Berlin. Immer mehr Kinder werden laut neuen Zahlen von einem Elternteil ins Ausland entführt. Mütter und Väter sind gleichermaßen die Täter.

Es ist der Albtraum für jeden Vater und jede Mutter nach einer Trennung: Ein Elternteil, häufig mit ausländischer Nationalität und ohne Sorgerecht, bringt das gemeinsame Kind ins Ausland oder kehrt aus einem Urlaub nicht zurück. Mit dem Kindesentzug beginnt für alle Beteiligten meist ein langer Leidensweg mit ungewissem Ausgang. Die AfD-Fraktion im Bundestag wollte jetzt von der Regierung wissen, wie viele Kinder aus Deutschland entführt werden.

Wie eine Antwort des Bundesjustizministeriums zeigt, stellte Deutschland im Vorjahr nach dem internationalen Haager-Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) und geltenden EU-Regelungen in ausländischen Staaten 241 Rückführungsanträge für Mädchen und Jungen unter 16 Jahren, 2017 waren es 186. Von diesen 186 Fällen wurden nach Angaben des Bundes 156 Fälle abgeschlossen. Von den 241 Verfahren des Jahres 2018 sind mittlerweile 113 geklärt, 128 Fälle sind noch offen.

Männer und Frauen sind gleichermaßen Täter

Auf Platz eins steht die Türkei. Dort gab es 38 deutsche Anträge auf Rückführung, gefolgt von Polen (25), Frankreich, England (je 13), Russland (12), Österreich, Italien (je 11), Spanien, den USA (je 9) und Portugal (8). Dabei sind Kindesentführungen ins Ausland keine Einbahnstraße – oft werden Kinder auch widerrechtlich nach Deutschland gebracht. So stellte 2018 Polen 22 Anträge auf Rückführung, es folgten die Schweiz (18), die USA (12), Italien (10), Frankreich (8), Russland (6) und die Türkei (5).

In der Praxis könnten die Fallzahlen entführter Kinder weitaus höher sein. So werden nur Rückführungsverfahren unter Beteiligung des Bonner Bundesamtes für Justiz erfasst. Dessen Einbeziehung sei nach dem Haager Abkommen nicht zwingend, „so dass die Zahlen nicht erschöpfend sind“. Dem völkerrechtlich bindenden Haager-Kindesentführungsübereinkommen gehören derzeit weltweit 100 Vertragsstaaten an.

Väter und Mütter gleichermaßen Täter

Nach Einschätzung des Bundesamtes steigen die erfassten Zahlen an, weil es mehr Ehen und Lebensgemeinschaften zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität gibt. Dabei sei die Neigung von Elternteilen, nach der Trennung von dem anderen den Staat des gemeinsamen Wohnsitzes mit den gemeinsamen Kindern ohne entsprechende Sorgerechtsregelung eigenmächtig zu verlassen, deutlich gewachsen.

Die Statistik zeigt übrigens, dass Väter und Mütter gleichermaßen Täter sind. So wurden 2017 29 Frauen und 24 Männer abgeurteilt, erhielten einen Strafbefehl oder das Verfahren wurde etwa eingestellt. 42 Personen, die Hälfte davon Frauen, wurden zu Freiheitsstrafen, Strafarrest oder Geldstrafen verurteilt.