Brüssel. Die Marine-Mission Sophia der EU steht aktuell vor dem Aus. Streitpunkt ist die Frage, was mit Migranten passiert, die gerettet wurden.

Sie jagen Schleuserbanden im Mittelmeer, kontrollieren das Waffenembargo vor der libyschen Küste – und haben bislang rund 50.000 Bootsflüchtlingen das Leben gerettet: Die Soldaten der EU-Marine-Mission Sophia, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist, spielen seit Jahren eine wichtige Rolle in der europäischen Flüchtlingspolitik.

Doch jetzt droht dem Einsatz das Aus, dem vereinten Europa eine gehörige internationale Blamage: Die EU-Verteidigungsminister konnten sich am Dienstag nicht auf die Fortsetzung der Operation Sophia über das Jahresende hinaus einigen.

Es gibt weiter Streit um die Verteilung der geretteten Flüchtlinge, Italien will sie nicht mehr alle automatisch aufnehmen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnte nach dem Treffen in Brüssel: „Wenn nicht in den nächsten Wochen noch eine Einigung auf eine vorübergehende Lösung gelingt, dann wird die Operation abgebrochen – dann ist die EU nicht mehr im Mittelmeer präsent.“

Italien droht mit Veto für Marine-Mission Sophia

Das wäre das Ende der Rettungsaktionen, der Ausbildung der libyschen Küstenwache oder des Kampfes gegen Menschenschmuggler, betonte Mogherini, die als eine Art Außen- und Verteidigungsministerin der EU die Beratungen leitete. Noch hat sie Hoffnung: Die Minister seien sich im Grundsatz einig, dass ein Ende der Mission vermieden werden solle. Aber wie?

Die italienische Regierung droht seit mehreren Monaten, die spätestens im Dezember notwendige Verlängerung der Marine-Operation Sophia per Veto zu blockieren. Sie will damit erreichen, dass die seit 2015 geltenden Einsatzregeln geändert werden und die Bootsflüchtlinge nicht mehr durchweg nach Italien gebracht werden.

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    Die Regierung in Rom besteht darauf, dass alle von den Sophia-Schiffen geborgenen Flüchtlinge nach einem festen Schlüssel auf die EU-Mitgliedstaaten verteilt werden – doch solche Verteilungsquoten sind umstritten, die Regierungen etwa Polens und Ungarns fürchten, dass eine solche Quote ein Präzedenzfall für die künftige europäische Asylpolitik wäre.

    EU schlägt Übergangslösung vor

    Mogherini wies diese Befürchtungen energisch zurück. Als Kompromiss hatte sie vorgeschlagen, dass für eine Übergangszeit von einem Jahr von Fall zu Fall über die Verteilung geretteter Migranten auf die Mittelmeer-Anrainerstaaten entschieden würde – auch abhängig von der jeweiligen Seezone, in der die Flüchtlinge entdeckt worden seien. Doch auch dagegen gab es Widerspruch.

    Die italienische Regierung steht unter Druck, ein zentrales Wahlversprechen der rechtsnationalen Lega einzulösen und den EU-Flüchtlingspolitik grundsätzlich zu ändern. Vergeblich erinnerte Mogherini daran, dass die Zahl der von der Marine-Mission geborgenen Bootsflüchtlinge drastisch zurückgegangen sei: Die Schiffe der Operation Sophia hätten seit Anfang des Jahres knapp 2000 Menschen auf dem Mittelmeer gerettet – auf jeden EU-Mitgliedstaat entfielen umgerechnet gerade 6 Personen pro Monat. Als Notlösung wird jetzt darüber diskutiert, ob eine Gruppe von EU-Staaten mit Deutschland und Frankreich vorübergehend nach einem festen Schlüssel die Bootsflüchtlinge aufnehmen könnte.