Berlin. Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl wehrt sich gegen Vorwürfe, sie würde die Politik der ungarischen Regierung gut heißen.

Nicola Beer ist gerne in Ungarn. So gerne, dass die FDP-Generalsekretärin im Herbst ihre kirchliche Hochzeit in Budapest feierte. Als Trauzeuge war ein Ex-Minister des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán dabei, der Mann leitet heute eine politische Stiftung von Orbáns Fidesz-Partei.

Beers Ehemann, der Rechtsanwalt Jürgen Illing, trägt einen ungarischen Verdienstorden, persönlich überreicht durch Orbán. Für die 48-jährige Beer, die beim Parteitag an diesem Sonntag Spitzenkandidatin der FDP für die Europawahl werden will, ist die auffällige Nähe zu den Mächtigen in Budapest jetzt zum Handicap geworden.

Am vergangenen Wochenende hatte der „Spiegel“ ausführlich über Beers Beziehungen nach Ungarn berichtet. Demnach sind die Kontakte mehr als nur privater Natur. Beer und ihr Ehemann, so der Bericht, hätten in der Vergangenheit einiges unternommen, um zugunsten von Ungarn Einfluss zu nehmen.

In der FDP ist Orbán ein politischer Gegner

So hätten sie etwa versucht, FDP-Europaabgeordnete auf einen ungarnfreundlichen Kurs zu bringen. Gleichzeitig falle auf, dass sich Beer anders etwa als Parteichef Christian Lindner mit direkter Kritik an Orbán zurückhalte.

Beer selbst äußerte sich öffentlich zunächst nicht zu den Vorwürfen aus dem „Spiegel“ (Bezahlinhalt). Dabei musste ihr bereits am Wochenende klar sein, dass ihre Parteifreunde dringend auf eine Antwort warteten. Denn: Für die allermeisten in der FDP ist Orbán ein politischer Gegner und niemand, von dem man sich Verdienstorden überreichen lässt.

Und eine Orbán-freundliche Spitzenkandidatin ist ein maximaler Imageschaden für eine Partei, die gerne als glühende Verteidigerin von Rechtsstaat und Demokratie betrachtet werden will. Vielen war gleichzeitig aber auch klar, dass es unfair wäre, Beer quasi in Sippenhaft zu nehmen und für die offen Orbán-freundlichen Einstellungen ihres Ehemanns haftbar zu machen.

Ihre Sympathie gelte den Ungarn, nicht ihrer Regierung, sagt Beer

Christian Lindner und Nicola Beer.
Christian Lindner und Nicola Beer. © dpa | Sebastian Gollnow

Am Dienstag entschied sich Beer schließlich zu einer Klarstellung: Die Vorwürfe, sie würde mit Orbán sympathisieren und dessen Politik kritiklos hinnehmen, seien „falsch und haltlos“, sagte die FDP-Politikerin unserer Redaktion. „Ich habe keinerlei Sympathie für die ‚illiberale Demokratie‘ von Viktor Orbán. Sie ist mir politisch wesensfremd.“ Ihre Sympathie gelte den Ungarn, nicht ihrer Regierung. Sie trete seit mehr als 20 Jahren für eine offene Gesellschaft und für einen liberalen Rechtsstaat ein. „In Deutschland, in Europa und natürlich auch in Ungarn.“

Es sind klare Worte. Doch ob damit alle Zweifel vom Tisch sind? Parteiintern wird es Beer an ihrem Wahlergebnis am kommenden Sonntag ablesen können – und an der Art, wie geschlossen sich die Parteispitze hinter sie stellt.

„Politisch“ habe Beer das volle Vertrauen der FDP, erklärt Lindner

Parteichef Lindner hatte Beer bereits in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ den Rücken gestärkt: „Die FDP kritisiert bekanntlich die Regierung Orbán und die Politik von Fidesz hart“, sagte Lindner. Und auch wenn es da alte private Beziehungen gebe: „Politisch hat Nicola Beer jedenfalls unser volles Vertrauen.“ Wer den letzten Satz zweimal liest, stutzt. Warum schränkt Lindner das Vertrauen ohne Not aufs Politische ein? Es scheint, als habe Beers Ehe in der Partei mehr Sprengkraft als bislang nach außen sichtbar war.

An diesem Sonntag kommen die Liberalen in Berlin zusammen, um ihr Europawahlprogramm zu beschließen und Beer zur Spitzenkandidatin zu wählen. Im Europawahlkampf soll sie Teil des Spitzenteams der liberalen EU-Parteienfamilie sein, der auch Emmanuel Macrons Bewegung La République en Marche angehört. Einen Schwerpunkt will Beer auf Bildung und Dialog legen. „Deswegen wollen wir, dass jeder Jugendliche, ob Schüler oder Lehrling, ein halbes Jahr in anderen Ländern der Europäischen Union verbringt.“

Die Kandidatin will die osteuropäischen Länder umwerben

Wichtig ist ihr aber auch ein ausdrückliches Signal an die osteuropäischen EU-Länder. Für sie sei es selbstverständlich, in der EU über Landes- und Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten; es gehe darum, Brücken zu bauen: „Wir verdanken auch dem Mut der Polen, der Tschechen, der Ungarn unsere Deutsche Einheit und die Erweiterung Europas. Das sollten wir bei aller Kritik nie vergessen.“