Athen. Das Nachbarland Mazedonien spaltet die Links-Rechts-Regierung Griechenlands. Nun will Alexis Tsipras die Vertrauensfrage stellen.

Neue Ungewissheit in Griechenland: Die Koalition des radikalen Linksbündnisses Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras mit den Syriza rechtsgerichteten Unabhängigen Griechen (Anel) steht vor dem Ende.

Der Anel-Vorsitzende Panos Kammenos kündigte am Sonntag nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Rücktritt vom Amt des Verteidigungsministers und den Auszug seiner Partei aus der Regierung an. Tsipras will am Dienstag im Parlament die Vertrauensfrage stellen – und weiterregieren.

Anlass der Trennung ist die Mazedonienfrage. Das Parlament in Skopje hatte am Freitagabend die Änderung des Staatsnamens in „Republik Nord-Mazedonien“ beschlossen. Diesen Kompromiss hatte Tsipras 2018 mit dem mazedonischen Premier Zoran Zaev ausgehandelt.

Griechen fürchten Ansprüche der Mazedonier

Kammenos lehnt, wie laut Umfragen zwei von drei Griechen, das Abkommen ab. Viele Menschen in Griechenland wollen den Namen ihrer Provinz Mazedonien nicht mit den Nachbarn im Norden teilen, weil sie Ansprüche auf ihr Territorium und ihr kulturelles Erbe fürchten.

Er werde bei der Vertrauensfrage im Parlament nicht für die Regierung stimmen, erklärte Kammenos. „In der Mazedonienfrage sind wir in der Opposition“, so der Anel-Chef. Unklar war aber zunächst, ob sich auch alle anderen sechs Anel-Abgeordneten aus der Koalition verabschieden.

Der Anel-Chef Panos Kammenos kündigte seinen Rücktritt an.
Der Anel-Chef Panos Kammenos kündigte seinen Rücktritt an. © REUTERS | COSTAS BALTAS

Die Mazedonienfrage galt als „Sollbruchstelle“ des Regierungsbündnisses. Kammenos hatte schon 2018 angekündigt, er werde sich aus der Regierung zurückziehen, wenn das Abkommen zur Ratifizierung ins griechische Parlament komme. Die Abstimmung könnte bereits Ende Januar stattfinden. Tsipras kann bei der Ratifizierung auf Stimmen unabhängiger Abgeordneter und der Mitte-Links-Splitterpartei To Potami rechnen.

Namensänderung ermöglicht EU- und Nato-Beitritt

Es ist deshalb wahrscheinlich, dass der Vertrag vom Parlament gebilligt wird. Mit der Namensänderung öffnet sich für Mazedonien die Tür zur Europäischen Union und zur Nato. Deshalb unterstützen die EU und die Allianz das Abkommen.

Tsipras bedankte sich nach dem Treffen mit Kammenos vor der Presse „von ganzem Herzen“ für die Zusammenarbeit der zurückliegenden vier Jahre und für die „unersetzlichen politischen Ratschläge“, die er von seinem Koalitionspartner bekommen habe. Der Premier kündigte an, dass er den derzeitigen Generalstabschef, Admiral Evangelos Apostolakis, zum Nachfolger von Kammenos im Amt des Verteidigungsministers berufen werde.

Tsipras brauch keine absolute Mehrheit für das Vertrauensvotum

Die Zukunft der Regierung Tsipras ist ungewiss. Die Debatte über die Vertrauensfrage soll am Dienstag beginnen, die Abstimmung am Donnerstag um Mitternacht stattfinden. Das Tsipras-Linksbündnis Syriza verfügt über 145 der 300 Mandate. Dennoch könnte er das Votum gewinnen. Denn nach Artikel 48 der griechischen Verfassung braucht die Regierung für ein Vertrauensvotum des Parlaments keine absolute Mehrheit von 151 Stimmen. Es reicht die Mehrheit der anwesenden Abgeordneten.

Auch wenn der Premier diese Hürde nimmt, bleibt offen, wie lange er als Chef einer Minderheitsregierung durchhalten kann. Tsipras kündigte zwar an, er wolle bis zum regulären Ende der Legislaturperiode im Oktober weiterregieren und bei Abstimmungen im Parlament „Mehrheiten ad hoc“ suchen.

Bei Neuwahlen wird Tsipras wohl gehen müssen

Für Griechenland, das sich gerade an die Kapitalmärkte zurück zu kämpfen versucht, könnte das allerdings eine monatelange politische Stagnation bedeuten. Viele politische Beobachter in Athen erwarten deshalb, dass Tsipras die Wahlen vorziehen muss. Als ein möglicher Termin gilt der 26. Mai, zeitgleich mit der Europawahl.

Glaubt man den Meinungsforschern, kann Tsipras zumindest aus heutiger Sicht nicht damit rechnen, dass ihn die Wähler im Amt bestätigen. In den Erhebungen liegt das Linksbündnis Syriza bei der sogenannten Sonntagsfrage rund zehn Prozentpunkte hinter der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia.