Berlin. Die USA setzen Deutschland unter Druck. Im Fall eines Giftgaseinsatzes in Syrien erwarte man Beistand. Ein Problem für die Koalition.

Der Druck wird stärker. Die USA dringen nun auch ganz offen auf eine Beteiligung der Bundeswehr an einem militärischen Vergeltungsschlag bei einem Giftgasangriff im syrischen Bürgerkrieg. „Die beste Art und Weise, politische Unterstützung zu zeigen, ist nicht eine Rede, sondern militärische Solidarität“, sagte der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin vor Journalisten. Die USA würden versuchen, für einen solchen Militärschlag so viel militärische Unterstützung in der Nato zu bekommen, wie möglich.

Im Westen befürchtet man eine große Bodenoffensive der syrischen Truppen mit ihren Verbündeten Russland und Iran, um die letzte Rebellenhochburg in der nordwestlichen Provinz Idlib zu erobern. Da Zehntausende islamistische Kämpfer erbitterten Widerstand angekündigt hatten, rechnen die USA auch mit dem Einsatz von Giftgas durch das syrische Regime.

James Jeffrey zieht eine Parallele zum Irakkrieg 2003

Jeffrey betonte, dass das Werben der Vereinigten Staaten um militärische Unterstützung der Verbündeten auch innenpolitisch motiviert sei. „Wir haben auch eine Innenpolitik. Und es ist hilfreich, wenn ein Präsident zeigen kann, dass die anderen uns beistehen“, sagte er. Dabei zog er eine Parallele zum Irakkrieg 2003, an dem sich unter anderen Deutschland und Frankreich nicht beteiligten.

„Das war für Amerika ein großes innenpolitisches Problem.“ Am 6. November finden in den USA die Zwischenwahlen zum Kongress statt. Beide Häuser sind derzeit in der Hand der Republikaner, der Partei von Präsident Donald Trump. Sollten die Republikaner das Repräsentantenhaus an die Demokraten verlieren, würde das Regieren für Trump schwieriger.

Verteidigungsministerium prüft offenbar Beteiligung

In den letzten Wochen hatten US-Gesandte im Kanzleramt, im Verteidigungs- und im Außenministerium angefragt, ob sich die Bundeswehr an einer Vergeltungsaktion beteiligen würde, sollte die syrische Armee Giftgas einsetzen. Insgesamt fühlten die Amerikaner bei mehr als fünf EU-Ländern vor. In den Gesprächen mit der Bundesregierung wollten die US-Vertreter in allgemeiner Form wissen, welchen Beitrag sich die Deutschen für einen Syrieneinsatz vorstellen könnten.

In Washington hat man die Erwartung, dass auch „robuste“ militärische Mittel eingesetzt werden könnten, die über logistische Unterstützung oder die Begleitung von US-Kriegsschiffen hinausgehen. Deutschland betone immer wieder seine globale Verantwortung und müsse diese dann auch unter Beweis stellen, heißt es. Laut „Bild“ prüft das Verteidigungsministerium derzeit eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag in Syrien.

Merkel: Wir können nicht einfach wegsehen

Bundeswehr-Tornados liefern im Rahmen der Anti-IS-Koalition Luftbilder von ihren Aufklärungsflügen über Syrien und dem Irak. Zuletzt hatten Bundeswehr-Jets im Kosovokrieg 1999 unter dem Dach einer Nato-Mission Kampfeinsätze auf Ziele in Serbien geflogen. Das letzte militärische Eingreifen der USA, Frankreichs und Großbritanniens nach einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien hatte Deutschland im Frühjahr zwar politisch unterstützt, sich militärisch aber herausgehalten. Im April hatten die drei Länder Marschflugkörper und Luft-Boden-Raketen von Kriegsschiffen und Flugzeugen auf syrische Ziele abgeschossen. Kampfjets drangen dabei nicht in den syrischen Luftraum ein.

Die US-Anfrage ist für Deutschland sowohl außen- als auch innenpolitisch äußerst brisant. Die Koalition ist in der Frage gespalten. SPD-Chefin Andrea Nahles schloss einen Einsatz der Bundeswehr bereits kategorisch aus. Nur der UN-Sicherheitsrat oder – angesichts dessen Selbstblockade – die Vollversammlung der Vereinten Nationen könne die internationale Gemeinschaft ermächtigen, in Syrien zu handeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte die Position der SPD. Es sei „einfach, zu behaupten, wir könnten wegsehen, wenn irgendwo Chemiewaffen eingesetzt werden und eine internationale Konvention nicht eingehalten wird. Das kann auch nicht die Antwort sein“. Es könne „nicht die deutsche Haltung sein“, in einem solchen Fall „von vornherein einfach Nein zu sagen“.

Vereinte Nationen stellen sich auf Massenflucht aus Idlib ein

Ein Eingreifen der Bundeswehr wäre auch rechtlich äußerst problematisch. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat ein solches Vorgehen bereits als völkerrechts- und verfassungswidrig eingestuft. Außenminister Heiko Maas (SPD) hob hervor, dass alle möglichen Aktionen Deutschlands auf dem Boden des Grundgesetzes, des Völkerrechts und des Parlamentsbeteiligungsgesetzes stehen müssten. Nach Artikel 24 des Grundgesetzes kann der Bund „zur Wahrung des Friedens“ Hoheitsrechte abgeben und die Bundeswehr in ein „System kollektiver Sicherheit“ einordnen.

Vor der befürchteten Regierungsoffensive in Idlib stellen sich die Vereinten Nationen auf eine neue Massenflucht ein. 900. 000 Menschen könnten betroffen sein, erklärte der humanitäre Koordinator der UN, Panos Moumtzis. Die UN haben Russland, den USA und der Türkei die GPS-Daten von über 235 Krankenhäusern und Schulen in der syrischen Region Idlib übermittelt. „Wir wollen, dass Zivilisten kein Ziel werden“, so Moumtzis.