Berlin. Berlin sei ein nicht funktionierender Teil Deutschlands, hatte uns Boris Palmer gesagt. Jetzt war er zu Besuch - und bleibt dabei.

Boris Palmer steht im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg und schaut sich um. „Im Moment sehe ich nichts“, sagt er. Keine Dealer da. Das könnte auch an der Zeit liegen, es ist Dienstagvormittag. Oder an der Menschentraube aus Reportern und Kameraleuten, die Palmer folgt. Oder am Polizeiauto, das im Park steht, was sonst nie der Fall sei, wie die Leute von der CDU sagen. Ihr Verdacht: Der rot-rot-grün regierte Senat hat heute extra eine Streife hier hingeschickt, weil sie von Palmers Besuch wussten.

Der Görlitzer Park, in Berlin Görli genannt, ist der Hauptumschlagplatz für Drogen in der Hauptstadt. Der Görli war schon oft überregional in den Schlagzeilen – auch als Synonym für das, was in Berlin schief läuft. Für das Versagen der Politik. Für das Unvermögen, die offensichtlichsten Probleme in den Griff zu bekommen.

Boris Palmer kam auf CDU-Einladung nach Berlin

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen, Universitätsstadt in Baden-Württemberg, etwa 90.000 Einwohner. Ein Grüner, von vielen in der eigenen Partei wegen seiner Aussagen zur Flüchtlingspolitik kritisiert. An diesem Dienstag ist er auf Besuch in der Hauptstadt. Auf Einladung des CDU-Fraktionschefs im Berliner Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger.

Vor dem Treffen mit dem Grünen ist der CDU-Mann Dregger sichtlich erfreut. Viele Journalisten interessieren sich für den Besuch aus dem Ländle, und Dregger begrüßt Palmer mit den Worten, es sei nur mehr los, „wenn der amerikanische Präsident kommt“. Da muss Palmer lachen.

Anlass für den Besuch ist Palmers Berlin-Schelte vom Dezember 2018, als er im Gespräch mit unserer Redaktion sagte: „Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands.“

Es folgte ein Aufschrei. Berlin wird von einem rot-rot-grünen Senat regiert, und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wies die Kritik ebenso zurück wie die Grünen.

Wie tief die Wunden sind, zeigt eine Äußerung der Berliner Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek vor Palmers Besuch: „Mich regt Boris Palmer nicht auf.“ Wohl aber störe sie, dass die CDU nun auch „Berlin-Bashing“ betreibe und „so einen Irren wie Palmer“ einlade.

Drogenhandel gibt es auch in Tübingen

Palmer sagt, das Problem mit dem Drogenhandel in einem Park kenne er aus seiner Heimat. Im Botanischen Garten in Tübingen würden etwa 20 junge Männer, meist aus Gambia, illegale Rauschmittel verkaufen. Da kann er wenig gegen tun, da ist bisher auch der Oberbürgermeister machtlos.

Palmer findet es nicht schlimm, „wenn die Leute Haschisch rauchen“ – auch wenn er selbst keine Drogen nimmt, wie er sagt. Er kritisiert aber die „aggressive Okkupation des öffentlichen Raums“ durch die Dealer. Doch die sind ja gerade nicht da.

Palmer stellt sich noch mal für die Fotografen hin und sagt: „Ich werde mir den Görlitzer Park jetzt irgendwann mal alleine angucken.“ Dregger will Palmer an diesem Tag funktionierende und nicht funktionierende Teile Berlins zeigen. Deshalb beginnt der Tag an der Messe. Die funktioniert. Macht Plus. Ist fast immer ausgebucht. Und es gibt neue Projekte, vor allem den Hub27, der soll die größte, multifunktionale Halle der Messe Berlin sein.

Palmer lobt die Wirtschaftlichkeit der Messe, beanstandet aber, dass er keine Auskunft über Solaranlagen oder andere nachhaltige Projekte der Messe erhält.

„Eine einzige Blechwüste“

Im Bus, der Politiker und Journalisten nach Kreuzberg bringt, fährt dann die Bismarckstraße entlang, am Ende kann man schon die Siegessäule sehen – und Palmer wird ein bisschen lauter. „Das ist ja furchtbar“, ruft er. Das sei ja „eine einzige Blechwüste hier“. Die Menschen, die hier leben, würden „terrorisiert“.

Er meint die achtspurige Bismarckstraße, in der Mitte sind Parkplätze, auch rechts dürfen Autos parken, und für Fahrradfahrer ist nur wenig Platz. Palmer würde das alles sofort umbauen. Mehr Platz für das Fahrrad. „Der Parkstreifen kommt komplett weg.“

Am besten soll es nachher so aussehen wie in Kopenhagen, wo viele Menschen mit dem Fahrrad fahren. Palmer empfiehlt Dregger: „Sie sollten dringend daran arbeiten, die Stadt für Radfahrer benutzbar und für Menschen lebbar zu machen.“ Was die Reporter am Ende der Tour noch von Palmer wissen wollen: Würde er denn seinen umstrittenen Satz über Berlin noch immer so sagen? Ja, würde er – und begründet das so: „Ich wusste auch vorher auch schon, dass Berlin nicht komplett disfunktional ist. Der Satz war in sich selber erkennbar auch ironisch.“

Nach Berlin ziehen würde er niemals. Er will in Baden-Württemberg bleiben. „Ich mag es beschaulich und idyllisch.“ Und trotz aller Kritik: Palmer hat einen Lieblingsort in Berlin. Den Minigolfplatz im Volkspark Hasenheide. Der Grund: Tübingen hat keinen Minigolfplatz.