Paris. Frankreichs Präsident Macron hat sich in einer Ansprache an die Franzosen gewandt. Seine Zugeständnisse betreffen Löhne und Steuern.

Als Reaktion auf die seit drei Wochen andauernden Proteste der „Gelbwesten“ hat Emmanuel Macron in einer TV-Ansprache an die Nation Sofortmaßnahmen zur Erhöhung der Kaufkraft angekündigt, die in erster Linie die prekäre Lage der Geringverdiener verbessern dürften. Dabei kam Frankreichs Präsident den Forderungen der „Gelbwesten“ sehr viel weiter entgegen, als allgemein erwartet worden war.

Unter anderem verfügte er eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns (derzeit liegt er bei 1498 Euro) um 100 Euro ab dem 1. Januar 2018 und erhöhte die Befreiungsgrenze für Rentner, die seit dem laufenden Jahr eine höchst umstrittene Abgabenerhöhung zahlen müssen, von 1250 auf 2000 Euro.

Pendlerpauschale und Weihnachtsprämien

Die Unternehmer, „die dazu in der Lage sind“, forderte Macron auf, ihren Arbeitnehmern eine Weihnachts- bzw. Sonderprämie zu zahlen, auf die der Staat keine Steuern erheben werde. Ebenso stellte er eine Steuerbefreiung für eine Pendler-Aufwandspauschale in Aussicht, die derzeit in den Reihen öffentlicher wie privater Arbeitgeber diskutiert wird.

Außerdem soll künftig auf Überstunden weder Sozialabgaben noch Steuern erhoben werden. „Wir wollen ein Land, in dem man von seiner Arbeit in Würde leben kann“, betonte der Präsident.

Macron: Gewalt werde ich nicht tolerieren

Doch Macron beschränkte sich nicht darauf, mehr Geld für die kleinen Leute locker zu machen, als welche sich die „Gelbwesten“ selber bezeichnen. Ausdrücklich bedauerte er, dass in den ersten 18 Monaten seiner Amtszeit der Eindruck entstanden sei, dass ihn deren Schicksal nicht interessiere. Er wolle dafür sorgen, dass sich der Staat anders und weniger zentral organisiere, um auf die Bedürfnisse der Menschen in allen Regionen des Landes besser reagieren zu können.

„Mein einziger Kampf ist der für Euch“, versicherte Macron den Franzosen. Allerdings unterstrich er auch, dass „legitime Forderung“ keine Entschuldigung für „unzulässige Gewalt“ seien. Eine Anspielung auf die schweren Ausschreitungen, von denen insbesondere die Pariser Demonstrationen der „Gelbwesten“ begleitet wurden. Diese Gewalt, so der Präsident, werde er auf keinen Fall tolerieren und er habe angeordnet, Ruhe sowie die „republikanische Ordnung“ mit allen Mitteln wieder herzustellen.

Gravierende Schäden durch Proteste der „Gelbwesten“

In Paris wird am Tag nach den „Gelbwesten“-Protesten aufgeräumt: Viele Scheiben gingen zu Bruch, es gab Festnahmen und viele Verletzte. Hier werden Schutzwänden auf der Champs-Elysees wieder abgebaut.
In Paris wird am Tag nach den „Gelbwesten“-Protesten aufgeräumt: Viele Scheiben gingen zu Bruch, es gab Festnahmen und viele Verletzte. Hier werden Schutzwänden auf der Champs-Elysees wieder abgebaut. © dpa | Christian Böhmer
Paris: Eine zerbrochene Schaufensterscheibe auf der Champs-Elysees zeugt von der Wut der Proteste.
Paris: Eine zerbrochene Schaufensterscheibe auf der Champs-Elysees zeugt von der Wut der Proteste. © dpa | Christian Böhmer
Restaurant-Scheibe auf der Champs-Elysees.
Restaurant-Scheibe auf der Champs-Elysees. © dpa | Christian Böhmer
In Paris spielten sich am Samstag diese Szenen ab. Die Polizei geht mir großer Härte gegen eine Demonstration von Studenten vor.
In Paris spielten sich am Samstag diese Szenen ab. Die Polizei geht mir großer Härte gegen eine Demonstration von Studenten vor. © dpa | Uncredited
Am Samstagnachmittag hatte sich die Lage in Paris zugespitzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Mehr als 264 Menschen wurden landesweit bei Protesten verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte.
Am Samstagnachmittag hatte sich die Lage in Paris zugespitzt. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Mehr als 264 Menschen wurden landesweit bei Protesten verletzt, darunter auch Sicherheitskräfte. © dpa | Thibault Camus
In Marseille brennen am Samstag Autos...
In Marseille brennen am Samstag Autos... © dpa | Claude Paris
...und Mülltonnen.
...und Mülltonnen. © dpa | Claude Paris
Bilder der Proteste der „Gelbwesten“ am Samstag in Paris. Die Polizei nahm mehr als tausend Menschen fest, setzte Tränengas ein und brachte gepanzerte Fahrzeuge in Stellung.
Bilder der Proteste der „Gelbwesten“ am Samstag in Paris. Die Polizei nahm mehr als tausend Menschen fest, setzte Tränengas ein und brachte gepanzerte Fahrzeuge in Stellung. © dpa | Rafael Yaghobzadeh
Am Rande der Demonstrationen brannten Weihnachtsbäume.
Am Rande der Demonstrationen brannten Weihnachtsbäume. © Getty Images | Jeff J Mitchell
Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein.
Die Polizei setzte Schlagstöcke und Tränengas ein. © dpa | Thibault Camus
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurde demonstriert, auch hier gab es Festnahmen.
Auch in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurde demonstriert, auch hier gab es Festnahmen. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
In Belgien und den Niederlanden demonstrieren Menschen nach französischem Vorbild. In Brüssel steht eine Demonstrantin zwischen den Strahlen von Wasserwerfern.
In Belgien und den Niederlanden demonstrieren Menschen nach französischem Vorbild. In Brüssel steht eine Demonstrantin zwischen den Strahlen von Wasserwerfern. © dpa | Francisco Seco
Einsatzfahrzeuge der Bereitschaftspolizei sind auf der Busspur der Avenue de l'Opera in Paris zu sehen. Frankreichs Regierung fürchtet weitere Ausschreitungen in der Hauptstadt und will mit einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften eine Eskalation verhindern.
Einsatzfahrzeuge der Bereitschaftspolizei sind auf der Busspur der Avenue de l'Opera in Paris zu sehen. Frankreichs Regierung fürchtet weitere Ausschreitungen in der Hauptstadt und will mit einem massiven Aufgebot von Sicherheitskräften eine Eskalation verhindern. © dpa | Christian Böhmer
Menschenleer war der Innenhof mit der Pyramide des Louvre-Museums. Am Samstag blieben Sehenswürdigkeiten wie Louvre, Eiffelturm oder Musée d’Orsay sowie viele Metrostationen geschlossen bleiben.
Menschenleer war der Innenhof mit der Pyramide des Louvre-Museums. Am Samstag blieben Sehenswürdigkeiten wie Louvre, Eiffelturm oder Musée d’Orsay sowie viele Metrostationen geschlossen bleiben. © dpa | Christian Böhmer
Der Eingang zum geschlossenen Eiffelturm. Erstmals im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste kamen auch gepanzerte Fahrzeuge in Paris zum Einsatz.
Der Eingang zum geschlossenen Eiffelturm. Erstmals im Zuge der „Gelbwesten“-Proteste kamen auch gepanzerte Fahrzeuge in Paris zum Einsatz. © dpa | Christian Böhmer
Berittene Polizisten patrouillierten auf der Rue de Rivoli unweit des Louvre-Museums.
Berittene Polizisten patrouillierten auf der Rue de Rivoli unweit des Louvre-Museums. © dpa | Christian Böhmer
Insgesamt waren in Frankreich während der Proteste 89.000 Polizisten und Ordnungskräfte im Einsatz.
Insgesamt waren in Frankreich während der Proteste 89.000 Polizisten und Ordnungskräfte im Einsatz. © dpa | Thibault Camus
Das Museum Grand Palais blieb ebenso wie das gegenüber liegende Museum Petit Palais am Samstag geschlossen.
Das Museum Grand Palais blieb ebenso wie das gegenüber liegende Museum Petit Palais am Samstag geschlossen. © dpa | Sabine Glaubitz
Schüler stehen hinter einer brennenden Mülltonne. Seit mehreren Wochen demonstrieren Anhänger der „Gelbwesten“ im ganzen Land. Mittlerweile gibt es auch Proteste an französischen Gymnasien, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich.
Schüler stehen hinter einer brennenden Mülltonne. Seit mehreren Wochen demonstrieren Anhänger der „Gelbwesten“ im ganzen Land. Mittlerweile gibt es auch Proteste an französischen Gymnasien, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich. © dpa | Bob Edme
„Schließt euch uns an“ steht auf dem Schild dieser Frau. Diesem Aufruf sind viele gefolgt.
„Schließt euch uns an“ steht auf dem Schild dieser Frau. Diesem Aufruf sind viele gefolgt. © dpa | Bob Edme
„Solidarität mit Ausländern“ fordern diese Studierenden.
„Solidarität mit Ausländern“ fordern diese Studierenden. © dpa | Christophe Ena
Bereits am vergangenen Wochenende war es bei Protesten der „Gelben Westen“ in Paris zu Krawallen und mehreren Hundert Festnahmen gekommen.
Bereits am vergangenen Wochenende war es bei Protesten der „Gelben Westen“ in Paris zu Krawallen und mehreren Hundert Festnahmen gekommen. © dpa | Kamil Zihnioglu
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„Gelbwesten“ kündigten bereits neue Proteste an

Drei von schweren Krawallen überschatteten Wochenenden haben Macron die bisher größte Krise seit seiner Wahl beschert. Rund drei Viertel der Franzosen sympathisieren mit den Zielen der „Gelbwesten“, die im Wesentlichen Steuersenkungen und einer Erhöhung ihrer Kaufkraft einklagen. Beiden Ansinnen ist der Präsident nun entgegen gekommen.

Aber ob sein Einlenken der Protestbewegung die Spitze nehmen kann, ist ungewiss. Die Forderungen der „Gelbwesten“ sind mittlerweile noch weitgehender – sie fordern unter anderem mehr direkte Demokratie. Für kommenden Samstag gibt es bereits neue Aufrufe zu Protesten.

Aufräumarbeiten in Paris

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