Berlin. Migration und Klimawandel sind laut einer Studie entscheidende Themen. Deutsche Jugendliche kritisieren den Stand der Digitalisierung.

Kurz vor der Europawahl ist von einer Politikverdrossenheit der Jugend wenig zu spüren. Freitags ziehen junge Menschen in ganz Europa durch die Straßen, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Auch die EU-Urheberrechtsreform hat Tausende Jugendliche aufgerüttelt.

Als wichtigstes politisches Problem nehmen junge Europäer aber ein anderes wahr: Die meisten jungen Menschen finden, dass sich die EU um die Asyl- und Migrationspolitik kümmern muss. Das geht aus der Jugendstudie „Junges Europa 2019“ der TUI Stiftung hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Für die Untersuchung hat das Meinungsforschungsinstitut YouGov 8220 Menschen im Alter von 16 bis 26 Jahren in zehn EU-Mitgliedsstaaten sowie in Norwegen befragt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Jugendstudie.

Was sind für die Jugendlichen aus Deutschland die größten EU-Probleme?

Die jungen Deutschen sehen die EU in der Pflicht, wenn es um die Migrations- und Asylpolitik geht. 55 Prozent der Befragten zählten die Zuwanderung zu den wichtigsten politischen Problemen. Damit liegen die deutschen Jugendlichen über dem europaweiten Durchschnitt, laut dem jeder Zweite die EU gefordert sieht, bei der Asyl- und Migrationspolitik zu handeln.

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Für rund jeden dritten deutschen Jugendlichen zählt die Umweltpolitik und der Tierschutz zu den wichtigsten Problemen. Nur in Dänemark (38 Prozent) war das Problembewusstsein für Umweltthemen noch stärker ausgeprägt.

Gibt es deutliche Unterschiede zwischen den europäischen Ländern?

In einigen politischen Themenfeldern geht das Problembewusstsein weit auseinander. Nirgendwo sehen mehr Jugendliche die Sozialpolitik als eines der wichtigsten EU-Probleme an als in Deutschland. In Ländern wie Griechenland, Italien und Frankreich werden dagegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie der Kampf gegen Arbeitslosigkeit als sehr wichtig eingestuft.

Miriam Hartlapp, Professorin an der Freien Universität Berlin, rechnet damit, dass das zunehmende Interesse an den verschiedenen Themen dazu führen wird, dass mehr junge Europäer in drei Wochen zur Wahlurne gehen werden: „Spätestens mit der Euro- und Migrationskrise sind die großen Auswirkungen europäischer Entscheidungen sichtbar geworden“, sagte Hartlapp unserer Redaktion.

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    Wie bewerten die Jugendlichen die Mitgliedschaft in der EU?

    Europaweit ist eine hohe Zustimmung zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union erkennbar. In Deutschland würden drei Viertel der Jugendlichen bei einem Referendum für einen EU-Verbleib stimmen. Nur in Spanien liegt der Wert mit 79 Prozent noch höher.

    Auch in Großbritannien sind die Jugendlichen nicht vom Brexit überzeugt. Bei einem erneuten Referendum würden 68 Prozent der britischen Jugendlichen für den EU-Verbleib stimmen. Insgesamt befürworten in allen untersuchten EU-Ländern im Schnitt zwei Drittel der jungen Europäer die EU-Mitgliedschaft ihres Landes.

    „Es gibt in allen Ländern eine klare Mehrheit unter jungen Menschen für die Mitgliedschaft in der EU“, sagte Thomas Ellerbeck, Vorsitzender des Kuratoriums der TUI Stiftung, unserer Redaktion. „Diese positive Grundhaltung ist ermutigend und sollte Ansporn sein, den Dialog mit den jungen Europäerinnen und Europäern zu intensivieren“, findet Ellerbeck.

    Die einzige Ausnahme stellt Norwegen dar: Die norwegischen Jugendlichen sind zufrieden damit, dass ihr Land kein EU-Mitglied ist. Nur jeder fünfte Norweger würde bei einem Referendum für einen Beitritt Norwegens in die EU stimmen.

    Sehen die deutschen Jugendlichen die Bundesregierung in der Pflicht?

    Dass Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt, wird auch im Problembewusstsein der Jugendlichen deutlich.

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    Zum Vergleich: In Großbritannien sind es nur zwei Prozent, die die Digitalisierung als nationales Problem einschätzen.

    Für die deutschen Jugendlichen ist ausgemacht, wer das Problem angehen muss: Deutlich mehr junge Deutsche sehen die Bundesregierung als die EU in der Pflicht.

    Setzen sich die Jugendlichen selbst dafür ein, die Probleme zu lösen?

    Das Engagement der deutschen Jugendlichen ist im Vergleich zu anderen Ländern in fast allen Politikfeldern unterdurchschnittlich – mit Ausnahme der Digitalisierung. Jeder dritte junge Deutsche gab an, sich im Bereich der Digitalisierung im letzten Jahr engagiert zu haben.

    Europaweit war es nur jeder Vierte, so wenig wie bei keinem anderen Thema. Die deutschen Jugendlichen sind also vor allem dort engagiert, wo sie der Regierung Nachholbedarf attestieren.

    Insgesamt setzten sich sowohl in den anderen Ländern als auch in Deuschland die jungen Europäer am häufigsten für umweltpolitische Themen ein. 41 Prozent der Deutschen gaben an, im letzten Jahr in diesem Bereich aktiv geworden zu sein, im europäischen Durchschnitt waren es noch zwei Prozent mehr.

    Kaum aktives Engagement zeigen die deutschen Jugendlichen dagegen, wenn es um Gleichberechtigung und gesundheitspolitische Themen geht. Nirgendwo sonst lag die Beteiligung bei diesen Themen niedriger als in Deutschland. (Tobias Kisling und Kerstin Münstermann)