Brüssel. Die EU darf im Haushaltsstreit mit Italien nicht nachgeben. Die Schuldenpläne Italiens sind eine gezielte Provokation – mal wieder.

Langsam wird es ernst im Haushaltsstreit zwischen Italien und der Europäischen Union. Die EU-Kommission hatte keine andere Wahl, als am Mittwoch die abenteuerlichen Schuldenpläne der Regierung endgültig zurückzuweisen.

Brüssel hat pflichtgemäß den Weg für ein formales Defizitverfahren eröffnet, an dessen Ende Italien im kommenden Jahr mit einer Milliardenstrafe an den Pranger gestellt würde. Richtig so. Die Pläne der römischen Populisten-Koalition sind eine Provokation – und riskant für die gesamte Eurozone.

Um ihre 100-Milliarden-Wahlversprechen von Steuersenkungen, Grundeinkommen und früher Rente zu finanzieren, will die Regierung dreimal so viel Schulden aufnehmen wie mit der EU vereinbart. Dabei schiebt Italien bereits den mit Abstand höchsten Schuldenberg der Eurozone vor sich her.

EU kann ökonomischen Wahnsinn nicht akzeptieren

Das Land lebt seit vielen Jahren über seine Verhältnisse, ohne Reformen anzupacken. Und auch jetzt sollen die Milliarden nicht etwa eingesetzt werden, um mit Investitionen das chronisch schwache Wachstum anzukurbeln – die Schulden sollen stattdessen die Sozialausgaben hochtreiben.

Die EU kann diesen ökonomischen Wahnsinn nicht akzeptieren, weil der Schaden weit über Italien hinausreicht. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Stabilitätsregeln für den Euro, gegen die Rom vorsätzlich verstößt. Die Regeln sind kein Selbstzweck, sie sollen die Währungsunion und ihre Mitgliedsländer schützen.

Würde die Abmachung jetzt in Frage gestellt, käme bald die nächste Währungskrise in Sicht. Für Italien wird es wegen seines Schuldenkurses bereits jetzt deutlich teurer, sich Geld an den Finanzmärkten zu beschaffen. Geraten demnächst die Banken in Italien in Schieflage, könnte die gesamte Eurozone die Folgen zu spüren bekommen. Deshalb: Die EU-Kommission muss handeln.

Andere Schuldensünder hatten die EU nicht so offen provoziert

Kritiker wenden ein, Italien sei nicht der erste Defizitsünder, in früheren Fällen habe die EU durchaus Nachsicht gezeigt – auch einmal gegenüber Deutschland. Aber die Fälle sind nicht vergleichbar. Keine Regierung hat die Union jemals so offen herausgefordert wie die italienische, die es auf einen Krach mit Brüssel regelrecht anlegt: Die Regierung der Links- und Rechtspopulisten glaubt, sie könnte die harte Linie der EU ausnutzen, um zur Europawahl im Mai 2019 die Bürger gegen Europa aufzuhetzen. Eine perfide Strategie.

In Brüssel und den nationalen Hauptstädten gilt es deshalb, bei aller Klarheit im Kurs kühlen Kopf zu bewahren. Das Angebot zum Dialog mit Rom besteht weiterhin. Noch wäre ja Zeit zum Einlenken für die italienische Regierung.

Geht das Verfahren jetzt seinen Gang und stimmen die EU-Staaten mehrheitlich für ein formelles Verfahren, werden die EU-Finanzminister frühestens im Januar über Sanktionen reden – die Strafe im einstelligen Milliardenbereich würde im Lauf des nächsten Jahres fällig.

Anleger laufen schon davon

In Brüssel kalkulieren sie deshalb so: Eher früher als später, so die verbreitete Erwartung, werden schon die Reaktionen der Finanzmärkte die italienische Regierung auf einen Kurs der Vernunft zurückbringen. Die Rechnung für den Schuldenkurs zahlen ja jetzt die Bürger und die Unternehmen mit deutlich höheren Zinsen. Denn Anleger verlangen in Italien bereits Risikoaufschläge für ihr Geld – wenn sie nicht gleich ganz davon laufen.

Und das ist erst der Anfang. Bleibt dann das versprochene Wachstum aus, dürfte die Koalition der Populisten unter Druck geraten. Auf Hilfe von außen darf sie nicht rechnen. Selbst jene rechten Regierungen in der EU, die Vizepremier Matteo Salvini & Co als Verbündete betrachten, kennen bei den gemeinsamen Haushaltsregeln keine Nachsicht. Sie alle wissen: Treibt es Italien zu weit, hat ganz Europa ein Problem. Italien ist zu groß, um es im Fall der Fälle wie Griechenland mit einem milliardenteuren Rettungsschirm vor der Pleite zu bewahren.