Berlin . Bund und Länder haben den Weg für Milliardenhilfen frei gemacht. Das müssen Lehrer, Eltern und Schüler über den Digitalpakt wissen.

Politik kann manchmal ganz schnell gehen. Nur 20 Minuten dauerte am Mittwochabend die Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bund und Ländern. Dann war der Weg für den Digitalpakt Schule endlich frei.

Dieser Ausschuss ist eine Schlichtungsstelle, wenn Bundestag und Bundesrat (wo die 16 Länder das Sagen haben) zwar ein Thema sinnvoll und gut finden, sich aber in den Details total verhakt haben. Meistens liegt das am Geld. Oder wer bei einem Projekt das Sagen hat. Aus diesen beiden Gründen war eine Einigung über die geplante milliardenschwere Digitalisierung von Deutschlands Schulen vor Weihnachten zunächst gescheitert.

Viele Experten und Millionen Eltern schüttelten seitdem den Kopf über die Politiker und forderten lautstark: Rauft euch endlich zusammen, damit die Schulen in Sachen Internet up to date sind und unsere Kinder fit für die digitale Welt gemacht werden. Und siehe da: Der Druck aus den Klassenzimmern hat gefruchtet.

Nach 20 Minuten (und vielen vorgeschalteten Gesprächsrunden) löste sich der Zoff in Luft auf. „Wir haben es geschafft“, sagte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU). Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) jubelte: „Es gibt keine Verlierer, es gibt Gewinner.“

Das müssen Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler über den Digitalpakt wissen:

Wie viel Geld soll in die Schule fließen?

Der Bund will den Ländern in den nächsten fünf Jahren fünf Milliarden Euro überweisen. Rein rechnerisch bedeutet das nach Angaben der Bundesregierung für jede der rund 40.000 Schulen in Deutschland im Durchschnitt einen Betrag von 137.000 Euro.

Umgerechnet auf elf Millionen Schülerinnen und Schüler sind das etwa 500 Euro pro Kopf. Das Geld soll für die Ausstattung von Schulen mit schnellem Internet, Wlan, elektronischen Tafeln (Whiteboards), Online-Lernplattformen, Lehrer-Fortbildungen und Schüler-Workshops ausgegeben werden.

Für Endgeräte wie Tablets und Laptops soll jede Schule im Schnitt etwa 25.000 Euro erhalten. Das Geld wird aber nicht reichen, um Geräte für alle Schüler zu kaufen. Übrigens: Lehrer und Schüler dürfen Tablets nur in der Schule nutzen und nicht mit nach Hause nehmen.

Wann geht es an den Schulen los?

Noch am Donnerstag, keine 24 Stunden nach der Einigung im Vermittlungsausschuss, beschloss der Bundestag in einer breiten Allianz aus CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und Linken (nur die AfD stimmte dagegen, weil sie einen Ausverkauf der Länderzuständigkeit befürchtet) mit Zweidrittelmehrheit für die notwendigen Grundgesetzänderungen.

Am 15. März müssen noch einmal die Ministerpräsidenten den Kompromiss im Bundesrat besiegeln. Das gilt als Formsache, da sie die Lösung selbst ausgehandelt haben. Ist der Digitalpakt in Kraft, können die Schulträger, also Städte, Gemeinden, Landkreise, bei den Ländern Förderanträge stellen.

Noch im laufenden Jahr sollen die ersten Digitalprojekte in den Schulen starten. Der Chef der Kultusministerkonferenz, Hessens Minister Alexander Lorz (CDU), sagte: „Der Digitalpakt Schule muss jetzt ins Laufen kommen, damit die Schulen Planungssicherheit haben und wir der Digitalisierung in unseren Schulen den notwendigen Schwung verleihen können.“

Warum wurde so lange gestritten?

Bildung ist Ländersache. So steht es im Grundgesetz. Der Bund wollte den Ländern die Schul-Milliarden aber nicht ohne Mitsprache- und Kontrollmöglichkeiten überweisen. Denn oft verwendeten einige Länder in der Vergangenheit Bundesgeld nicht immer dafür, wofür es gedacht war.

Auf die Barrikaden brachte die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen die im Bundestagsbeschluss von Dezember 2018 enthaltene Formulierung, die Finanzhilfen würden „zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens“ gewährt. Das klang so, als könnte der Bund künftig Bildungsstandards und Inhalte mitbestimmen.

Ging es auch ums Geld?

Ja. Zwei Haushaltsprofis, Johannes Kahrs von der SPD und Eckhardt Rehberg von der CDU, hatten im Vorjahr in letzter Minute die Vorgabe in den Gesetzentwurf geschmuggelt, dass bei allen künftigen Bundesprogrammen zugunsten der Länder diese zu jedem Bundes-Euro einen eigenen Länder-Euro in dem Bereich investieren müssten. Für ärmere Länder wäre das unbezahlbar gewesen.

Wie sieht der Kompromiss aus?

Der Bund darf durch „gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen für die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Bildungsinfrastruktur“ Geld geben. Gemessen an dem jahrzehntelang geltenden Verbot einer Kooperation von Bund und Ländern ist das ein Meilenstein. Die Bildung bleibt qualitativ in Länderhand.

Aufgestoßen wird die Tür für Pläne, dass der Bund beim Ausbau der Ganztagsschulen etwa die Betreuung am Nachmittag mitfinanziert. Die Länder sollen die Bundesprogramme künftig zwar auf jeden Fall mitfinanzieren – aber nicht zwingend halbe-halbe.

„Die Mittel des Bundes werden zusätzlich zu eigenen Mitteln der Länder bereitgestellt“, so wird es künftig im Grundgesetz heißen, was Spielräume offenlässt. Dafür müssen die Länder dem Bund Bericht erstatten und Akten vorlegen, was sie mit dem Geld gemacht haben.

Gibt der Bund auch Geld für andere Projekte?

Ja. Neben den fünf Milliarden Euro für die Schulen sollen nun bis 2021 zwei Milliarden Euro für den Bau neuer Sozialwohnungen und eine Milliarde Euro für den öffentlichen Nahverkehr fließen.

Was sagen Bildungsexperten?

Geld alleine stärkt nicht automatisch die Digitalkompetenz an Schulen. Es wäre „der falsche Weg, alle Schulen einfach nur mit Technik vollzustopfen“, warnte die Landesvorsitzende von Lehrer NRW, Brigitte Balbach. Digitale Medien seien kein Selbstzweck, sondern müssten sinnvoll in den Unterricht eingebunden werden.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, forderte eine Fortbildungsoffensive. Denn viele leidgeprüften Eltern und Lehrer wissen, dass der mit Facebook, Instagram und WhatsApp groß gewordene Nachwuchs ihnen in der digitalen Welt haushoch überlegen ist. (mit dpa)