Washington. Die Steuerreform ist für Präsident Trump ein innenpolitischer Erfolg. Außenpolitisch verschärft seine Politik die Lage im Nahen Osten.

Der Weg für die größte Steuerreform seit über 30 Jahren in Amerika ist frei. Das größte Prestigeprojekt von Präsident Donald Trump und seiner republikanischen Partei steht vor der Umsetzung. Der US-Senat verabschiedete die Reform mit knapper Mehrheit, auch das Repräsentantenhaus winkte das Werk am Mittwoch in einem zweiten Wahlgang durch.

Trump will das 500 Seiten starke Gesetz dann in den nächsten Tagen unterzeichnen. Es soll noch vor Weihnachten als „Geschenk für alle Amerikaner“ in Kraft treten und bereits im kommenden Jahr in den Kassen von Firmen und Arbeitnehmern „für spürbare Entlastung“ sorgen, erklärte das Weiße Haus.

Während Trump und die Republikaner von einer „historischen“ Entscheidung sprechen, bezeichnen die Demokraten das Projekt als „riesige Umverteilung von Arm zu Reich“. Bei den Zwischenwahlen im Parlament im kommenden November werde es dafür vom Wähler die Quittung geben.

Was steht im Mittelpunkt der Reform?

Bürger wie Unternehmen sollen bei den Abgaben massiv entlastet werden. Mit dem Ziel, das jährliche Wachstum auf Raten von fünf bis sechs Prozent zu steigern und die Beschäftigung anzukurbeln.

Dazu wird die Unternehmensteuer von heute 35 auf 21 Prozent unter den Mittelwert der Industrienationen (22,5 Prozent) gesenkt. Die Einkommensteuer wird gestaffelt abgeflacht und der Grundfreibetrag für Verheiratete auf 24.000 Dollar verdoppelt. Der Spitzensteuersatz sinkt von 39,6 Prozent auf 37 Prozent.

Familienunternehmen, die Einkommen- statt Körperschaftsteuer entrichten müssen, haben nur noch 80 Prozent ihres Gewinns zu versteuern. Erbschaften sind (im Falle eines verheirateten Paares) bis zu einer Gesamthöhe von 22 Millionen Dollar vor der Besteuerung geschützt. Im Ausland geparkte Unternehmensgewinne (Schätzungen gehen von 3000 Milliarden Dollar aus) können „billig“ in die USA zurückgebracht werden – zu Steuersätzen zwischen acht und 15,5 Prozent. Bisher waren es 35 Prozent.

Bei den Republikanern stimmten im Repräsentantenhaus zwölf Abgeordnete gegen die eigene Parteilinie. Sie kommen aus wohlhabenden Bundesstaaten wie Kalifornien, die bei der Anrechnung von lokalen Steuern künftig draufzahlen.

Warum ist die Reform so umstritten?

Nach aktuellen Umfragen lehnen rund 55 Prozent der US-Amerikaner das größte Reformwerk dieser Art seit 30 Jahren ab. Nur 33 Prozent halten die Versprechungen der Republikaner für glaubwürdig.

Die negative Haltung speist sich neben der Unbeliebtheit des Präsidenten aus den bisher bekannten Schlussfolgerungen verschiedener Institute. Danach profitieren überproportional Wohlhabende und Reiche von den „tax cuts“, während Arme und Angehörige der Mittelschicht nach Auslaufen moderater Entlastungen ab 2025 sogar mehr Steuern zahlen müssen als heute. Ein Beispiel: Das renommierte „Tax Policy Center“ hat errechnet, dass Bezieher geringer Einkommen im Jahr pro Kopf um circa 60 Dollar, Bezieher höherer Einkommen dagegen um rund 7600 Dollar entlastet werden.

Verteidiger der Reform sagen voraus, dass die dauerhaft massiv sinkende Unternehmenssteuer Hunderttausende Arbeitsplätze schaffen wird. Dadurch würden die staatlichen Mindereinnahmen von rund 1500 Milliarden Dollar binnen des kommenden Jahrzehnts mehr als kompensiert. Demokraten halten das für „Traumtänzerei“ und sagen eine massive Zunahme der Staatsverschuldung voraus.

Warum liegen die Standpunkte so weit auseinander?

Zum einen, weil die Materie an sich kompliziert ist und bis zur letzten Minute immer wieder Korrekturen vorgenommen wurden. Zum anderen, weil die Republikaner mit ihren fragilen Mehrheiten in beiden Kammern des Parlaments seit Wochen hinter verschlossenen Türen mit der Brechstange agiert haben, um sich und Präsident Trump den ersten substanziellen legislativen Gewinn dieses Jahres zu bescheren. Öffentliche Anhörungen, Expertengespräche wie 1986 bei einem ähnlichen Großprojekt unter Ronald Reagan, Empfehlungen von Nobelpreisträgern und Wirtschaftsführern und eine breite Informationskampagne, die verständlich aufklärt über das Kleingedruckte der Reform – blieben vollständig aus.

Welche Einwände gibt es noch?

Etliche Wirtschaftsexperten halten die Eile, mit der die Reform durchgeboxt wurde, für überflüssig, weil die US-Wirtschaft seit geraumer Zeit stabil wächst und die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau gesunken ist. In dieser Phase das Prinzip fiskalischer Besonnenheit aufzugeben – eigentlich das Markenzeichen der Republikaner – und den Schuldenstand für künftige Generationen zu vergrößern, sei „unnötig“ und „unverantwortlich“. Außerdem sei das Versprechen Trumps, das Steuerdickicht zu lichten und die von allen US-Amerikanern traditionell verhasste Steuererklärung extrem zu vereinfachen, gebrochen worden.

Weiterer zentraler Kritikpunkt: Die Steuerreform wurde mit sachfremden Entscheidungen überfrachtet. So „erkauften“ sich die Republikaner die Mehrheit in den eigenen Reihen durch diverse Zugeständnisse an einzelne Senatoren und Abgeordnete; etwa aus Alaska, wo künftig in einem riesigen Naturschutzgebiet gegen wissenschaftlichen Rat Öl gefördert werden darf. Außerdem wurde ein für die Finanzierung der unter Obama eingeführten Krankenversicherung „Obamacare“ entscheidender Mechanismus gestrichen. Mit der Konsequenz, dass mehrere Millionen Amerikaner nach Angaben des Budget-Büros im Kongress ihren Versicherungsschutz verlieren werden.

Was folgt politisch nach dem Showdown?

Die feindselige Polarisierung zwischen Demokraten und Republikanern wird weiter zunehmen. Aus Sicht der Opposition haben die Konservativen einen Pyrrhussieg errungen, der ihnen bei den Zwischenwahlen im Kongress im November 2018 vor die Füße fallen und die Machtverhältnisse verschieben wird. Ihr Kernargument wird von der Mehrzahl der Ökonomen gestützt. Danach wird die Reform nicht die erhofften Effekte auf den Arbeitsmarkt haben, sondern vor allem das bereits heute schon gigantische Staatsdefizit von 20.000 Milliarden Dollar weiter ansteigen lassen. Was unweigerlich dazu führen werde, dass die Republikaner auf der Suche nach Einspar-Potenzialen bald die Axt an populäre Sozialleistungen und Gesundheitsausgaben („Medicare“) legen.

Umfragen sagen heute voraus, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung das Repräsentantenhaus und/oder den Senat wieder in die Hände der Demokraten legen will. Ein Detail könnte dabei eine pikante Rolle spielen. Weil Donald Trump sich weiter hartnäckig weigert, seine Steuererklärung zu veröffentlichen, weiß niemand verlässlich, wie sich die Steuerreform für den Präsidenten und seine Familie persönlich auswirken wird. Landläufige Vermutung auf Basis des Gesetzentwurfs ist, dass Trump und seine Familie in zweistelliger Millionenhöhe von den Steuerkürzungen profitieren werden.