Berlin. Die Regierung will mit einer Gesetzesänderung ein Zeichen gegen Diesel-Fahrverbote setzen. Umweltschützer kritisieren das Vorgehen.

Das Bundeskabinett hat am Donnerstag gesetzliche Regelungen zu Diesel-Fahrverboten beschlossen. Konkret geht es um eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). In Städten mit relativ geringen Überschreitungen des Grenzwerts für gesundheitsschädliche Stickoxide seien Diesel-Fahrverbote „in der Regel“ nicht verhältnismäßig, heißt es nun - weil andere Maßnahmen ausreichten, um den Grenzwert einzuhalten.

Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. In Städten mit Höchstwerten von bis zu 50 Mikrogramm soll es keine Fahrverbote geben. Die meisten Kommunen, in denen die Grenzwerte überschritten werden, liegen unterhalb dieser Marke. Allerdings könnten die Städte weiter frei entscheiden, heißt es.

Umwelthilfe sieht Regierung „im Panikmodus“

Außerdem wird nun festgeschrieben, dass Diesel-Fahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 von Fahrverboten ausgenommen werden, falls sie im Alltag nicht mehr als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro gefahrenen Kilometer ausstoßen - etwa, wenn sie mit zusätzlichen Katalysatoren nachgerüstet wurden. Euro-6-Diesel sollen ebenfalls ausgenommen sein, unabhängig von ihrem Stickoxid-Ausstoß - ebenso wie etwa nachgerüstete schwere Kommunalfahrzeuge wie Müllautos.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). © dpa | Rolf Vennenbernd

Die Maßnahmen sind Teil eines Pakets der Koalition, um weitere Fahrverbote zu verhindern. Die Änderungen sind umstritten. Umweltverbände und Oppositionspolitiker kritisieren, diese verstießen gegen Europarecht. Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm werde aufgeweicht.

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte: „Diese Bundesregierung ist erkennbar im Panikmodus. Anders ist es nicht zu erklären, dass sie im Auftrag der Diesel-Konzerne eine Gesetzesnovelle durchpeitschen möchte, die gleich mehrfach gegen Europarecht verstößt.

Die Umwelthilfe rechnet nicht damit, dass Gerichte wegen der neuen Regelung vom Verhängen von Fahrverboten absehen werden. Wenige Stunden nach dem Beschluss des Bundeskabinetts zeigte sich das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen unbeeindruckt und ordnete die Einrichtung einer Diesel-Fahrverbotszone in Essen mit Teilen der Autobahn 40 an.

Warum wird überhaupt debattiert?

Nach wie vor ist in vielen deutschen Städten die Luft zu schlecht – zumindest wenn man die geltenden Grenzwerte ernst nimmt. Im Fokus stehen gesundheitsschädliche Stickoxide, dafür sind Abgase aus Diesel-Auspuffen ein Hauptverursacher. Im Visier sind vor allem die 3,1 Millionen älteren Diesel der Schadstoffnorm Euro 4 sowie weitere 5,5 Millionen Diesel der neueren Norm Euro 5. Politik, Autoindustrie und auch Verbraucherschützer wollen Fahrverbote unbedingt verhindern.

Wo in Deutschland gibt es bereits Fahrverbote?

Als bundesweit erste Stadt hat Hamburg Einschränkungen für ältere Dieselautos in Kraft gesetzt – allerdings nur auf vergleichsweise kurzen Streckenabschnitten. Ab dem Jahresbeginn 2019 soll es auch in Stuttgart und Berlin Fahrverbote für ältere Diesel geben, ab Februar in Frankfurt, ab April auch in Köln und Bonn.

Wie genau sehen die bisher verhängten Fahrverbote aus?

Ab April 2019 müsse Köln in der bestehenden Grünen Umweltzone ein Fahrverbot einführen, urteilte das Verwaltungsgericht am Donnerstag. Dies betreffe Dieselautos mit Euro4-Motoren. Ab September nächsten Jahres gelten die Fahrverbote dann auch für Euro5-Diesel.

In Frankfurt sind von Februar 2019 an Dieselfahrzeuge mit Euro-4-Motoren sowie Benziner der Schadstoffklassen 1 und 2 betroffen. Vom 1. September an sollen auch Euro-5-Diesel tabu sein. In welchem Gebiet es konkret zu Fahrverboten kommen soll, steht noch nicht fest.

In Stuttgart gibt es ab dem Jahresbeginn 2019 Fahrverbote für Dieselautos der Euro-Abgasnorm 4 und schlechter. In Berlin soll das Verbot in elf Straßenabschnitten für Fahrzeuge mit Motoren der Abgasklassen Euro 1 bis Euro 5 gelten.

In Hamburg gelten seit Ende Mai auf zwei Straßenabschnitten im Bezirk Altona Durchfahrtsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge, die nicht die aktuelle Euro-Norm 6 erfüllen.

Wo in Deutschland drohen weitere Fahrverbote?

Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte von der Universität Duisburg-Essen, sagte unserer Redaktion bereits im Mai, dass Hamburg „nur der Beginn der Fahrverbote“ sei. „Düsseldorf, Stuttgart, Kiel, Köln, München werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Verboten für einzelne Straßen folgen. Die Liste ist aber noch länger.“

Die Deutsche Umwelthilfe, die das Urteil in Frankfurt erkämpft hatte, rechnet in den nächsten Monaten mit ähnlichen Gerichtsentscheiden. Auch die EU-Kommission macht Druck und will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.

(dpa/ba)