singulärer Vorgang“ à la Meuthen ist er deswegen nicht. Denn die dahinterstehende Denkart lässt sich bei vielen Rechtspopulisten in Europa beobachten. Insbesondere, was das Verhältnis zur freien Presse, zum russischen Präsidenten Wladimir Putin oder die Verachtung des politischen Establishments angeht. Man kann es als das Strache-Syndrom bezeichnen.

Straches geplante Übernahme der „Kronen Zeitung“ dank russischen Kapitals unterstreicht, dass ihm unabhängige Medien ein Dorn im Auge sind. „Zack, zack, zack“ sollen im Strache-Stil politisch unliebsame Journalisten ausgetauscht und durch handzahme Hofberichterstatter ersetzt werden. Mit der gleichen feindseligen Marschroute soll der öffentlich-rechtliche Rundfunksender ORF auf Linie gebracht werden. In Deutschland giftet die AfD in ähnlicher Schärfe gegen ARD und ZDF.

Strache-Video- Österreich bereitet sich auf Neuwahlen vor

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