Rom/Berlin. Mindesteinkommen, Steuersenkungen, Abkehr vom „Spardiktat“ – die Parteien Lega und Fünf Sterne haben explosive Versprechen im Gepäck.

Hin zu Russland, weg von der EU, mehr Schulden und weniger Migranten: Der Regierungsvertrag zwischen der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung und der fremdenfeindlichen Lega in Italien steht. Die europakritischen Parteien einigten sich nach wochenlangem Taktieren auf ein Programm, das kostspielige Versprechen vorsieht. Dies dürfte kaum mit den Verpflichtungen in der Eurozone zu vereinbaren sein. Europakritische Passagen wurden dagegen etwas entschärft.

„Es kommt euch wie ein Traum vor? Es ist ein Traum, der sich nun verwirklichen kann“, schrieb Sterne-Chef Luigi Di Maio. Doch viele Politiker in Europa machen sich Sorgen über Italiens neuen Kurs. Sollte eine neue Regierung die Verschuldung aus dem Ruder laufen lassen und das Vertrauen der Investoren in Italien schwinden, wären Auswirkungen europaweit zu spüren.

Näher an Russland

In ihrem Programm stehen Lega und Sterne-Bewegung für eine Außenpolitik ein, die die nationalen Interessen in den Mittelpunkt rückt und „die Interessen Italiens in Europa besser schützt“. Die Zugehörigkeit Italiens zur Nato wird bekräftigt.

Gleichzeitig sei primäres Ziel eine „Öffnung gegenüber Russland“, das nicht als „Bedrohung, sondern als Handels- und Wirtschaftspartner empfunden werden“ müsse. Von Russland gehe keine militärische Gefahr aus, deshalb müssten die Sanktionen des Westens gegen das Land aufgehoben werden.

Neue Schulden für Grundsicherung

Das Bündnis aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega will zudem die Konjunktur des bereits hoch verschuldeten Italien auch mit „begrenzten“ schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben. Herzensprojekt der Lega ist die „Flat Tax“, die Einführung von nur zwei Steuersätzen von 15 und 20 Prozent. Die Regierung will damit die Steuerlast in Italien drücken. Das Programm sieht zudem ein Grundeinkommen von 780 Euro für einen Single auf Jobsuche im Monat vor.

Der Vorstoß soll die ärmsten Italiener absichern. Dieses Wahlversprechen der Fünf Sterne hatte maßgeblich zum flächendeckenden Wahltriumph im Süden des Landes beigetragen. Die neue Regierung wolle mit den EU-Partnern die Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie den Euro-Stabilitätspakt überprüfen.

Beim Punkt Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit ist davon die Rede, die europäischen Verträge „neu zu diskutieren“. Das italienische Bündnis will nach eigenen Angaben das Defizit zwar drücken, aber nicht durch eine Sparpolitik, sondern durch Wirtschaftswachstum.

Investitionsausgaben sollten dabei nicht in die Defizitberechnungen einfließen. Italien hat eine Staatsverschuldung von mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung – so viel wie kaum ein anderes Land der Welt und weit mehr als die in der EU vorgesehenen 60 Prozent. „Flat Tax“ und Grundeinkommen kosten nach Angaben von Experten rund 100 Milliarden Euro.

Restriktive Euro-Politik

Von einem Szenario zum Euro-Austritt war in dem Koalitionspapier nichts mehr zu lesen – dies hatte in einem durchgesickerten Entwurf noch für Unruhe gesorgt. Doch auf mögliche EU-Reformen hat Italiens künftiger Kurs entscheidenden Einfluss.

Dabei geht es um eine Stärkung der Eurozone, etwa über die Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung für Bankguthaben. Dies wird in Deutschland ohnehin kritisch gesehen, da Geldinstitute hierzulande fürchten, im Zweifelsfall für Pleitebanken in anderen Ländern haften zu müssen. Das Vorhaben könnte nun noch schwieriger umzusetzen sein.

Harsche Migrationspolitik

Bei der Migration wollen beide Parteien die Ankünfte stoppen. Die Abschiebungen von rund 500.000 „Illegalen“ habe „Priorität“. Statt für die Unterbringung der Migranten soll das Geld für Rückführungen ausgegeben werden. Zudem wollen sie die Dubliner EU-Verträge neu aushandeln, die besagen, dass Mi­granten dort Asyl beantragen müssen, wo sie erstmals die EU betreten haben.

An Italiens Küsten kamen seit 2014 mehr als 630.000 Migranten und Flüchtlinge über das Meer an. Die Stimmung im Land ist ausländerfeindlicher geworden. Gleichzeitig hat die EU es nicht geschafft, gerechte Verteilungsquoten in Europa durchzusetzen.

Zwar haben sowohl Italien als auch Griechenland jeweils mehrere Dutzend Millionen Euro Hilfe aus EU-Töpfen und auch Personal aus anderen EU-Staaten bekommen – und doch tragen die Mittelmeerstaaten weiterhin eine große Last im Umgang mit Migration und Flucht in Richtung Europa.