Paris. In Paris ist es erneut zu Gewalt bei Protesten der „Gelbwesten“ gekommen. Präsident Macron sprach von einem Angriff auf Frankreich.

Mitten in Paris brennen wieder Autos, Motor- und Fahrräder. Demonstranten schleudern Flaschen und Steine Richtung Polizei. Die Ordnungshüter schießen mit Tränengas und Blendgranaten zurück. Ein Restaurantschiff auf der Seine wird in Brand gesteckt. An mehreren Stellen steigen schwarze Rauchsäulen in den Himmel empor. Einige der Protestler prügeln auf schwarz uniformierte Polizisten ein. Einer von ihnen wird verletzt, als ein Fahrrad auf ihn geworden wird.

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Auch am ersten Sonntag im neuen Jahr gab es in Frankreich Proteste der „Gelbwesten“-Bewegung gegen die Regierung. Im ganzen Land gingen rund 50.000 Menschen auf die Straße, allein in Paris waren es etwa 3500. In der Hauptstadt eskalierte die Lage wiederholt entlang des linken Seine-Ufers, auf einer Fußgängerbrücke über den Fluss und auf der Champs-Élysées. Proteste gab es unter anderem auch in Bordeaux, Caen, Rouen und Marseille.

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Regierungssprecher muss sein Büro verlassen

Die Aussschreitungen waren laut Behördenangaben gewaltsamer als in der Vergangenheit. Es sei landesweit zu 34 Festnahmen gekommen, hieß es. Die „Gelbwesten“-Bewegung wird so genannt, weil viele Teilnehmer der Kundgebungen und Straßenblockaden die gelben Warnwesten für Autofahrer tragen.

Regierungssprecher Benjamin Griveaux musste am Nachmittag sein Büro an der Rue de Grenelle fluchtartig verlassen und sich in Sicherheit bringen. Zuvor hatten Demonstranten mit einer auf der Straße entwendeten Baumaschine das Tor zu seinem Amtssitz eingedrückt. „Nicht ich persönlich wurde attackiert. Es war die Republik, es waren die Institutionen, die sie im Visier hatten“, sagte Griveaux über die Angreifer. Präsident Emmanuel Macron rief zum Dialog auf. Alle müssten sich zusammenreißen, um eine Debatte und das Gespräch zu ermöglichen, schrieb Macron auf Twitter.

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Eine der führenden Figuren der „Gelbwesten“-Bewegung machte die Polizei für die Eskalation in Paris mitverantwortlich. Der Protestmarsch habe sich auf einer angemeldeten Route Richtung Nationalversammlung bewegt, wo er sich dann friedlich aufgelöst habe, sagte Priscillia Ludosky. Die Polizei habe dann aber entgegen der Absprache die Strecke gesperrt. „Warum blockiert man es kurz vor dem Ziel und lässt eine Konfrontation zu? Denn das heizt die Gemüter auf, den Zugang zu etwas zu blockieren. Und dann werden die Leute wütend, und schon passiert, was gestern passiert ist“, sagte sie.

Macron vollzog überraschend Kehrtwende

Die im November aufgeflammten Kundgebungen der „Gelbwesten“ schienen gegen Ende vergangenen Jahres abgeflaut zu sein. In den ersten Wochen hatten jeden Sonnabend knapp 300.000 Menschen teilgenommen, am Jahresende nur noch rund 39.000. Insbesondere nach dem Terroranschlag in der Nähe des Weihnachtsmarkts in Straßburg am 12. Dezember wurde die Beteiligung schwächer.

Polizisten auf der Champs-Elysées während der Proteste der „Gelbwesten“.
Polizisten auf der Champs-Elysées während der Proteste der „Gelbwesten“. © dpa | Michel Euler

Die Massenproteste der „Gelbwesten“ hatten die französische Regierung in den vergangenen zwei Monaten erheblich unter Druck gesetzt. Sie hatten sich im November an einer geplanten und inzwischen zurückgenommenen Erhöhung der Kraftstoffsteuer entzündet. Die vorgesehene Anhebung der Preise für Benzin und Diesel hätte zu Spritpreisen von bis zu zwei Euro pro Liter geführt. Vor allem bei vielen Pendlern auf dem Land, die für den Weg zum Arbeitsplatz auf ein Fahrzeug angewiesen sind, hatte dies zu großer Empörung geführt. Im Dezember vollzog Macron überraschend eine Kehrtwende: Er brachte eilends ein milliardenschweres Paket mit Sozialmaßnahmen auf den Weg, um den Konflikt zu entschärfen.

In Umfragen distanzierten sich zwar viele Franzosen von den gewaltsamen Ausschreitungen während der „Gelbwesten“-Demonstrationen. Gleichzeitig sympathisierten sie mit dem Widerstand gegen die vorgesehenen Steuererhöhungen. Macron war bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2017 als Vertreter eines strikten wirtschafts- und sozialpolitischen Reformkurses angetreten. So war sein Ziel, die staatlichen Ausgaben zurückzufahren, um die EU-Zielmarke von maximal drei Prozent Neuverschuldung einzuhalten. Darüber hinaus lockerte er den Kündigungsschutz, um die Unternehmen zu Neueinstellungen zu ermuntern.

Auch Bundespolitik debattiert über Proteste

Bei den Oppositionsparteien von links und rechts stieß dies auf scharfe Kritik. Ein weiteres innenpolitisch umstrittenes Reformvorhaben ist die Schaffung einer einheitlichen Rentenversicherung, in die künftig auch Freiberufler einzahlen sollen. Frankreich hat bei der Altersvorsorge ein zersplittertes System von Einzelversicherungen. Bestimmte Berufsgruppen wie die Eisenbahner kamen dabei in der Vergangenheit auf hohe Pensionsbezüge. Macron will die Ausschläge nach unten und oben begrenzen.

Gravierende Schäden durch Proteste der „Gelbwesten“

In Paris wird am Tag nach den „Gelbwesten“-Protesten aufgeräumt: Viele Scheiben gingen zu Bruch, es gab Festnahmen und viele Verletzte. Hier werden Schutzwänden auf der Champs-Elysees wieder abgebaut.
In Paris wird am Tag nach den „Gelbwesten“-Protesten aufgeräumt: Viele Scheiben gingen zu Bruch, es gab Festnahmen und viele Verletzte. Hier werden Schutzwänden auf der Champs-Elysees wieder abgebaut. © dpa | Christian Böhmer
Paris: Eine zerbrochene Schaufensterscheibe auf der Champs-Elysees zeugt von der Wut der Proteste.
Paris: Eine zerbrochene Schaufensterscheibe auf der Champs-Elysees zeugt von der Wut der Proteste. © dpa | Christian Böhmer
Restaurant-Scheibe auf der Champs-Elysees.
Restaurant-Scheibe auf der Champs-Elysees. © dpa | Christian Böhmer
In Paris spielten sich am Samstag diese Szenen ab. Die Polizei geht mir großer Härte gegen eine Demonstration von Studenten vor.
In Paris spielten sich am Samstag diese Szenen ab. Die Polizei geht mir großer Härte gegen eine Demonstration von Studenten vor. © dpa | Uncredited
Am Samstagnachmittag hatte sich die Lage in Paris zugespitzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Mehr als 264 Menschen wurden landesweit bei Protesten verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte.
Am Samstagnachmittag hatte sich die Lage in Paris zugespitzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Mehr als 264 Menschen wurden landesweit bei Protesten verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte. © dpa | Thibault Camus
In Marseille brennen am Samstag Autos...
In Marseille brennen am Samstag Autos... © dpa | Claude Paris
...und Mülltonnen.
...und Mülltonnen. © dpa | Claude Paris
Bilder der Proteste der „Gelbwesten“ am Samstag in Paris. Die Polizei nahm mehr als tausend Menschen fest, setzte Tränengas ein und brachte gepanzerte Fahrzeuge in Stellung.
Bilder der Proteste der „Gelbwesten“ am Samstag in Paris. Die Polizei nahm mehr als tausend Menschen fest, setzte Tränengas ein und brachte gepanzerte Fahrzeuge in Stellung. © dpa | Rafael Yaghobzadeh
Am Rande der Demonstrationen brannten Weihnachtsbäume.
Am Rande der Demonstrationen brannten Weihnachtsbäume. © Getty Images | Jeff J Mitchell
Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein.
Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein. © dpa | Thibault Camus
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurde demonstriert, auch hier gab es Festnahmen.
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurde demonstriert, auch hier gab es Festnahmen. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
In Belgien und den Niederlanden demonstrieren Menschen nach französischem Vorbild. In Brüssel steht eine Demonstrantin zwischen den Strahlen von Wasserwerfern.
In Belgien und den Niederlanden demonstrieren Menschen nach französischem Vorbild. In Brüssel steht eine Demonstrantin zwischen den Strahlen von Wasserwerfern. © dpa | Francisco Seco
Einsatzfahrzeuge der Bereitschaftspolizei sind auf der Busspur der Avenue de l'Opera in Paris zu sehen. Frankreichs Regierung fürchtet weitere Ausschreitungen in der Hauptstadt und will mit einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften eine Eskalation verhindern.
Einsatzfahrzeuge der Bereitschaftspolizei sind auf der Busspur der Avenue de l'Opera in Paris zu sehen. Frankreichs Regierung fürchtet weitere Ausschreitungen in der Hauptstadt und will mit einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften eine Eskalation verhindern. © dpa | Christian Böhmer
Menschenleer war der Innenhof mit der Pyramide des Louvre-Museums. Am Samstag blieben Sehenswürdigkeiten wie Louvre, Eiffelturm oder Musée d’Orsay sowie viele Metrostationen geschlossen bleiben.
Menschenleer war der Innenhof mit der Pyramide des Louvre-Museums. Am Samstag blieben Sehenswürdigkeiten wie Louvre, Eiffelturm oder Musée d’Orsay sowie viele Metrostationen geschlossen bleiben. © dpa | Christian Böhmer
Der Eingang zum geschlossenen Eiffelturm. Erstmals im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste kamen auch gepanzerte Fahrzeuge in Paris zum Einsatz.
Der Eingang zum geschlossenen Eiffelturm. Erstmals im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste kamen auch gepanzerte Fahrzeuge in Paris zum Einsatz. © dpa | Christian Böhmer
Berittene Polizisten patrouillierten auf der Rue de Rivoli unweit des Louvre-Museums.
Berittene Polizisten patrouillierten auf der Rue de Rivoli unweit des Louvre-Museums. © dpa | Christian Böhmer
Insgesamt waren in Frankreich während der Proteste 89.000 Polizisten und Ordnungskräfte im Einsatz.
Insgesamt waren in Frankreich während der Proteste 89.000 Polizisten und Ordnungskräfte im Einsatz. © dpa | Thibault Camus
Das Museum Grand Palais blieb ebenso wie das gegenüber liegende Museum Petit Palais am Samstag geschlossen.
Das Museum Grand Palais blieb ebenso wie das gegenüber liegende Museum Petit Palais am Samstag geschlossen. © dpa | Sabine Glaubitz
Schüler stehen hinter einer brennenden Mülltonne. Seit mehreren Wochen demonstrieren Anhänger der „Gelbwesten“ im ganzen Land. Mittlerweile gibt es auch Proteste an französischen Gymnasien, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich.
Schüler stehen hinter einer brennenden Mülltonne. Seit mehreren Wochen demonstrieren Anhänger der „Gelbwesten“ im ganzen Land. Mittlerweile gibt es auch Proteste an französischen Gymnasien, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich. © dpa | Bob Edme
„Schließt euch uns an“ steht auf dem Schild dieser Frau. Diesem Aufruf sind viele gefolgt.
„Schließt euch uns an“ steht auf dem Schild dieser Frau. Diesem Aufruf sind viele gefolgt. © dpa | Bob Edme
„Solidarität mit Ausländern“ fordern diese Studierenden.
„Solidarität mit Ausländern“ fordern diese Studierenden. © dpa | Christophe Ena
Bereits am vergangenen Wochenende war es bei Protesten der „Gelben Westen“ in Paris zu Krawallen und mehreren Hundert Festnahmen gekommen.
Bereits am vergangenen Wochenende war es bei Protesten der „Gelben Westen“ in Paris zu Krawallen und mehreren Hundert Festnahmen gekommen. © dpa | Kamil Zihnioglu
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Die Proteste in Frankreich führen mittlerweile auch zu Debatten in der Bundespolitik. Der deutsche Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hält Proteste wie in Frankreich auch in Deutschland für möglich. „Es gibt auch in Deutschland ein nicht zu unterschätzendes Gelbwesten-Potenzial“, sagte der Bundesfinanzminister der „Bild am Sonntag“. Steigende Mieten und Lebenshaltungskosten trieben viele Bürger um.

Die Proteste hatten sich an Regierungsplänen zu Benzinpreiserhöhungen entzündet. Ihren Namen haben die Demonstranten von den gelben Warnwesten, die sie während ihrer Kundgebungen und Straßenblockaden tragen. (dpa/rtr/fmg/cho)