Berlin. Erstmals seit 45 Jahren gibt es mehrere Kandidaten für den Vorsitz der Unionsfraktion: Volker Kauder muss sich Ralph Brinkhaus stellen.

Viel Aufregung um eine Gegenkandidatur: Der Fraktionsvorstand der Unionsfraktion wird neu bestimmt. Für den Posten des Fraktionschefs stellen sich erstmals seit 1973 zwei Kandidaten zur Wahl. Der nordrhein-westfälische Finanzpolitiker Ralph Brinkhaus (50), bisher Fraktionsvize, fordert seinen Duzfreund Volker Kauder (69) heraus.

Kauder steht seit 13 Jahren an der Spitze der Fraktion, so lange wie niemand zuvor. Am Nachmittag an diesem Dienstag kommen die 246 Unionsabgeordneten zusammen, die Kandidaten stellen sich kurz vor, dann soll abgestimmt werden. Dafür werden extra Wahlkabinen in einem Nebensaal aufgebaut. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sprach sich im Vorfeld für ihren langjährigen Vertrauten Kauder aus, ebenso wie CSU-Chef Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Führungsspitze der Union steht hinter Kauder

Schon ein knappes Ergebnis für Kauder bei der Wiederwahl wäre erstaunlich, eine Abwahl eine Sensation. Zwar bekam Kauder nach der Bundestagswahl 2017 mit 77 Prozent ein vergleichsweise schlechtes Ergebnis. Doch wenn sich die gesamte Führungsspitze für einen Kandidaten einsetzt, ist das normalerweise eine große Wahlhilfe. Doch wie groß die Autorität des Trios in der Fraktion noch ist, wagt man selbst in der Union nicht mehr zu sagen.

Allen drei wird vorgeworfen, für den heftigen Unions-Streit vor der Sommerpause hauptverantwortlich zu sein, der fast die Fraktionsgemeinschaft beendet hätte. Zum anderen tritt mit dem Finanzfachmann Brinkhaus ein respektierter Kandidat an, der sich selbst nicht als Gegner, sondern als „Alternative“ zum bisherigen Fraktionschef präsentiert. Im Kauder-Lager verweist man zwar darauf, dass Brinkhaus in seinen Jahren als Fraktionsvize nicht gerade als Modernisierer und Teamspieler aufgefallen sei, was seine Reformforderungen entwerte.

Diese Rechte haben Fraktionen

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    Sehnsucht nach frischem Wind an der Fraktionsspitze

    Doch Brinkhaus erhielt in der letzten Fraktionssitzung viel Applaus. Der Finanzexperte will, dass sich in der Führung der Fraktion und im Umgang miteinander etwas ändert. Er plädiert dafür, die Standpunkte selbstbewusster gegenüber der Regierung zu vertreten. „Und so muss man eine Fraktion auch positionieren. Nicht gegen eine Bundesregierung, aber als Partner auf Augenhöhe.“

    Viele Abgeordnete suchen ein Ventil, um gegen Kauder zu stimmen. Oft nicht aus fachlichen oder persönlichen Gründen, sie wollen einfach ein frisches Gesicht an der Spitze der Fraktion, sehnen sich nach Neuerung. So richtig offen will kaum jemand reden, aber viele rechnen zumindest mit einem sehr knappen Ergebnis für Kauder. Auch in der CSU-Landesgruppe hält sich die Begeisterung für den bisherigen Chef in Grenzen.

    Es gibt keine Grüppchen, die geschlossen gegen ihn stimmen wollen, aber es kommunizieren nur sehr wenige Abgeordnete offene Zustimmung für Kauder. Brinkhaus allerdings hatte einen holprigen Start, seine Kandidatur wurde vorzeitig bekannt, seiner NRW-Landesgruppe teilte er die Bewerbung verspätet mit. Er gilt in der Fraktion nicht als ausgewiesener Merkel-Gegner. Doch ein Triumph für ihn wäre eine Schwächung für Merkel.