München/Berlin. SPD-Chefin Andrea Nahles büßt nach dem Kompromiss im Fall Maaßen in der eigenen Partei Autorität ein. Sie steht nun als Verliererin da.

Sie lächeln, umarmen sich. Andrea Nahles läuft bei ihrer Ankunft vor dem Landtag in München auf Natascha Kohnen zu. Beide Frauen strahlen. Was die SPD-Vorsitzende über ihre Stellvertreterin wirklich denkt, darf sie hier und jetzt vor Fotografen und Kamerateams nicht zeigen. Kohnen schrieb ihr einen bitterbösen Brief. Der gipfelte in dem Urteil, Nahles habe bei der Maaßen-Lösung „politisch-strategisch“ versagt.

Die bayerische Spitzenkandidatin Kohnen, die bei der Wahl am 14. Oktober ein Debakel fürchtet, ist nicht die Einzige, die ihrem Ärger Luft macht. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin stapeln sich die Beschwerdebriefe, so wie etwa das Schreiben des Kölner SPD-Chefs, Jochen Ott.

Maaßen-Beförderung lässt an Glaubwürdigkeit zweifeln

„Gerade waren wir noch optimistisch, dass die SPD im Bund dabei ist, Tritt zu fassen mit inhaltlichen Themen wie Rente oder Mieterschutz. Dazu machte die SPD den Eindruck, dass sie Haltung beweist gegen Rechtspopulisten der AfD und anderen Hetzern und auch gegenüber dem Bundesinnenminister und seinem Sprachrohr an der Spitze des Verfassungsschutzes, Herrn Maaßen“, beginnt Ott.

Dann sei am Dienstagabend die Nachricht gekommen, dass Angela Merkel, Horst Seehofer und Nahles sich darauf einigten, Maaßen als Verfassungsschutzpräsident abzuberufen, ihn aber zum Staatssekretär im Innenministerium zu befördern – mit gut 2500 Euro mehr im Monat. Das zerstöre Glaubwürdigkeit.

Vielen SPD-Landespolitikern reicht es

„Dir muss klar sein, die Basis ist zu Recht fassungslos und empört. Wir hätten schon mehr Rückgrat erwartet“, so Ott und fordert die „liebe Andrea“ auf, eine Demütigung der stolzen SPD und ihrer 450.000 Mitglieder zu verhindern, „oder diese selbst sogar herbeizuführen“. In Düsseldorf sind sie ausnahmsweise derselben Meinung wie in Köln. Dort treffen sich die Landtagsabgeordneten. So gut wie alle haben einen dicken Hals. Von 20 bis 30 Wortmeldungen berichten Teilnehmer.

Der Tenor: Der Maaßen-Deal sei untragbar. Vielen reicht es. Das Fass sei übergelaufen, die SPD müsse raus aus der Koalition. Darunter sind auch Landespolitiker, die Nahles beim Mitgliedervotum noch gefolgt waren. Michael Groschek, der frühere SPD-Chef in NRW, dem mächtigsten Landesverband, lässt kein gutes Haar an Nahles. „Mir ist unbegreiflich, wie Andrea Nahles diesem Deal zustimmen konnte“, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Ziel, die SPD in der großen Koalition zu alter Stärke zurückzuführen, werde sich so nicht erreichen lassen.

Andrea Nahles: Ihre Karriere in Bildern

Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben.
Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben. © dpa | Martin Gerten
Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos.
Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Andreas Altwein
Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996.
Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996. © REUTERS /
Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand.
Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand. © REUTERS /
Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne.
Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne. © Getty Images | Sean Gallup
Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter.
Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter. © Meike Boeschemeyer
Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt.
Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt. © Getty Images | Sean Gallup
Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt.
Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark.
Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark. © Getty Images | Carsten Koall
Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion.
Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei.
Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei. © dpa | Kay Nietfeld
Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende.
Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will.
Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will. © Reto Klar | Reto Klar
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Nahles hat Stimmung in der SPD unterschätzt

Und die Vorsitzende? Sie versucht es mit Durchhalteparolen. Es gebe in der Partei „einzelne Stimmen, die sich laut zu Wort gemeldet haben“, aber keine eindeutigen Positionen. Leidet Nahles an Realitätsverlust? Die 48-Jährige, die bis auf wenige Jahre bei der IG Metall immer Parteifunktionärin war, will den Aufstand mit erprobten Mitteln ersticken. Truppen sammeln, auf Zeit spielen, Druck machen.

Ihr Widersacher, Juso-Chef Kevin Kühnert, ist genervt. Die Parteispitze versuche, den eigenen Leuten ein „X für ein U“ vorzumachen. Nahles, erst seit April als erste Frau an der Spitze der ältesten Partei, hat die Stimmung in der SPD schon ein paarmal unterschätzt. Als sie nach dem Schulz-Rücktritt kommissarische Chefin werden wollte, pfiffen die Landesverbände sie zurück. Beim Parteitag bekam sie dann 66 Prozent.

Maaßen-Beförderung für SPD-Klientel unverständlich

Obwohl die Umfragen im Keller blieben, galt Nahles bislang als unantastbar. Sie arbeitete an sich, mäßigte ihren Ton, ließ andere Meinungen zu, manövrierte die SPD im Sommer stabil durch den von Seehofer ausgelösten Unionsstreit um die Migration. Die Partei dankte es ihr mit Geschlossenheit. Dann kam der Dienstag, der zweite und folgenschwere Maaßen-Gipfel bei der Kanzlerin. Nahles unterschrieb alles.

Sie glaubte, der unbestrittene SPD-Erfolg, Maaßen von der Spitze des Inlandsgeheimdienstes entfernt zu haben, werde alle Kollateralschäden überdecken. Aber wie will eine Arbeiterpartei ihren Leuten, Kassiererinnen bei Aldi oder Putzkräfte am Bahnhof, erklären, dass ein Spitzenbeamter, der fragwürdige Kontakte zur AfD unterhielt und sich nach Chemnitz mit Fake-News-Vorwürfen in eine hochpolitische Lage einmischte, die Treppe nach oben fällt?

Dieses schwarz-rote Resozialisierungsprogramm für Maaßen hat das Zeug, die Koalition in einer Zeit zu sprengen, in der Europa ein stabiles Deutschland dringender braucht denn je.

Die Karriere von Hans-Georg Maaßen

Hans-Georg Maaßen wird nicht Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleiben. Nachdem er im August 2018 ohne Beweise Zweifel daran geäußert hatte, dass ein Video aus Chemnitz eine Hetzjagd gegen Ausländer zeigt, stand er in der Kritik.
Hans-Georg Maaßen wird nicht Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz bleiben. Nachdem er im August 2018 ohne Beweise Zweifel daran geäußert hatte, dass ein Video aus Chemnitz eine Hetzjagd gegen Ausländer zeigt, stand er in der Kritik. © REUTERS | Axel Schmidt
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich in der Folge vor Maaßen gestellt und wollte ihn eigentlich im Amt belassen. Als klar wurde, dass das weder die Kanzlerin noch Koalitionspartner SPD wollten, berief Seehofer Maaßen zunächst als Staatssekretär ins Innenministerium. Nach massiver Kritik an der Beförderung wurde das jedoch neu verhandelt. Zunächst hieß es, Maaßen werde Sonderberater – ohne Gehaltserhöhung.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich in der Folge vor Maaßen gestellt und wollte ihn eigentlich im Amt belassen. Als klar wurde, dass das weder die Kanzlerin noch Koalitionspartner SPD wollten, berief Seehofer Maaßen zunächst als Staatssekretär ins Innenministerium. Nach massiver Kritik an der Beförderung wurde das jedoch neu verhandelt. Zunächst hieß es, Maaßen werde Sonderberater – ohne Gehaltserhöhung. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Zuletzt vermeldeten mehrere Medien allerdings, dass ihm doch eine Entlassung droht. Der Grund: eine Rede, die er gehalten haben soll. In Umlauf ist die Rede gekommen, weil sie im Intranet des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gestanden hat. In dem nun bekannt gewordenen Papier verteidige Maaßen auch seine Zweifel an „Hetzjagden“ am Rande einer rechtsextremen Demonstration in Chemnitz , berichtet die dpa.
Zuletzt vermeldeten mehrere Medien allerdings, dass ihm doch eine Entlassung droht. Der Grund: eine Rede, die er gehalten haben soll. In Umlauf ist die Rede gekommen, weil sie im Intranet des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) gestanden hat. In dem nun bekannt gewordenen Papier verteidige Maaßen auch seine Zweifel an „Hetzjagden“ am Rande einer rechtsextremen Demonstration in Chemnitz , berichtet die dpa. © dpa | Federico Gambarini
Maaßen, von 2012 bis 2018 oberster Verfassungsschützer der Republik, hatte nach den Ausschreitungen in Chemnitz gezeigt, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass in der Stadt Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Vielmehr sprächen „gute Gründe“ dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.
Maaßen, von 2012 bis 2018 oberster Verfassungsschützer der Republik, hatte nach den Ausschreitungen in Chemnitz gezeigt, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor, dass in der Stadt Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Vielmehr sprächen „gute Gründe“ dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“. © dpa | Ralf Hirschberger
In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Nach der Tat gab es fremdenfeindliche Ausschreitungen, bei denen es auch zu Gewalttaten von Rechtsextremisten kam.
In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Nach der Tat gab es fremdenfeindliche Ausschreitungen, bei denen es auch zu Gewalttaten von Rechtsextremisten kam. © dpa | Andreas Seidel
In einem Bericht an das Innenministerium hatte Maaßen seine ersten Äußerungen zu fremdenfeindlichen Vorfällen in Chemnitz mit Sorge vor einer Desinformationskampagne begründet. Maaßen erhob darin schwere Vorwürfe gegen einen Twitter-Nutzer, der sich „Antifa Zeckenbiss“ nennt. Es sei davon auszugehen, dass dieser ein veröffentlichtes Video vorsätzlich mit der falschen Überschrift „Menschenjagd in Chemnitz“ versehen habe, „um eine bestimmte Wirkung zu erzielen“, schrieb der damalige BfV-Präsident.
In einem Bericht an das Innenministerium hatte Maaßen seine ersten Äußerungen zu fremdenfeindlichen Vorfällen in Chemnitz mit Sorge vor einer Desinformationskampagne begründet. Maaßen erhob darin schwere Vorwürfe gegen einen Twitter-Nutzer, der sich „Antifa Zeckenbiss“ nennt. Es sei davon auszugehen, dass dieser ein veröffentlichtes Video vorsätzlich mit der falschen Überschrift „Menschenjagd in Chemnitz“ versehen habe, „um eine bestimmte Wirkung zu erzielen“, schrieb der damalige BfV-Präsident. © dpa | Wolfgang Kumm
Als Maaßen Präsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes mit seinen rund 2700 Mitarbeitern wurde, steckte das Amt in der wahrscheinlich tiefsten Krise seiner Geschichte. Hauptgrund war die Vernichtung von Akten mit Bezug zu den Ermittlungen in der rechtsextremen NSU-Mordserie.
Als Maaßen Präsident des deutschen Inlandsgeheimdienstes mit seinen rund 2700 Mitarbeitern wurde, steckte das Amt in der wahrscheinlich tiefsten Krise seiner Geschichte. Hauptgrund war die Vernichtung von Akten mit Bezug zu den Ermittlungen in der rechtsextremen NSU-Mordserie. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Maaßen erhielt den Auftrag, in der Behörde aufzuräumen, möglichst gründlich und diskret. Seit seinem Amtsantritt bemühte sich Maaßen, das Bundesamt technologisch aufzurüsten.
Maaßen erhielt den Auftrag, in der Behörde aufzuräumen, möglichst gründlich und diskret. Seit seinem Amtsantritt bemühte sich Maaßen, das Bundesamt technologisch aufzurüsten. © dpa | Kay Nietfeld
Wie er das machte, imponierte vielen Innenpolitikern. Doch an der Persönlichkeit des Verfassungsschutzpräsidenten schieden sich die Geister.
Wie er das machte, imponierte vielen Innenpolitikern. Doch an der Persönlichkeit des Verfassungsschutzpräsidenten schieden sich die Geister. © dpa | Kay Nietfeld
Zurückhaltung ist nicht die herausragendste Eigenschaft, die Hans-Georg Maaßen zugeschrieben wird. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise gehörte der Verfassungsschutzchef zu denen, die mehr oder weniger öffentlich Kritik an der Migrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übten. Das kam im Kanzleramt gar nicht gut an – der Rheinländer soll damals gemahnt worden sei, sich zurückzuhalten. Laut einem Bericht der „Welt“ soll Merkel bereits vor dem Koalitionstreffen entschieden haben, dass Maaßen seinen Posten räumen muss.
Zurückhaltung ist nicht die herausragendste Eigenschaft, die Hans-Georg Maaßen zugeschrieben wird. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise gehörte der Verfassungsschutzchef zu denen, die mehr oder weniger öffentlich Kritik an der Migrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übten. Das kam im Kanzleramt gar nicht gut an – der Rheinländer soll damals gemahnt worden sei, sich zurückzuhalten. Laut einem Bericht der „Welt“ soll Merkel bereits vor dem Koalitionstreffen entschieden haben, dass Maaßen seinen Posten räumen muss. © dpa | Oliver Berg
Nachdem mit CSU-Chef Horst Seehofer im März der lauteste Kritiker der Kanzlerin beim Migrationsthema Innenminister und damit sein direkter Dienstherr geworden war, dürfte sich Maaßen gut aufgehoben gefühlt haben.
Nachdem mit CSU-Chef Horst Seehofer im März der lauteste Kritiker der Kanzlerin beim Migrationsthema Innenminister und damit sein direkter Dienstherr geworden war, dürfte sich Maaßen gut aufgehoben gefühlt haben. © dpa | Kay Nietfeld
Maaßen stammt aus Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen. Studiert hat er in Köln und Bonn. Ab 1991 arbeitete er in verschiedenen Abteilungen für das Bundesinnenministerium.
Maaßen stammt aus Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen. Studiert hat er in Köln und Bonn. Ab 1991 arbeitete er in verschiedenen Abteilungen für das Bundesinnenministerium. © dpa | Michael Kappeler
In seinen ersten Dienstjahren beschäftigte er sich vor allem mit Ausländer- und Zuwanderungsrecht. 2008 wurde er Leiter des Stabes Terrorismusbekämpfung.
In seinen ersten Dienstjahren beschäftigte er sich vor allem mit Ausländer- und Zuwanderungsrecht. 2008 wurde er Leiter des Stabes Terrorismusbekämpfung. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Maaßen war vor seinem Wechsel an die Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Öffentlichkeit eher ein unbeschriebenes Blatt.
Maaßen war vor seinem Wechsel an die Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz für die Öffentlichkeit eher ein unbeschriebenes Blatt. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Vielen Abgeordneten in Berlin war Maaßen allerdings bekannt. 2007 sagte er vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus. Das Gremium hatte unter anderem zu klären, ob die Bundesregierung mitverantwortlich dafür war, dass der in Deutschland geborene Türke Murat Kurnaz jahrelang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo einsaß.
Vielen Abgeordneten in Berlin war Maaßen allerdings bekannt. 2007 sagte er vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus. Das Gremium hatte unter anderem zu klären, ob die Bundesregierung mitverantwortlich dafür war, dass der in Deutschland geborene Türke Murat Kurnaz jahrelang unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo einsaß. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Für Irritationen hatte zuletzt auch gesorgt, dass Maaßens Bundesamt für Verfassungsschutz sich mit dem späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri in den Monaten vor dem Anschlag in Berlin weitaus intensiver befasst hatte als bisher bekannt. Auch gibt es Zweifel in der SPD an Maaßens Haltung zur AfD.
Für Irritationen hatte zuletzt auch gesorgt, dass Maaßens Bundesamt für Verfassungsschutz sich mit dem späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri in den Monaten vor dem Anschlag in Berlin weitaus intensiver befasst hatte als bisher bekannt. Auch gibt es Zweifel in der SPD an Maaßens Haltung zur AfD. © dpa | Wolfgang Kumm
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Nahles: „Eine Austrittswelle ist mir nicht bekannt“

Warum nahm Nahles es hin, dass Seehofer, um im Innenministerium Platz für Maaßen zu schaffen, ausgerechnet den SPD-Baustaatssekretär Gunther Adler aus seinem Haus wirft (Originalton Seehofer: „Er ist jetzt halt Opfer“)? Dass die Kanzlerin sich persönlich um eine Anschlussverwendung für den anerkannten Fachmann kümmert, macht die Demütigung nicht kleiner.

„Es ist skandalös, dass ausgerechnet der Top-Experte der Bundesregierung bei der Bekämpfung der Wohnungsnot geopfert wurde, um im Fall Maaßen die Kuh vom Eis zu bekommen“, sagt Groschek. „Das Ränkespiel der drei Parteivorsitzenden bei der Ablösung von Gunther Adler ist zum Fremdschämen.“ So denken viele. Nahles habe sich von Seehofer abkochen lassen. Das passiert den Besten – nur Schönreden erträgt die SPD einfach nicht mehr.

Nahles will Koalition trotz Maaßen fortsetzen

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    Juso-Chef Kühnert berichtet von einer Begegnung mit einem SPD-Mitglied vor der Parteizentrale in Berlin-Kreuzberg. Der gab gerade seine Austrittserklärung ab. Ähnliche Geschichten hört man aus vielen Ecken des Landes. Konkrete Zahlen gibt die Parteizentrale nicht heraus. „Eine Austrittswelle ist mir nicht bekannt“, sagt Nahles in München.

    Scholz schon lange in den Startlöchern?

    Stündlich merkt sie, dass sie kämpfen muss. Es geht jetzt um alles. Um die Koalition, um ihren Vorsitz. Am Montag tagt der Parteivorstand, dann die Bundestagsfraktion. Am Abend schreibt sie wieder an die Mitglieder: „Hallo, hier ist Andrea. Ich kann die Wut total verstehen. Ich bin nicht bereit, wegen einer Personalentscheidung von Herrn Seehofer unsere Regierung in den Abgrund zu stürzen. Dazu stehe ich.“

    Aber wie will sie dem Dilemma entfliehen? Nachverhandlungen beim Maaßen-Kompromiss wird die Union, trotz vielfachen Unmuts über Seehofer, nicht zulassen. Also doch der Bruch, Neuwahlen? Olaf Scholz steht bei der Knapp-20-Prozent-SPD für eine Kanzlerkandidatur schon lange in den Startlöchern.