Berlin. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier findet im Gespräch mit unserer Redaktion deutliche Worte für die SPD und ihre Reformpläne.

Die SPD hat mit ihren Ideen von einem neuen Sozialstaat bei ihrem Koalitionspartner Irritationen ausgelöst. Die Ideen zur Grundrente und dem Ende von Hartz IV treffen bei der Union auf Ablehnung.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier ist da keine Ausnahme. Im Gespräch mit unserer Redaktion kritisiert der CDU-Vize den neuen Kurs der Sozialdemokraten ebenfalls scharf.

Die SPD ist entschlossen, den Sozialstaat umzubauen. Sind Sie dabei?

Volker Bouffier: Über Reformen können wir immer reden. Aber: Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirtschaft. Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschieden. Die neue Grundrente von Arbeitsminister Heil ist die komplette Abkehr von dem Grundgedanken, dass die Rente mit den Einzahlungen als Arbeitnehmer zu tun haben muss. Auf die Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten, geht gar nicht.

Warum nicht?

Bouffier: Es gibt Leute mit kleinen Renten, die trotzdem eine gute Einkommenssituation haben – sei es aus Vermietungen oder vorhandenem Vermögen. Auf die Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten, bedeutet eine soziale Schieflage herzustellen. Meine Frau ist das beste Beispiel: Meine Frau hat durch die Geburt der Kinder weniger gearbeitet und bezieht heute eine kleine Rente. Aber sie ist beim besten Willen nicht bedürftig und arm.

Wir können über die Grundrente und Korrekturen bei Hartz IV reden, aber die Bedürfnisprüfung ist notwendig. Herr Heil hat außerdem keine Idee, wie man die Grundrente bezahlen soll. Die Rentenversicherung allein kann das nicht leisten. Wer die Grundrente will, muss mit Steuererhöhungen rechnen – und zwar für alle Arbeitnehmer. Das ist mit uns aber nicht zu machen.

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Dabei ist die Grundrente nur ein Baustein der neuen SPD-Agenda.

Bouffier: Es gibt noch weitere Beispiele: Die geforderte willkürliche Besserstellung von tarifgebundenen Betrieben ist verfassungsrechtlich nicht machbar. Das ist die Abkehr vom Modell der Tarifpartnerschaft. Der Staat darf nicht vorschreiben, dass eine tarifliche Bindung steuerlich belohnt wird.

Hier entsteht ein Wettbewerbsnachteil für kleinere Betriebe. Auch das Recht auf Home Office ist absurd.

Was sollen Verkäuferinnen und Handwerker davon halten? Sie können kein Recht auf Home Office haben. Dieser Vorschlag ist ein Bürokratie-Ungetüm, weil es jede Menge Ausnahmen geben muss. Das ist eine klassische Schreibtisch-Idee von Menschen, die keine Verbindung zum Rest der Welt haben.

Warum macht die SPD das jetzt?

Bouffier: Sie will sich vor den Wahlen in Europa und mehreren Bundesländern als Schutzmacht der kleinen Leute positionieren. Aber mit dem Programm hilft sie den kleinen Leuten schon gar nicht. Die SPD will mehr Bürokratie, mehr Staat und Steuererhöhungen. Da macht die Union nicht mit. Die Sozialdemokraten haben keinen Kompass mehr.

Was bedeutet dieser Linksschwenk für die Arbeit in der Koalition?

Bouffier: Ich hatte bisher den Eindruck, dass die wesentlichen Personen der SPD sich der Koalition verpflichtet fühlen. Auf der anderen Seite kann man nahezu täglich lesen, wie häufig in der SPD nach dem Austritt aus der Koalition gerufen wird. Dieses Dauerthema erhöht sicher nicht die Attraktivität der Partei.

Wie regierungsfähig ist der Koalitionspartner noch?

Bouffier: Die SPD versucht zweigleisig zu fahren: Regieren mit gleichzeitiger Was-wäre-wenn-Strategie. Diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die SPD kann nicht Verantwortung in der Bundesregierung übernehmen und zugleich täglich Vorschläge machen, die in dieser Koalition nicht zu machen sind. So entzaubert sich die SPD vollends.

Gibt es am Ende des Jahres noch die große Koalition?

Bouffier: Ich vermute ja. Nach den Europa- und Landtagswahlen wird sich die SPD im Herbst sortieren. Ob dabei Frau Nahles die richtige SPD-Vorsitzende hat, muss die Partei selbst beantworten.

SPD-Chefin Andrea Nahles.
SPD-Chefin Andrea Nahles. © dpa | Thomas Frey

Und was halten Sie von Andrea Nahles?

Bouffier: Ich habe sie als harte, verlässliche Verhandlungspartnerin kennengelernt. Wie es um das Innenleben der SPD bestellt ist, dafür fehlt mir der Einblick.

Ihr Appell an die SPD?

Bouffier: Das ganze Land nimmt Schaden, wenn der eine Regierungspartner sich von der Grundlinie des Koalitionsvertrags absetzt und in eine andere Richtung rennen will. Der harte Linkskurs wird der SPD nicht nützen.