Madrid. Weil Regieren aus dem Exil offenbar nicht möglich ist, wird die Rückkehr des Ex-Regierungschefs nach Barcelona nun wahrscheinlicher.

Es war die erste Sitzung des katalanischen Parlaments nach der Regionalwahl im Dezember, bei der die Unabhängigkeitsbefürworter ihre knappe absolute Mehrheit bestätigt hatten. Aber acht Sitze blieben nun leer, weil die betreffenden Abgeordneten aus nicht ganz gewöhnlichen Gründen verhindert waren: Drei der Abwesenden sitzen in Untersuchungshaft. Fünf sind im selbstgewählten Exil in Belgien, weil sie vor der Justiz flüchteten und in Spanien mit ihrer Verhaftung rechnen müssen – darunter Kataloniens Ex-Ministerpräsident Carles
Puigdemont, der sich trotzdem wieder ins Regierungsamt wählen lassen will.

Gelbe Schleifen leuchten auf den leeren Abgeordnetensesseln. Damit will die Unabhängigkeitsbewegung ihre Solidarität mit den fehlenden Politikern ausdrücken. Politiker, die nach Meinung der Separatisten „aus politischen Gründen“ von der Justiz verfolgt werden.

Unabhängigkeitskonflikt noch lange nicht beendet

Spaniens Nationaler Gerichtshof ermittelt gegen die Betreffenden, weil sie versucht haben sollen, mit illegalen Methoden die Unabhängigkeit Kataloniens durchzusetzen. Ihnen wird Rebellion, Anstiftung zum Aufruhr und Veruntreuung von Steuergeldern vorgeworfen. Schon die Eröffnungsrede an diesem Tag signalisiert, dass der Unabhängigkeitskonflikt in der spanischen Region Katalonien noch lange nicht beendet ist.

„Wir werden weitermachen“, kündigte Ernest Maragall von der Separatistenpartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) an. Seine Partei hat mit der Bewegung Junts per Catalunya (Zusammen für Katalonien) vereinbart, dass Junts-Spitzenmann Carles Puigdemont vom Parlament wieder zum Ministerpräsident gewählt werden soll. Wie dies mit einem Kandidaten, der vor der Justiz auf der Flucht ist, geschehen soll, ist unklar.

Darüber wird das siebenköpfige Parlamentspräsidium befinden müssen, in dem die Unabhängigkeitsbefürworter auch die Übermacht haben. Zum neuen Parlamentsvorsitzenden wurde mit der Mehrheit des Unabhängigkeitslagers der Separatist Roger Torrent gewählt – ein Hardliner. Die Wahl des neuen Ministerpräsidenten muss spätestens bis zum 31. Januar stattfinden.

Wahl über Videoschalte nicht im Gesetz vorgesehen

Puigdemonts ursprüngliche Idee, sich aus der Ferne und per Videoschaltung dem Parlament zu stellen und anschließend wählen zu lassen, dürfte schwierig werden. Denn der Kandidat muss nach dem bisherigen Parlamentsbrauch leibhaftig den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Ein „Skype-Kandidat“ ist im Gesetz nicht vorgesehen. Spaniens Zentralregierung kündigte an, eine „Fernwahl“ Puigdemonts vor dem Verfassungsgericht anfechten zu lassen.

Nicht ausgeschlossen also, dass Puigdemont doch noch nach Katalonien zurückkommt. Dann würde er zwar bei seiner Einreise nach Spanien festgenommen. Doch er könnte darauf hoffen, dass der Ermittlungsrichter ihm als Spitzenkandidaten die Teilnahme an der entscheidenden Parlamentssitzung ermöglicht. Denn er ist noch nicht verurteilt und nicht mit einem Ämterverbot bestraft.

Bei der vorgezogenen katalanischen Regionalwahl im Dezember 2017 hatte die Unabhängigkeitsbewegung mit 47,5 Prozent der Stimmen 70 der 135 Abgeordnetenmandate erobert – also die Mehrheit der Sitze. Die Neuwahl war von Madrid angeordnet worden, nachdem die damalige Puigdemont-Regierung wegen einiger Rechtsverstöße abgesetzt worden war.