Berlin. Der Städtetag kritisiert härtere Sanktionen für unter 25-jährige Hartz-IV-Empfänger. Das Verfassungsgericht verhandelt ab Dienstag.

Der Deutsche Städtetag fordert, harte Sanktionen für junge Empfänger von Hartz IV zu streichen. „Der Grundsatz des ‚Förderns und Forderns‘ ist durchaus sinnvoll“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, unserer Redaktion. „Die aktuell besonders harten Sonderregeln für Menschen unter 25 Jahren halten die Städte allerdings für überflüssig.“

Hintergrund der Forderung sind die aktuelle Hartz-IV-Debatte und eine Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag. Dabei geht es um die Zulässigkeit eben dieser Sanktionen. Arbeitslose, denen Leistungen gekürzt werden, haben oft weniger als das Existenzminimum.

Hartz-IV-Sanktionen „sollten für alle gleich sein“

Das kritisiert auch der Städtetag: Die harten Sanktionen für junge Erwachsene erhöhten bei den Betroffenen „die Gefahr, dass sie in Obdachlosigkeit geraten, ihren Krankenversicherungsschutz verlieren und gar nicht mehr von irgendeiner Instanz erreicht werden“, sagt Dedy. „Das ist unmenschlich und erschwert es den Betroffenen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.“

Die Sanktionen liefen dem eigentlichen Ziel des Gesetzes zuwider, die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. „Die möglichen Sanktionsregeln sollten aus Sicht der Städte in einem angemessenen Maß bleiben und für alle Altersgruppen gleich sein.“

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Darf man ein Existenzminimum noch kürzen?

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt an diesem Dienstag erstmals über die Leistungskürzungen für Hartz-IV-Empfänger. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Angestoßen hatte die Überprüfung der Sanktionen das Sozialgericht Gotha in Thüringen. Die Richter dort halten die Regelungen für verfassungswidrig. Das Existenzminimum dürfe nicht noch durch Sanktionen gekürzt werden. Dies verletze die Würde des Menschen, missachte den Charakter des Sozialstaats und beeinträchtige die körperliche Unversehrtheit.

Im konkreten Fall hatte ein Arbeitsloser mit Ausbildung im Bereich Lager/Logistik eine vom Jobcenter Erfurt angebotene Tätigkeit als Lagerarbeiter abgelehnt. Das Jobcenter kürzte ihm das Arbeitslosengeld II um 30 Prozent, später um 60 Prozent.

Arbeitsminister Heil: Geld für Wohnung nicht mehr streichen

Zuletzt verhängten die Jobcenter fast eine Millionen Sanktionen, allerdings können einzelne Empfänger auch mehrfach betroffen sein. In etwa drei Viertel der Fälle hatten die Betroffenen Termine am Jobcenter versäumt.

Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht sich für mildere Hartz-IV-Sanktionen aus. „Sanktionen, die nicht helfen und Menschen unnötig verunsichern, sollten wir abschaffen. Ich bin etwa dafür, dass man das Geld für die Wohnung nicht mehr streichen kann“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

FDP fordert „Bündnis für die bisher Chancenlosen“

Der FDP-Sozialpolitiker Pascal Kober forderte ein „Bündnis für die bisher Chancenlosen“. So sollten Arbeitgeber, Kommunen und Sozialverbände gemeinsam daran arbeiten, Langzeitarbeitslosigkeit zu überwinden.

Konkret forderte Kober, alle staatlichen Leistungen wie Regelsatz, Kosten der Unterkunft und Krankenkassenbeiträge zusammenzufassen. Dieser Betrag solle durch einen Lohnanteil des Arbeitgebers aufgestockt werden, der „der tatsächlichen Produktivität des Arbeitnehmers entspricht“, sagte Kober unserer Redaktion.

Dafür müssten Zuverdienstgrenzen von Hartz-IV-Empfängern „motivierender“ gestaltet werden. Ziel müsse sein, dass jeder ein „individuelles Arbeits- und Förderangebot im Umfang von mindestens 25 Stunden“ bekomme. „Das Ziel muss lauten: Keiner bleibt mehr zu Hause“, sagte Kober.

Das Thema Hartz-IV-Sanktionen sorgte zuletzt mehrfach für Diskussionen. So lehnte etwa SPD-Chefin Andrea Nahles Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger ab. Das wiederum stieß in der Union auf Kritik.