Brüssel. Beim EU-Gipfel arbeiten sich die Regierungschefs an Putin und Erdogan ab. Im Fall Skripal schlägt man sich auf die Seite der Briten.

Etwas ist anders bei diesem EU-Gipfel, ein kleines Zeichen tragen viele der 28 Regierungschefs schon am Revers: Weiße Schleifen auf den meist dunklen Anzügen der Gipfelteilnehmer sollen an den Terroranschlag von Brüssel vor genau zwei Jahren erinnern, bei dem 35 Menschen ums Leben gekommen waren. „Wir müssen alle gemeinsam gegen den Terrorismus zusammenstehen“, sagt Kanzlerin Angela Merkel zum Auftakt am Donnerstag. Alle gemeinsam gegen die Bedrohung da draußen – das ist, etwas allgemeiner, auch der rote Faden dieses Europäischen Rates.

Eigentlich sollte sich der Frühjahrsgipfel vor allem internen Wirtschafts- und Finanzfragen der Union widmen – stattdessen müssen sich die Regierungschefs am ersten Tag vor allem mit internationalen Krisen befassen: Streit mit den USA, Spannungen mit Russland, Probleme mit der Türkei. So gern Europa außenpolitisch kraftvoll mit einer Stimme sprechen möchte – es ist nicht leicht, Geschlossenheit herzustellen.

Dass sie sich auszahlen kann, zeigt am Nachmittag die Wende im Handelskonflikt mit den USA. Aber die Regierungschefs machen sich keine Illusionen: Es ist eine Atempause, Präsident Donald Trump wird der EU weiter Sorgen machen. Und dann ist da noch die Frage: Wie umgehen mit Russlands Präsident Wladimir Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan?

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Regierungschefs verurteilen Giftanschlag auf Skripal „auf das Schärfste“

Putin ist das größere Problem: Die Regierungschefs verurteilen den Giftanschlag auf den ehemaligen Doppelagenten Sergej Skripal „auf das Schärfste“, wie es im Entwurf einer Gipfel-Erklärung heißt. Später am Abend wird man deutlich: Man stimme mit der britischen Regierung darin überein, dass Russland mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verantwortung für den Anschlag in Salisbury trage, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk mit.

Zunächst hatte sich die EU der 28 nicht auf eine offene Schuldzuweisung an Russland einigen können – anders als vor einer Woche Merkel, Trump und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die die britische Einschätzung einer russischen Verantwortung für den Anschlag von Salisbury ausdrücklich teilten. Der Gipfel erklärte dagegen erst mal nur, man nehme die britische Bewertung „sehr ernst“.

Die britische Premierministerin Theresa May am Donnerstag in Brüssel.
Die britische Premierministerin Theresa May am Donnerstag in Brüssel. © Getty Images | Jack Taylor

Es geht ein Riss durch die EU, auch beim Umgang mit Putin: Die früheren sowjetischen Staaten sind überwiegend hoch alarmiert, auch Paris und Berlin wollen eine klare Botschaft an Moskau senden. Andere bremsen. Griechenland voran mit der Begründung, es gebe keine „smoking gun“. Aber auch Italien und Österreich zögern.

Auf der anderen Seite drängte die britische Premierministerin Theresa May die Runde zu einer harten Linie: Russlands Vorgehen sei eine Bedrohung für alle EU-Staaten, der Anschlag folge einem Muster russischer Aggression gegen ganz Europa. Die Herausforderung werde die kommenden Jahre prägen, mahnt May ihre Kollegen. Und: Russland sei Gegner, nicht Partner.

Ton verschärft sich gegenüber Erdogan

Eine Herausforderung auch für erprobte Gipfel-Diplomaten: Bis zuletzt feilen Unterhändler an einer gemeinsamen Position der EU-Staaten. Auch auf deutsches Drängen fanden sich im Entwurf nun versteckte Hinweise auf die russische Verantwortung: Die Mitgliedstaaten würden sich darüber abstimmen, welche Konsequenzen in Anbetracht der Antworten der russischen Behörden zu ziehen seien, hieß es etwa.

Zudem müsse sich die EU besser gegen chemische, biologische und nukleare Risiken wappnen – dass solche Risiken vor allem Richtung Osten vermutet werden, liegt auf der Hand. Sanktionen gegen Russland sind beim Gipfel indes kein Thema.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan.
Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. © dpa | Murat Cetinmuhurdar

Da ist die Brüsseler Botschaft an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fast noch direkter. Am kommenden Montag trifft sich Erdogan mit den Spitzen der EU-Institutionen im bulgarischen Warna, es soll unter anderem um das Flüchtlingsabkommen gehen – doch vor dem Gipfel verschärfen die Regierungschefs, die in Warna nicht dabei sind, schon mal die Tonlage.

Sie äußern in einer Erklärung „große Besorgnis über die fortdauernde Inhaftierung von EU-Bürgern in der Türkei“ und werfen Erdogan wegen des Gasstreits im Mittelmeer „fortgesetzt illegale Handlungen“ vor. Die Türkei geht beim Konflikt um die maritime Gaserkundung hart gegen die EU-Mitglieder Griechenland, Zypern und Italien vor. Auch die türkische Militäroffensive in Nordsyrien kommt beim Abendessen der Regierungschefs zur Sprache. Merkel hatte den Einsatz am Vortag „auf das Schärfste“ verurteilt. Ihre Einschätzung, das Verhältnis zum Nato-Partner Türkei bleibe „schwierig“, wird vom Gipfel geteilt.