Berlin. Eine neue Studie zeigt: Vier von zehn Lehrern haben kein Interesse an Zusammenarbeit. Das ist nicht mehr zeitgemäß, finden Experten.

Lehrer im Jahr 2018 sind nicht nur Lehrer. Sie müssen Alleskönner sein: Sie sollen Kinder aus Zuwandererfamilien integrieren und Kinder mit Behinderungen eingliedern. Sie müssen den Schülern Respekt beibringen, zeigen, wie man Fakten und Fake News unterscheidet, wie man ein Bankkonto eröffnet und sich gesund ernährt. Und natürlich sollen sie ihnen auch erklären, wie Rechtschreibung, Dreisatz und Fotosynthese funktionieren.

Dazu kommt: An vielen Schulen ist die Personaldecke dünn und das Durchschnittsalter der Lehrer hoch – auch das ist bekannt. Aber wie läuft es eigentlich zwischen den Lehrern? Eine neue Studie zeigt: Die Stimmung im Lehrerzimmer ist besser als erwartet – aber: viele Pädagogen sehen sich immer noch als Einzelkämpfer. Das ist nicht mehr zeitgemäß, finden Experten.

Viele Quereinsteiger an den Schulen

Im Auftrag der Deutschen Schulakademie haben die Meinungsforscher von Forsa in einer repräsentativen Umfrage mehr als 1000 Lehrer zu ihrer Sicht auf die Kollegen befragt. Die Auftraggeber wollten unter anderem wissen, wie die befragten Lehrer an ihren Schulen zusammenarbeiten, welche Vor- und Nachteile sie beim Teamwork sehen und ob sie dafür gute Bedingungen im Schulalltag vorfinden. Die Ergebnisse der Studie liegen unserer Redaktion exklusiv vor.

Überraschend für alle, die sich Schule als täglichen Überlebenskampf vorstellen: Laut Umfrage geht die große Mehrheit der Lehrer (86 Prozent) derzeit gerne oder sogar sehr gerne zur Arbeit. Acht von zehn Lehrern finden auch das Arbeitsklima gut. Besonders Lehrer an Gymnasien fühlen sich überdurchschnittlich wohl in ihrem Job. Doch wie stehen die Lehrer zum Teamwork?

Vor allem junge Lehrer setzen auf Teamwork

Sechs von zehn Lehrern wollen gerne mit ihren Kollegen zusammenarbeiten – etwa, um den Fachunterricht gemeinsam vorzubereiten. Jeder Dritte wünscht sich sogar noch mehr Kooperation. Gerade die unter 35-Jährigen setzen überdurchschnittlich stark auf Teamwork. Für sie – aber auch für die vielen Quereinsteiger, mit denen die Länder den Lehrermangel bekämpfen – ist Erfahrungsaustausch eklatant wichtig. Doch immerhin 40 Prozent möchten bei der Gestaltung und Planung des eigenen Unterrichts lieber weitgehend allein gelassen werden.

Dabei lohnt ein genauerer Blick auf die Daten: Frauen sind laut Umfrage deutlich offener für fachbezogene Kooperationen mit Kollegen als Männer – und Lehrkräfte an Grundschulen mit über 70 Prozent deutlich interessierter daran als Lehrer an Gymnasien, von denen nur 45 Prozent den Wunsch nach Kooperation äußern. Unterm Strich heißt das: In vielen Lehrerzimmern sitzt auf jedem zweiten Stuhl ein Einzelkämpfer.

Kooperation als fester Bestandteil der Arbeitszeit?

Das zeigt sich auch im Schulalltag: Auf die Frage, wie oft sich Lehrer mit ihren Kollegen zu Unterrichtsgestaltung oder zu fachlichen Fragen austauschen, erklärte jeder Zweite, dass es solche Gespräche zumindest einmal in der Woche gebe. Umgekehrt heißt das aber auch: Die Hälfte der Lehrer tauscht sich deutlich seltener aus. Und: In vielen Fällen läuft der Austausch spontan und auf persönliche Initiative – in den wenigsten Fällen (16 Prozent) treffen sich Lehrer mindestens einmal in der Woche in fachbezogenen Teams.

Dabei schätzen viele die Vorteile: 47 Prozent setzen auf einen Ideen- bzw. Erfahrungsaustausch, 28 Prozent erhoffen sich die Vereinheitlichung von Inhalten, Richtlinien oder Standards und 20 Prozent eine Steigerung der Unterrichtsqualität.

Daneben sehen die Lehrkräfte auch praktische Vorteile: Arbeitsentlastung bzw. Zeitersparnis oder Austausch von Unterrichtsmaterial. Von einigen Lehrkräften werden auch soziale oder persönliche Aspekte genannt, die sich aus einer Kooperation ergeben können – etwa ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Steigerung der Arbeitsmotivation, eine Reflexion der eigenen Arbeit oder Unterstützung durch Kollegen.

Oft stehen Stundenpläne der Kooperation im Weg

Doch nicht alle Lehrer haben gute Erfahrungen mit den Netzwerken im Lehrerzimmer gemacht. Die Flexibilität und Individualität des eigenen Unterrichts gehe verloren, sagen die Kritiker, es gebe Streit um Unterrichtsmethoden und zum Teil persönliche Schwierigkeiten zwischen Kollegen. Auch der Zeitaufwand ist vielen zu hoch. Und: Nur ein Viertel der befragten Lehrer hat erlebt, dass die Stundenpläne an der eigenen Schule so gestaltet sind, dass eine fachbezogene Kooperation überhaupt zeitlich machbar ist.

„Diese Befunde sind problematisch, denn Kooperation ist ein starker Erfolgsfaktor für gute Schule“, sagt Hans Anand Pant, Erziehungswissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität und Geschäftsführer der Deutschen Schulakademie. „Wir brauchen einen Wandel im Berufsverständnis von Lehrkräften: weg von der Einzelkämpferin oder dem Einzelkämpfer, hin zum Teamplayer.“ Das bedeute aber auch, dass Kooperation als fester Bestandteil der Arbeitszeit in den Schulalltag eingebunden sein müsste. Und das wiederum heißt: Die Personaldecke müsste dicker sein.