Berlin. Die SPD und die Opposition fordern Aufklärung von Innenminister Horst Seehofer. Der will bis Mitte der Woche Informationen liefern.

Es sind massenweise persönliche Daten, darunter Handynummern von Parteifreunden, Urlaubsbilder von den eigenen Kindern und Rechnungen mit Kreditkartennummern – der Online-Angriff auf Politiker und Prominente entsetzt das Land.

Bundesinnenminister Horst Seehofer hat nun eine umfangreiche Information der Öffentlichkeit angekündigt. Er werde sich am Montag noch einmal mit den Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und des Bundeskriminalamtes (BKA) zusammensetzen.

Er rechne damit, „spätestens Mitte der Woche ausführlich zu informieren“, sagte der CSU-Politiker der „Süddeutschen Zeitung“. Er wolle die Bevölkerung „nur mit belastbaren Fakten und nicht mit Vermutungen“ informieren. „Die Öffentlichkeit wird alles erfahren, was ich weiß“, sagte Seehofer der Zeitung.

Datenklau: Seehofer erfuhr offenbar selbst erst am Freitag davon

Nach eigenen Angaben weiß der Innenminister demnach erst seit Freitagmorgen von der Veröffentlichung umfangreicher, teils sensibler Daten und Dokumente von Hunderten Politikern, Künstlern und Journalisten im Netz. „Vorher: Null“, zitierte die „Süddeutsche“ ihn.

Seither habe es bereits eine ganze Serie von ihm initiierter Gespräche dazu gegeben, am Montag soll das Gespräch mit BSI-Präsident Arne Schönbohm und BKA-Präsident Holger Münch folgen.

Seehofer: Forderung nach Aufklärung ist überflüssig

Die Forderung aus anderen Parteien, er müsse sich um die Aufklärung kümmern, wies Seehofer als überflüssig zurück: „Das ist eine Selbstverständlichkeit, aber es entspricht auch meinem Amtsverständnis, erst die Erkenntnisse zu sammeln und die Verantwortlichen anzuhören.“

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte gefordert, es müsse schnell und genau aufgeklärt werden, welche Behörde wann was gewusst hat und wie darauf reagiert wurde. „Für Horst Seehofer sollte das Priorität haben. Es geht um den Schutz unserer Demokratie“, sagte er unserer Redaktion.

Auch Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte hervorgehoben, dass das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Seehofers Geschäftsbereich liege. „Der Vorgang muss zügig lückenlos aufgeklärt werden“, sagte Bartsch unserer Redaktion.

BSI korrigiert frühere Aussagen

Er forderte zudem eine Neuaufstellung der Behörde:

Hackerangriff: Daten von Politikern veröffentlicht

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    „Im BSI muss über Struktur, Aufgaben und Informationspolitik neu entschieden werden. Die umfangreichen Mittel, die der Deutsche Bundestag bereitgestellt hat, sind offensichtlich nicht wirksam eingesetzt worden.“

    Das BSI ist eine dem Innenministerium unterstellte Bundesbehörde, die für den Schutz der IT-Systeme des Bundes zuständig ist. Dort hat man nach eigenen Angaben erst im Januar das Ausmaß des Datendiebstahls erkannt. Die Behörde sei Anfang Dezember noch von einem Einzelfall ausgegangen, teilte das BSI am Samstag schriftlich mit.

    Das Amt korrigierte damit frühere Aussagen seines Präsidenten Arne Schönbohm. Dieser hatte am Freitagabend dem TV-Sender Phoenix ein Interview gegeben und darin über die Veröffentlichung der Daten im Dezember auf Twitter gesprochen.

    Hofreiter nennt Informationspolitik „stark irritierend“

    Dies sei in Form eines Adventskalenders geschehen, es sei „vom 1. Dezember an nach oben gezählt worden, erst mit einigen Celebrities und ab dem 20. Dezember dann mit bestimmten Persönlichkeiten von politischen Parteien. Und wir haben schon sehr frühzeitig, im Dezember auch schon, mit einzelnen Abgeordneten, die hiervon betroffen waren, dementsprechend gesprochen, entsprechende Gegenmaßnahmen durchgeführt (...).“

    Am Samstag berichtigte das BSI die Aussage seines Präsidenten: Nur ein Mitglied des Bundestages habe Anfang Dezember die Behörde informiert, dass es „fragwürdige Bewegungen auf privaten und personalisierten E-Mail- und Social-Media-Accounts festgestellt habe“. Einen Zusammenhang dieses Falls und vier weiterer Fälle mit der massenhaften Veröffentlichung persönlicher Daten von Politikern und Prominenten habe die Behörde erst am 4. Januar feststellen können.

    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte diese Informationspolitik des BSI „stark irritierend“. Schönbohm müsse sich in Sondersitzungen der zuständigen Bundestagsausschüsse „dringend erklären“. Um die IT-Sicherheit in Deutschland sei es schlecht bestellt, beklagte Hofreiter weiter. Was die Bundesregierung zum Schutz digitaler Infrastrukturen und privater Kommunikation unternehme, sei „absolut unzureichend“. Hofreiter forderte die Bundesregierung auf, endlich Maßnahmen zum Ausbau der IT-Sicherheit zu ergreifen.

    BKA erfuhr erst spät von Datendiebstahl

    Wer hinter dem Angriff steckt und die Daten über den Twitter-Account „G0d“ (@_0rbit) weltweit zugänglich gemacht hat, ist unklar. Laut Bundesinnenministerium gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass Politiker der AfD betroffen sind. Sie wäre damit als einzige im Bundestag vertretene Partei verschont geblieben.

    An der Aufklärung sind neben dem BSI nun auch Bundeskriminalamt (BKA), Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Bundespolizei beteiligt. Doch selbst das BKA erfuhr nach eigener Darstellung von der Veröffentlichung erst in der Nacht zum Freitag. Dies geht aus einem BKA-Schreiben an alle Bundestagsabgeordneten hervor.

    Das BKA warnte darin: „Es ist in Betracht zu ziehen, dass die betroffenen Personen nicht nur im direkten zeitlichen Zusammenhang Ziel beispielsweise von (anonymen) Beleidigungen und Bedrohungen oder vereinzelt Sachbeschädigungen werden können.“ Die Links zu den Daten seien zwar nicht mehr zugänglich. „Es ist jedoch davon auszugehen, dass bereits Kopien heruntergeladen wurden und beispielsweise über ,WhatsApp‘ oder andere offen zugängliche Internetseiten weiterverbreitet worden sind.“

    Regierung prüft strengere Sicherheitsvorgaben

    Die Bundesregierung prüft nach Angaben von Justizministerin Katarina Barley (SPD) strengere Sicherheitsvorgaben für Software-Hersteller und Betreiber von Internet-Plattformen. „Wir prüfen, inwieweit hier schärfere gesetzliche Vorgaben sinnvoll und erforderlich sind“, sagte sie der „Welt am Sonntag“. Hersteller und Plattformbetreiber müssten hohe Sicherheitsstandards und Updates gewährleisten.