Berlin. Die Spitzen der AfD ziehen in Ostdeutschland in den Wahlkampf – ohne Berührungsängste mit rechts außen. Drei Abgeordnete im Porträt.

Es war ein Bild wie eine Vorhersage: Seite an Seite schritten im Sommer die Chefs der AfD-Landesverbände von Brandenburg, Sachsen und Thüringen beim „Trauermarsch“ der Partei durch Chemnitz.

Ein Deutscher war vermutlich von Asylbewerbern erstochen worden. Ebenso einig wollen sie in die Landtagswahlkämpfe ziehen, die in ihren drei Ländern in diesem Jahr anstehen.

Die Umfragen prophezeien der Partei große Erfolge, die AfD selbst baut – nach eher mäßigen Wahlergebnissen in Hessen und Bayern – auf den Osten. Die Partei plant einen „Mantelwahlkampf“, in dem die Kampagnen in den Ländern strategisch und inhaltlich aufeinander abgestimmt werden sollen.

Wer sind die Menschen, die die Partei dort führen, und welche Chancen haben sie?

AfD in Sachsen in Umfragen bei 25 Prozent

Der Neuzugang: Jörg Urban, 55, ist erst seit Februar 2018 Chef des Landesverbandes der Partei in Sachsen, trat damit die Nachfolge der ehemaligen Chefin Frauke Petry an. Nachdem die Partei bei der Bundestagswahl im Freistaat knapp an der CDU vorbeigezogen ist, sind die Erwartungen für die Wahl im September hier besonders groß.

Wie der „Spiegel“ berichtet, sollen allein nach Sachsen 500.000 Euro für den Wahlkampf fließen, Brandenburg und Thüringen sollen 250.000 und 300.000 Euro erhalten. Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland sieht in Sachsen „echte Chancen, stärkste Kraft zu werden“, wie das Magazin berichtet.

Auch Urban selbst gibt sich ambitioniert: „Mehr als 30 Prozent“ will er im September holen, das Ziel sei es, stärkste Partei zu werden. „Wir haben die Chance, es ist realistisch“, sagt er. Zuletzt lag die AfD in Sachsen in Umfragen bei 25 Prozent, vier Punkte hinter der CDU.

Urban hat die Spitzenkandidatur noch nicht sicher

Dass Chemnitz, wo sich innerhalb kürzester Zeit Rechtsextreme aus ganz Deutschland versammelten, um hinter den AfD-Landeschefs zu marschieren, der Partei geschadet habe, glaubt er nicht. Für den Wahlkampf sei das „irrelevant“. Und auch eine drohende Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz schreckt ihn nicht: „Hier im Osten würde uns das sogar ein bisschen Rückenwind geben“, sagt Urban.

Urban ist der einzige der drei Chefs im Osten, der die Spitzenkandidatur noch nicht sicher hat: Der AfD-Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla, der dem CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer bei der Bundestagswahl das Direktmandat im Wahlkreis Görlitz abnahm, hat ebenfalls Interesse angemeldet.

Kalbitz und Gauland haben ein enges Verhältnis

Der Stratege: Andreas Kalbitz folgte Gauland als Brandenburger Parteichef und Fraktionsvorsitzender nach, als dieser in den Bundestag wechselte. Kalbitz und Gauland haben ein enges Verhältnis, auch mit Björn Höcke ist Kalbitz befreundet. Der Name des 46-Jährigen fällt auch, wenn es um die Frage geht, wer Gauland ersetzen könnte, wenn dessen Gesundheit das Parteiamt einmal unmöglich macht.

Kalbitz pflegt seinen Ruf als langfristig denkender Stratege, sein liebstes Bild ist das von der Politik als „Langstreckenlauf“, das er immer wieder bemüht. Seinen Landesverband führt der ehemalige Soldat weitgehend geräuschlos.

Auch auf Provokationen in sozialen Medien, wie sie andere Mandatsträger der Partei gerne nutzen, verzichtet er. Überhaupt tritt Kalbitz online wenig in Erscheinung. Verbindungen pflegt er stattdessen am Telefon und in Person – er sei sicherlich ein „Maximaltelefonierer“, sagt er.

Kalbitz hat Verbindungen zur Heimattreuen Deutschen Jugend

Die politische Laufbahn des gebürtigen Münchners begann in der Jungen Union. Kalbitz’ Weg führt ihn allerdings schnell in Gefilde jenseits des rechten Rands der CSU: Kalbitz ist unter anderem Mitglied des Witikobunds, dem die Bundesregierung 2008 „eine Verdichtung von tatsächlichen Anhaltspunkten für rechtsextreme Bestrebungen“ attestierte.

2018 tauchten Fotos auf, die ihn bei einem Zeltlager der Heimattreuen Deutschen Jugend zeigten, einer rechtsextremistischen Vereinigung, die 2009 verboten wurde. Kalbitz leugnet diese Verbindungen nicht. Sie seien Teil seiner Entwicklung, erklärt er. „Hätte mich das dauerhaft interessiert, hätte ich mich weiter engagiert.“

In Brandenburg, wo wie in Sachsen am 1. September gewählt wird, hat die AfD Chancen, der SPD, die seit 1990 regiert, den Rang als stärkste Kraft abzulaufen. In der jüngsten Umfrage liegen beide Parteien bei 20 Prozent.

Tassen und Stofftaschen mit Höckes Konterfei

Der Provokateur Björn Höcke – gegen ihn wird ermittelt – wurde von Parteichef Alexander Gauland einmal bescheinigt, ein „Teil der Seele der AfD“ zu sein. Darauf können sich Bewunderer und Gegner des 46-Jährigen wohl einigen. Für seine Fans – es gibt Tassen und Stofftaschen mit Höckes Konterfei – ist Höcke der Garant dafür, dass die Partei nicht vom eingeschlagenen Kurs abkommt. Außerhalb der Partei gilt er vielen als Verkörperung von rechtsextremem Gedankengut in der AfD.

Es ist ein Ruf, den Höcke sich konsequent erarbeitet hat: Mit Reden wie jener aus dem November 2015, als der beurlaubte Gymnasiallehrer Europäern und Afrikanern unterschiedliche „Reproduktionsstrategien“ unterstellte, eine These, die Rassismusforscher eindeutig in einer Linie mit den Rassentheorien der Nationalsozialisten sahen.

Oder jene Rede in einem Dresdner Ballhaus 2017, als er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte. In einem Gespräch auf Buchlänge mit dem Publizisten Sebastian Hennig zeigt sich Höcke als Anhänger der Verschwörungstheorie vom „Volkstod durch Bevölkerungsaustausch“.

AfD liegt in Thüringen gleichauf mit der Linken

Höcke gilt deshalb auch als maßgeblich bei der Frage nach einer Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz. Die thüringische Behörde hat seinen Landesverband bereits zum „Prüffall“ erklärt. Maßnahmen der Bundespartei, mit denen eine Beobachtung verhindert werden soll, bezeichnete er öffentlich als „politische Bettnässerei“.

Thüringen wählt am 27. Oktober, nach Sachsen und Brandenburg. Aktuell liegt die AfD dort gleichauf mit der regierenden Linken und einen Punkt hinter der CDU.