Berlin. Abkommen von Regierungsparteien sind rechtlich nicht bindend. Dennoch werden sie meistens eingehalten, wie ein Blick zurück beweist.

„Deutschlands Zukunft gestalten“ stand über dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus dem Dezember 2013. 185 Seiten lang, acht Kapitel umfassend. In der Präambel hieß es zu Beginn: „Die Koalition aus CDU, CSU und SPD will dafür Sorge tragen, dass die Grundlagen für unseren Wohlstand und den Zusammenhalt gesichert und ausgebaut werden.“

Koalitionsverträge sind rechtlich nicht bindend. Sie bilden vielmehr eine inhaltliche und organisatorische Grundlage für die Regierungszusammenarbeit von Parteien. Allerdings: Die großen Reformen, Wendungen oder Krisen der vergangenen Jahre standen in keinem Vertragswerk.

So verkündete der sozialdemokratische Bundeskanzler Gerhard Schröder im Jahr 2003 etwa die Agenda 2010, eine der größten Arbeitsmarkt- und Sozialreform der Nachkriegszeit mit nachfolgender Wut auf die SPD, Entstehung der Linken, aber auch Rekordbeschäftigung. Im rot-grünen Koalitionsvertrag von 2002 war lediglich und eher ungenau die schnellstmögliche Umsetzung der Hartz-Reformen angedacht.

Union und SPD ringen um Abschluss im Koalitionspoker

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    Flüchtlingskrise veränderte die Migrations- und Innenpolitik

    Auch die milliardenschweren Konjunkturprogramme, die aus der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 entstanden, waren von Schwarz-Rot nicht geplant. Im Jahr 2011 beschloss die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel (CDU) nach dem Atomunfall in Japan den vorzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie. Im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP noch die Verlängerung der Laufzeiten der Kraftwerke verankert.

    Auch in der letzten schwarz-roten Regierung wurde nicht alles umgesetzt. Doch die große Koalition hielt sich – mit Ausnahme der durch die Flüchtlingskrise 2015 veränderte Migrations- und Innenpolitik – relativ streng an den zuvor vereinbarten Vertrag, der am 16. Dezember 2013 unterschrieben wurde. So beschloss der Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode mehr als 500 Gesetze, die Union und SPD ins Parlament eingebracht hatten. Der Mindestlohn in Deutschland wurde eingeführt, die Bund-Länder-Finanzen neu geordnet, die Pkw-Maut und die Mietpreisbremse beschlossen.

    Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten kam

    Auch in der Rentenpolitik setzte die Koalition viel um: Sowohl die Rente mit 63 (für Versicherte mit mindestens 45 Beitragsjahren) als auch die Erhöhung der Mütterrente kam. Die schwarze Null im Haushalt war ebenfalls ein Erfolg von Schwarz-Rot. Im Koalitionsvertrag waren die Haushaltsziele noch vorsichtig formuliert – somit wurden die eigenen Vorgaben übertroffen. Auch in der Gesundheitspolitik wurden zentrale Vorhaben wie etwa die Pflegereform umgesetzt. Die Frauenquote von 30 Prozent in den Aufsichtsräten börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen kam ebenfalls.

    Doch es gab auch prominente Ankündigungen, auf welche die Parteien sich nicht final einigen konnten: Beispielsweise das Recht auf befristete Teilzeit und somit die Rückkehr auf eine Vollzeitstelle. Im Koalitionsvertrag wurde die Maßnahme als Anstrengung für die Gleichstellung von Frauen versprochen. Doch ein entsprechender Gesetzesentwurf von Arbeitsministerin An­drea Nahles (SPD) scheiterte am Widerstand der Union. Nahles warf der Union und den Arbeitgebern vor, den Entwurf blockiert zu haben.

    Bei Ost-West-Rentenangleichung war kein Übereinkommen möglich

    Auch in der Rentenpolitik hatten sich Union und SPD 2013 ursprünglich noch mehr vorgenommen. So sah der Vertrag eine „solidarische Lebensleistungsrente“ vor. Jemand, der ein Leben lang gearbeitet hat, soll im Alter mehr haben als die Grundsicherung, so der Gedanken. Doch daraus wurde nichts mehr. Nach den großen Brocken Mütterrente, Rente mit 63 und Ost-West-Rentenangleichung war hier kein Übereinkommen mehr möglich.

    Neben der Mietpreisbremse wollten Union und SPD ursprünglich weitere Änderungen im Mietrecht. Die Möglichkeiten der Vermieter etwa, nach Modernisierungen die Miete zu erhöhen, sollten eingeschränkt werden. Man wurde sich jedoch nicht einig. Das Thema Managergehälter und Transparenz wurde ebenfalls nicht umgesetzt. Gescheitert ist auch die Bekämpfung des Klimawandels. Hier hatten die Parteien vereinbart, bis 2020 die Treibhausemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken. Doch die Koalition hielt nicht Kurs. 2016 stieg der Ausstoß sogar wieder an.