Berlin. Die Zahl ausländischer Kindergeldempfänger ist in den ersten sechs Monaten 2018 stark angewachsen. Oberbürgermeister schlagen Alarm.

Die Zahl ausländischer Kindergeldempfänger ist nach Angaben der Bundesregierung stark angestiegen. „Im Juni 2018 wurde für 268.336 Kinder, die außerhalb von Deutschland in der Europäischen Union oder im Europäischen Wirtschaftsraum leben, Kindergeld gezahlt“, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums auf Anfrage der dpa.

Das ist eine Zunahme um 10,4 Prozent. Ende 2017 lag die Zahl noch bei 243.234 Empfängern, 2016 bei 232.189. Vor allem die Zahl der Empfänger aus Osteuropa hat stark zugenommen.

Mehrere Oberbürgermeister schlagen Alarm und sprechen von einer massiven Zunahme einer gezielten Migration in das deutsche Sozialsystem. „Die Bundesregierung verschläft dieses Problem, sie muss endlich was dagegen tun, dass es Armutsflüchtlinge in Europa gibt“ sagte Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) der dpa. „Wir haben derzeit rund 19.000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Duisburg, Sinti und Roma. Vor knapp sechs Jahren, 2012, hatten wir erst 6000 in Duisburg.“

Mit Ausweitung der EU-Freizügigkeit auf Osteuropa hat sich auch die Zahl von Kindergeldbeziehern im Ausland stark erhöht.

Städtetag: Viele Osteuropäer sind gut integriert

Fürths OB Thomas Jung (SPD) berichtete auch von großen Problemen, als ihn jüngst SPD-Chefin Andrea Nahles besuchte. Städte mit niedrigen Mieten lockten gerade Menschen aus Osteuropa an.

Auch der Deutsche Städtetag sieht Probleme, Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy betont aber: „Die meisten Menschen aus Südosteuropa sind in Deutschland gut integriert.“ Da sind zum Beispiel bestens ausgebildete Pflegekräfte aus Polen, ohne die in vielen Heimen nichts mehr laufen würde.

Auf der Basis vom Kindergeldsatz von 194 Euro für das erste Kind fallen für die Kinder von ausländischen EU-Bürgern, die sich in Deutschland mit einer Wohnung anmelden, aber deren Nachwuchs oft gar nicht hier lebt, jeden Monat rund 50 Millionen Euro an. Pro Jahr liegen die Kosten dann bei weit über 600 Millionen Euro.

Betrug durch gefälschte Dokumente?

Allein 2017 wurden 343 Millionen Euro an Kindergeld auf Konten im Ausland überwiesen. Wobei auch deutsche Empfänger Konten im Ausland haben können. Denn in der Statistik der Empfänger im Ausland werden auch rund 31.000 deutsche Staatsbürger aufgeführt. Während deren Zahl jedoch seit Jahren konstant bleibt, ist die Zahl polnischer Empfänger seit 2017 um fast 15 000 gestiegen, aus Tschechien sind es 5000 mehr und aus Rumänien knapp 2000.

Der Duisburger Rathauschef sieht kriminelle Energie und viel Betrug durch gefälschte Dokumente am Werk, oft wisse man gar nicht, ob die gemeldeten Kinder überhaupt existierten. Das widerspreche dem Sinn der europäischen Freizügigkeit.

Schon vor Monaten hatte die „Welt am Sonntag“ berichtet, dass die Familienkassen jährlich um mehr als 100 Millionen Euro betrogen werden könnten durch Banden, die Familien nach Deutschland schicken und Kindergeld kassieren lassen für nicht existierende Kinder oder für Kinder, die gar nicht hier leben.

„Unterschiedlichen Lebenshaltungskosten berücksichtigen“

Die Bundesregierung verweist auf EU-Vorgaben, will aber Zahlungen kürzen. Man setze sich für eine europäische Lösung ein, „die die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den Mitgliedstaaten bei der Zahlung von Familienleistungen berücksichtigt“, sagte ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Das heißt, dass Zahlungen geringer ausfallen würden, wenn die Kinder in Ländern mit niedrigeren Lebenshaltungskosten leben. Allerdings fehlt bisher eine Handhabe, um Betrugsversuche effektiv zu bekämpfen. Zudem begehren Bürger vor Ort zunehmend gegen die Entwicklungen und möglichen Sozialbetrug auf. (dpa)