Berlin. Migration bleibt ein großes Streitthema. Kirchen fordern Barmherzigkeit, die CDU mehr Härte – und die Kommunen eine Arbeitsoffensive.

Die Zahl der Flüchtlinge und Migranten, die nach Deutschland kommen, geht deutlich zurück. Bis einschließlich November zählte die Bundespolizei an der Grenze in Bayern und Baden-Württemberg 19.600 irreguläre Einreisen – im Vorjahreszeitraum waren es 74.000. Doch die Debatte über den Umgang mit Menschen vor allem aus Nahost und Afrika wird weiter hitzig geführt, ganz besonders an den Weihnachtstagen: Die Kirchen fordern mehr Mitgefühl, die Kommunen mahnen zu besserer Integration in den Arbeitsmarkt. Und die Politik ist gespalten über die Frage, wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden können.

Das sagen die Kommunen:

Städte und Kommunen tragen die größte Last der Integration von Geflüchteten. Dort werden die Menschen versorgt, leben in Heimen und beginnen eine Arbeit. Viele bekommen nach ihrer Ankunft in Deutschland dort auch staatliche Hilfen. Gegenüber 2016 ist die Zahl der Flüchtlinge, die Hartz IV bekommen, um mehr als 250.000 gestiegen. Damit seien in Deutschland Mitte 2017 fast 600.000 Flüchtlinge als erwerbsfähige Leistungsberechtigte in der Grundsicherung Hartz IV gewesen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion.

Knapp 200.000 Flüchtlinge waren zur Jahresmitte einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen, rund 75.000 mehr als im Jahr davor. „Diese Zahlen zeigen, dass wir noch gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, bis die Arbeitsmarktintegration der Flüchtlinge gelungen ist“, sagte Landsberg. In Deutschland werde an zu „starren Integrationsmustern“ festgehalten. Landsberg nannte als Vorbild Dänemark. Dort würden Flüchtlinge so schnell wie möglich an den Arbeitsmarkt herangeführt. Parallel erlernten sie die Landessprache.

Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. © dpa | Sebastian Gollnow

Doch offenbar müssen Flüchtlinge deutlich länger auf die Teilnahme an einem Integrationskurs warten als geplant. Wie die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf Behördenangaben berichtete, stieg die Wartezeit für entsprechende Angebote im Jahresverlauf auf 12,5 Wochen. Zu Jahresbeginn hatte die durchschnittliche Wartezeit demnach noch 10,9 Wochen betragen – angepeilt sind aber eigentlich sechs.

Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, rechnet für 2018 mit Fortschritten bei der Integration von Geflüchteten und Migranten in den Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft entwickele sich gut, sagte Scheele. Dadurch gebe es viele zusätzliche Stellen auch in einfacheren Helferberufen, die auch mit fehlender Berufsausbildung und unzureichenden Sprachkenntnissen in Frage kommen. Zudem würden die neu Angekommenen mit der Zeit besser Deutsch lernen, was Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessere.

Das sagen die Kirchen:

Papst Franziskus am 1. Weihnachtsfeiertag auf dem Balkon des Petersdoms im Vatikan.
Papst Franziskus am 1. Weihnachtsfeiertag auf dem Balkon des Petersdoms im Vatikan. © dpa | L'osservatore Romano

Die Vertreter der Glaubensgemeinden haben sich eindeutig positioniert – und mehr Mitgefühl mit Menschen auf der Flucht gefordert. Papst Franziskus hat in seiner Weihnachtsbotschaft „Kriegsstürme“ in der Welt beklagt und mehr Mitgefühl mit Migranten angemahnt. Er erinnerte an die vielen Menschen, die wie in der Weihnachtsgeschichte Maria und Joseph vor Krieg und Verfolgung auf der Flucht seien. Jeder müsste sich dafür einsetzen, „unsere Welt menschlicher und würdiger für die Kinder von heute und morgen zu gestalten“, sagte der Pontifex in Rom.

Insbesondere rief er zum Frieden für Jerusalem, Syrien, Irak, Jemen und in Korea, Venezuela und Südsudan auf. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte im Weihnachtsgottesdienst in der Münchner Matthäuskirche, Weihnachtsfreude sei die „stärkste Medizin gegen den Virus des Nationalismus, der Fremdenfeindlichkeit und des religiösen Fanatismus“.

Das sagt die Politik (in Deutschland und Europa):

Je nach Lager ist die Politik gespalten. Manche setzen auf Solidarität in Europa, andere pochen auf nationale Lösungen in der Flüchtlingskrise. So spricht sich der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz gegen weitere Verhandlungen in der EU über Quoten zur Aufnahme von Asylsuchenden aus. Die Mitgliedsstaaten der EU sollten selbst entscheiden, ob sie Menschen aufnehmen und wie viele Flüchtlinge sie gegebenenfalls ins Land lassen, sagte Kurz der „Bild am Sonntag“. Zuletzt hatte die neue österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ mit dem Vorhaben Aufsehen erregt, Asylbewerbern generell Bargeld und Handys abzunehmen, auch zur Identitätsfeststellung.

Geflüchtete warten im Hafen von Piräus auf einen Bus. Sie wurden von den überlasteten Ägäischen Inseln auf das Festland gebracht.
Geflüchtete warten im Hafen von Piräus auf einen Bus. Sie wurden von den überlasteten Ägäischen Inseln auf das Festland gebracht. © dpa | Angelos Tzortzinis

Laut UN-Flüchtlingshilfswerk sind in diesem Jahr allein auf den griechischen Inseln fast 30.000 Flüchtlinge angekommen. Doch bisher nehmen die anderen EU-Staaten entgegen ihren Zusagen deutlich weniger Menschen aus den Lagern auf, um Griechenland zu entlasten: teilweise nur ein Drittel. EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos rief daher im Gespräch mit dieser Redaktion zu mehr Solidarität der Mitgliedstaaten auf. „Wir können den Status quo nicht akzeptieren, in dem einige Mitgliedstaaten mehr Verantwortung tragen müssen als andere.“ Die künftige Asyl-Migrationspolitik Europas müsse „fair und ausgewogen sein“. Heute sei sie es nicht.

Auch in Deutschland streitet die Politik über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dringt auf eine verbindliche Altersfeststellung minderjähriger Flüchtlinge. Sie plädiert zudem für einen wesentlich härteren Umgang mit Asylbewerbern, die die Behörden über ihre Identität offensichtlich täuschen. „Jemand, der seine Identität verschleiert oder Papiere vernichtet hat, muss mit harten Konsequenzen rechnen“, sagte sie der Tageszeitung „Die Welt“.