Berlin. Mängel an den vielen ICE, Verspätungen, Ticket-Verkauf. Die Bahn erlebt derzeit eine Pannen-Serie. Es fehlt ein klarer Staatsauftrag.

Was genau funktioniert eigentlich noch bei der Deutschen Bahn? An umgekehrte Wagenreihung, „Heute etwa 15 Minuten später“ und ausgefallene Reservierungsanzeigen hat sich der Kunde schon gewöhnt.

Auch an defekte Klimaanlagen, nur kalte Speisen im Bistro oder Müllberge auf den Tischen, weil der Zug vor seinem Einsatz nicht gereinigt werden konnte. Was bisher funktionierte, war das sogar recht fortschrittliche Zahlsystem per App und im Internet, bei dem man mit wenigen Klicks ein digitales Ticket bekommt, sogar von Verkehrsverbünden.

Problemlösung macht es für alle unbequemer

Bisher, denn die Bahn hat die Erstattung für Sparpreistickets geändert und so Gaunern ein Einfallstor eröffnet. Und wie löst der Staatskonzern das Problem? Er sperrt die Funktion Lastschrift für alle, um den Betrügern das Handwerk zu legen.

Dieses Vorgehen zeigt symptomatisch den Zustand des Konzerns. Selbst kleine, an sich sogar kluge Änderungen an einem funktionierenden System verbockt das Unternehmen und vergrätzt die Kunden.

Oft hat man dieser Tage das Gefühl, dass das Management davon spricht, mehr Service zu bieten, das Ganze aber merkwürdig wenig mit der Realität zusammenpasst.

Die Entscheidungswege sind lang – und bleiben es auch

Das Problem liegt im Bahnkonzern an sich. Die Struktur ist verschachtelt. Die Entscheidungswege sind lang, sodass Vorgaben des Vorstands schon mal versickern. Bahnchef Richard Lutz beschrieb das in einem Brandbrief ans Management bereits im September. Was ist seither passiert? Eher nichts.

Dabei sollte solch ein Brief auch ein Warnsignal an die Eigentümer eines Unternehmens sein, in diesem Fall der Bund. Entweder der Chefposten ist falsch besetzt oder die Strukturen stimmen nicht. In beiden Fällen müsste der Eigentümer durchgreifen.

Hier ist bisher ein bisschen geschehen. Bahnchef Lutz soll bis März ein Konzept vorlegen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich bei der Bahn etwas bessert.

Was soll die Deutsche Bahn eigentlich sein?

Denn der Eigentümer hat keine einheitliche Vorstellung davon, was die Deutsche Bahn sein soll. Soll sie Gewinn für den Staat machen wie die Bahn, die Hartmut Mehdorn Anfang der 2000er auf Börsenreife trimmte, oder vor allem effizient Personen und Güter transportieren?

Ist sie ein international tätiger Mobilitätskonzern, der nebenbei erfolgreich auch Busse in London betreibt? Ist sie ein deutsches Unternehmen, dass den bestmöglichen Fernverkehr anbietet und dazu noch Carsharing und Leihfahrräder, um den Kunden am Ziel mobil zu halten?

Ist der Konzern vielleicht zu groß und sollte auf Personenverkehr, Güterverkehr und staatliche Netzgesellschaft aufgeteilt werden?

Kleinere Einheiten sind sicher flexibler und schneller.

Keine klaren Vorgaben, alle reden mit

Diese Fragen hat der Staat bisher nicht beantwortet, unter anderem weil das SPD-geführte Bundesfinanzministerium, das CDU-geführte Wirtschaftsministerium und das seit mehreren Legislaturperioden CSU-geführte Verkehrsministerium unterschiedliche Vorstellungen haben, aber alle mitreden.

Vor allem die CSU-Verkehrsminister haben sich nicht durch besonders klare Vorgaben und Sachkenntnis ausgezeichnet.

Was Bahnchef Lutz jetzt schon weiß, ist, dass er zusätzliche Milliarden braucht, um die Infrastruktur und die Züge zumindest reparieren zu können. Wo das Geld herkommen soll, ist bereits wieder umstritten: Steuern sagen die einen, Verkauf von Firmenteilen die anderen.

Solange nicht mal hier Klarheit herrscht, wird der Kunde weiterhin verlässlich Signalstörungen fürchten müssen oder in unterkühlten Waggons sitzen. Und vielleicht auch einmal pünktlich ankommen.