Washington. Nach dem Gipfel in Helsinki ist es Trump noch nicht gelungen, die Wogen zu glätten. Mit manchen Aussagen löst er dazu neue Kritik aus.
John Kelly muss geahnt haben, dass sein Chef auch im Krisen-Modus unberechenbar bleibt. Als Donald Trump auch auf Drängen von Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo die größten Scherben zusammenfegen wollte, den sein als servil bis landesverräterisch empfundender Auftritt an der Seite von Wladimir Putin in Helsinki hinterlassen hatte, ging im Weißen Haus plötzlich das Licht aus.
Der US-Präsident wollte gerade eine Erklärung verlesen, die seine als skandalös bezeichnete Pro-Putin-Haltung in der Frage russischer Manipulationen bei der US-Wahl 2016 mit einem „Versprecher“ zu erklären versuchte, als sein Stabschef auf den Lichtschalter drückte. Unabsichtlich, wie es später hieß. Aber für einen Moment saß Trump im Dunkeln.
Beobachter: „Dümmster Rückzieher aller Zeiten“
Was zur Substanz seines Vortrags passen sollte, den US-Beobachter als den „dümmsten Rückzieher aller Zeiten“ charakterisierten. In Kurzform: In Helsinki hatte Trump die Erkenntnisse der eigenen Geheimdienste beiseite gewischt und sich die Unschuldsbeteuerung Putins zu eigen gemacht. Der hatte kategorisch bestritten, dass vom Kreml gelenkte Cyber-Schergen die US-Wahl zugunsten Trumps beeinflussen wollten; obwohl genau deshalb just zwölf Agenten des russischen Militär-Geheimdienstes GRU in den USA wegen Verschwörung angeklagt wurden.
Mit dieser „doppelten Verneinung“ und dem Bekenntnis, dass er „volles Vertrauen“ in die Arbeit seiner Geheimdienste besitze, wollte der Präsident die XXL-groß gewordene Kuh vom Eis bugsieren, erreichte aber durch eigenes Verschulden das Gegenteil. Denn Trump setzte, als das Licht wieder angegangen war, hinzu, dass es „auch andere Leute“ gewesen sein könnten, die sich in die Wahlen eingemischt haben. Denn: „Es gibt viele Leute da draußen.“
Prompt heulten die Demokraten auf und warfen Trump einen „verlogenen Versuch der Schadensbegrenzung“ vor. Ihr Tenor: In Wahrheit sei der Präsident weiter näher bei Putin als bei den eigenen Experten. Trump focht das nicht an. Am Mittwoch erklärte er, dass Russland für Amerika keine Bedrohung mehr darstellte. Dan Coats, sein oberster Geheimdienst-Koordinator, hatte kurz zuvor exakt das Gegenteil konstatiert.
Entsetzen in Brüsseler Nato-Zirkeln über Trump-Interview
In einem Twitter-Gewitter warf Trump zudem den Medien Irreführung vor. Viele Leute „am oberen Ende der Intelligenzskala“ hätten seinen Auftritt in Helsinki „geliebt“, erklärte er. Dagegen war aus Diplomaten-Kreisen in Washington zu hören, dass Trumps „verkorkste Selbstkorrektur“ in der eigenen Regierung „Kopfschütteln“ und „Resignation“ ausgelöst hat. Vor allem Verteidigungsminister James Mattis, der sich eine zenbuddistische Zurückhaltung auferlegt hat, was Trump angeht, sei fassungslos. Auslöser: Trump hatte in einem Interview mit seinem Haus-Sender Fox News den Beistandspakt in der Nato ins Lächerliche gezogen.
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Moderator Tucker Carlson wollte wissen, warum im Konfliktfall sein Sohn als Soldat den 2017 in die Nato aufgenommenen Balkan-Staat Montenegro verteidigen soll. Trumps Antwort löste in Brüsseler Nato-Zirkeln Entsetzen aus: „Montenegro ist ein kleines Land mit sehr starken Menschen“, sagte der Präsident, „sie sind sehr aggressive Menschen, sie könnten aggressiv werden.“ Und plötzlich – „Gratulation“ – sei man „im Dritten Weltkrieg“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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