Brüssel. Großbritannien könnte nach dem Brexit länger im Binnenmarkt bleiben, schlägt die EU vor. Die Briten sind allerdings noch skeptisch.

Im Ringen um einen Brexit-Vertrag sorgt ein Kompromissvorschlag der EU-Kommission für Aufsehen: Großbritannien könnte nach dem Austritt aus der EU ein Jahr länger als bisher geplant noch Mitglied des EU-Binnenmarkts und der Zollunion bleiben, um ein tragfähiges Handelsabkommen mit der Europäischen Union auszuhandeln. Diese sogenannte Übergangsperiode nach dem EU-Austritt im März 2019 würde demnach nicht wie bisher verabredet Ende 2020 auslaufen, sondern Ende 2021.

Einen entsprechenden Vorschlag hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach übereinstimmenden Berichten britischer Medien bereits in der vergangenen Woche in den Brexit-Verhandlungen unterbreitet. Die Idee dahinter: Mit der Verlängerung wäre auch mehr Zeit, um eine dauerhafte Lösung für das Problem der Grenze zwischen EU-Mitglied Irland und Nordirland zu finden; diese Frage blockiert die Verhandlungen, eine erhoffte Einigung auf ein Austrittsabkommen am Sonntag war daran gescheitert.

Brexit-Befürworter protestieren gegen EU-Vorschlag

Offenbar hat aber auch Barniers Angebot die britische Regierung nicht überzeugen können: Eingefleischte Brexit-Befürworter in der regierenden Tory-Partei haben in London sofort mit scharfem Protest reagiert. Und ungeachtet der Offerte ließen die britischen Unterhändler die Verhandlungen am Sonntag zunächst platzen. Denn die Übergangsperiode würde die Zeit verlängern, in der Großbritannien sich an die EU-Regeln halten müsste.

Das Land müsste zudem auch ein weiteres Jahr in den EU-Haushalt einzahlen. Mitbestimmungsrechte in Brüssel hätte die Londoner Regierung aber nicht mehr. Barniers Angebot gilt deshalb im Moment in Großbritannien als nicht vermittelbar. Die Offerte wird nun auch in einem internen Bericht der Bundesregierung über die abgebrochenen Brexit-Gespräche erwähnt, wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ meldet.

EU-Gipfel wird sich mit neuer Option beschäftigen

Michel Barnier, EU-Chefunterhändler in den Brexit-Verhandlungen.
Michel Barnier, EU-Chefunterhändler in den Brexit-Verhandlungen. © ddp images/abaca press | AA/ABACA

Barnier hatte sein Angebot an die bisherige Bedingung geknüpft, dass Großbritannien eine Ausfallklausel für die Frage der inneririschen Grenze akzeptiert, sollte keine andere Lösung vereinbart werden – dann müsste entweder Nordirland Mitglied des Binnenmarktes bleiben. Oder das gesamte Vereinigte Königreich würde eine Zollunion mit der EU eingehen.

Dennoch könnte die Verlängerung der Übergangsphase Teil einer Lösung im Brexit-Streit sein – aber wohl erst ganz am Ende der Verhandlungen. Denn die Idee war ursprünglich vor einigen Monaten sogar in der britischen Regierung entstanden als Weg, die irische Grenzfrage zu entschärfen.

Voraussichtlich wird diese Option nun auch beim EU-Gipfel der Regierungschefs eine Rolle spielen, der am Mittwochabend mit Beratungen zum Brexit beginnt. Mit Beschlüssen wird aber nicht gerechnet.