Washington/Berlin. Facebook gerät weiter in Bedrängnis. Justizministerin Barley hält Vorfälle wie den Daten-Skandal für „eine Gefahr für die Demokratie“.

Am Mittwochvormittag waren in der deutschen Facebook-Niederlassung im Berliner Sony-Center mehrere Juristen zu Gast. Der Konzern präsentierte seine Pläne zur Umsetzung der am 25. Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzgrundverordnung. Würde sich Facebook schon heute an deren Regeln halten, hätte das Unternehmen vielleicht nicht die Probleme, mit denen es derzeit zu kämpfen hat. Die neue Verordnung schreibt vor, Datenpannen binnen 72 Stunden der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden.

In den USA wird Facebook vorgeworfen, seit 2015 zu wissen, dass die britische Firma Cambridge Analytica die Daten von mehr als 50 Millionen Nutzern des Netzwerks mithilfe einer App abgegriffen hat. Zwar soll Facebook die Briten aufgefordert haben, die Daten wieder zu löschen. Doch die Öffentlichkeit zu informieren, hielt man nicht für erforderlich. Heraus kam die Angelegenheit durch Berichte der „New York Times“ und des „Guardian“.

Facebook sieht sich als Opfer der Affäre

Cambridge Analytica wiederum dachte gar nicht daran, die Daten zu vernichten. Vielmehr sollen die Briten sie für den Präsidentschaftswahlkampf von Donald Trump ausgewertet haben. Facebook selbst sieht sich als Opfer der Affäre: „Das ganze Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden“, sagt ein Facebook-Sprecher. Einen Datenmissbrauch habe es aber nicht gegeben.

Diese These hat der Konzern bisher allerdings nicht mit unabhängig überprüfbaren Fakten untermauert. Vielmehr verweist das Unternehmen auf eine interne Untersuchung, die abgewartet werden müsse.

Facebook nach Datenskandal massiv unter Druck

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    Der Skandal um die Nutzerdaten ist nicht der erste

    Dafür jedoch könnte die Zeit knapp werden, denn Facebook steht enorm unter Druck. Die Cambridge-Analytica-Affäre ist nur einer von mehreren Skandalen, die das soziale Netzwerk in seinen Grundfesten erschüttern:

    Im US-Wahlkampf war Facebook eine Plattform für Falschmeldungen, die der Kandidatin Hillary Clinton schaden sollten. Millionen von Nutzern bekamen sie zu sehen. Zudem schalteten russische Akteure Werbung auf der Plattform, mit dem Ziel, das innenpolitische Klima in den USA zu vergiften.

    Die investigative US-Plattform ProPublica enthüllte, dass man Facebooks Anzeigensystem nach Belieben manipulieren konnte. So war es möglich, Immobilienwerbung zu schalten, die Afroamerikaner nicht zu sehen bekamen. Umgekehrt konnten gezielt Rassisten und Antisemiten angesprochen werden.

    Weltweit hat Facebook ein Problem damit, strafbare Inhalte zu löschen. In Deutschland führte das zur Verabschiedung des umstrittenen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, das soziale Medien dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu entfernen. Anderenfalls werden hohe Geldstrafen fällig.

    Das Unternehmen verlor 50 Milliarden Dollar an Börsenwert

    Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.
    Facebook-Gründer Mark Zuckerberg. © REUTERS | STEPHEN LAM

    Mittlerweile werden die Anleger unruhig. Wegen des neuen Skandals verlor Facebook zuletzt über 50 Milliarden Dollar an Börsenwert. Erste Aktionäre haben in Kalifornien Klage eingereicht. Es geht um Irreführung bei der Handhabung von Nutzerdaten.

    Nun wurde auch noch bekannt, dass Facebooks Sicherheitschef, Alex Stamos, das Unternehmen im Sommer offenbar im Streit verlassen wird. Er soll laut US-Medien dafür plädiert haben, die eigenen Fehler in der russischen Desinformationskampagne lückenlos einzugestehen.

    Zuckerberg wollte nicht reinen Tisch machen

    Konzerngründer Mark Zuckerberg und seine Top-Managerin Sheryl Sandberg hätten dies abgelehnt. Als die Russland-Affäre vergangenen Herbst im Kongress verhandelt wurde, gab Facebook ein schlechtes Bild ab. Auch ein Jahr nach der Wahl wusste der Konzern noch immer nicht genau zu sagen, wer wie oft seine Plattformen für politisch-manipulative Zwecke missbraucht hatte

    Damit müsse Schluss sein, forderte die Senatorin Dianne Feinstein. „Ich vertrete die Tech-Community mit Stolz. Aber ihr kapiert es nicht. Das ist der Beginn der Cyber-Kriegsführung. Ihr habt diese Plattformen konstruiert. Jetzt werden sie missbraucht. Und ihr müsst etwas dagegen tun, sonst werden wir das erledigen.“

    Mark Zuckerberg soll vor dem Justizausschuss aussagen

    Zuckerberg beließ es zunächst bei Videobotschaften und einer Landpartie, um bei Amerikanern vor Ort gut Wetter zu machen. Der neuerliche Skandal um Cambridge Analytica ist für die US-Senatoren Mark Warner und Amy Klobuchar aber der Beweis, dass man den PR-Botschaften des Facebook-Bosses „keinen Glauben schenken kann“. Sie wollen, stellvertretend für viele Kongress-Mitglieder, Zuckerberg schnellstens in den Justiz-Ausschuss vorladen.

    Der Druck zeigte Wirkung. Am Mittwoch äußerte sich Zuckerberg dann doch noch in einem Facebook-Post. Sein Unternehmen habe „Fehler gemacht“, gestand er ein, und kündigte Untersuchungen an. Zudem werde Facebook mit den Ermittlern zusammenarbeiten, um den Vorfall aufzuklären. Alle betroffenen Nutzer würden informiert. Zudem werde er Möglichkeiten aufzeigen, mit der sich Nutzer von derartigen Übergriffen schützen könnten.

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    Trotz der Erklärung steht fest: Sollte Zuckerberg vor den Justiz-Ausschuss geladen werden, würde ein Spießrutenlauf der besonderen Art auf ihn waren. Zumal die Generalstaatsanwältin von Massachusetts, Maura Healey, bereits strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet hat.

    Barley will Aufklärung von europäischen Facebook-Vertretern

    Auch hierzulande schlägt die Affäre Wellen: „Das europäische Facebook-Management muss zu diesem Skandal umfassend gegenüber der Bundesregierung Stellung beziehen“, sagte Justiz- und Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD) unserer Redaktion.

    Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD).
    Verbraucherschutzministerin Katarina Barley (SPD). © dpa | Kay Nietfeld

    Es sei nicht hinnehmbar, dass Nutzer in sozialen Netzwerken „gegen ihren Willen ausgeleuchtet werden, um sie ganz gezielt mit Wahlwerbung oder Hass gegen den politischen Gegner zu bombardieren“. Solche Wahlkampfmethoden seien eine Gefahr für die Demokratie.

    Datenschutz unkomplizierter machen

    Am Donnerstag gab Barley bekannt, dass die Spitzen von Facebook Europe für die kommende Woche ins Justizministerium gebeten worden seien. Bei dem Gespräch solle es darum gehen, was Facebook gegen Spähaktionen zu tun gedenkt. Barley sagte, sie wolle sich um Aufklärung bemühen, inwiefern auch deutsche Accounts betroffen sind. Datenschutz müsse generell unkomplizierter werden. „Es kann nicht sein, dass Nutzerinnen und Nutzer ellenlange Nutzungsbedingungen lesen müssen, um am Ende das Kreuz nur bei Ja machen zu können oder den Dienst gar nicht zu nutzen.“

    Die Team-Leiterin Digitales der Verbraucherzentrale Bundesverband, Lina Ehrig, setzt auf die neue EU-Datenschutzverordnung, die ein „gutes Regelwerk“ sei. Ob die Regel, nach der eine Datenpanne binnen 72 Stunden gemeldet werden muss, in der Cambridge-Analytica-Affäre tatsächlich gegriffen hätte, ist umstritten. Hinter vorgehaltener Hand heißt es im Facebook-Umfeld, da kein Datenmissbrauch vorliege, sei die Sache kein Fall für die Verordnung.