Washington/Jerusalem. Im Nahen Osten demonstrieren Tausende Menschen gegen die US-Entscheidung zu Jerusalem. Die UN will eine Dringlichkeitssitzung abhalten.
Die Weltgemeinschaft hat mit größter Besorgnis auf den historischen Alleingang Donald Trumps zur Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels reagiert. Diplomaten, Politiker und Wissenschaftler sehen in der Entscheidung Trumps eine große Gefahr für den Friedensprozess in Nahost. Der US-Verbündete Saudi-Arabien rief die USA auf, die Entscheidung zurückzunehmen.
Die Nato-Partner Frankreich und Großbritannien als Vetomächte sowie weitere Mitglieder des UN-Sicherheitsrates beantragten eine Sondersitzung des Gremiums in New York. Sie soll bereits am Freitag stattfinden.
Radikalislamische Hamas ruft zu neuer Intifada auf
Die Hamas rief unterdessen zu einer neuen Intifada auf. Der Aufstand sollte ins Herz des „zionistischen Feindes“ getragen werden, sagte der Anführer der radikalislamischen Gruppe, Ismail Hanijeh, am Donnerstag. Das israelische Militär kündigte daraufhin an, seine Truppen im Westjordanland zu verstärken und versetzte weitere Einheiten in Alarmbereitschaft.
Während der als „Krieg der Steine“ begonnenen ersten Intifada von 1987 bis 1993 verloren etwa 2200 Palästinenser und 200 Israelis ihr Leben. Bei der „Al-Aksa-Intifada“ von 2000 bis 2005 hatten die Palästinenser mit über 3500 Toten die meisten Opfer zu beklagen, mehr als 1000 Israelis starben bei Anschlägen von Palästinensern.
Trump: Keine endgültige Grenzziehung anerkannt
Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch den US-Präsidenten Donald Trump komme einer „Kriegserklärung gegen die Palästinenser“ gleich, so Hanija. Am Freitag müsse die „Intifada zur Befreiung Jerusalems“ beginnen. Hanija wiederholte damit einen entsprechenden Aufruf zu einer neuen Intifada vom Mittwoch. Er forderte außerdem die palästinensische Autonomiebehörde auf, alle Friedensbemühungen mit Israel einzustellen.
„Ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es Zeit ist, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen“, hatte Trump am Mittwoch in Washington gesagt. Er erklärte, US-Präsidenten vor ihm hätten die Anerkennung vor Wahlen immer nur angekündigt – „ich liefere“. „Dies ist ein lange überfälliger Schritt, den Friedensprozess weiterzuführen und auf eine tragfähige Vereinbarung hinzuarbeiten.“ Israel sei eine souveräne Nation und habe auch das Recht, seine Hauptstadt frei zu wählen.
Trump versicherte, das sei keine Abkehr von dem Ziel eines langfristigen Friedens in der Region. Eine endgültige Grenzziehung sei damit nicht anerkannt. Eine Zwei-Staaten-Lösung zur Beendigung des Nahost-Konfliktes werde er weiterhin unterstützen, wenn sie von beiden Konfliktparteien gewünscht wird. Trump wies das Außenministerium an, mit dem Prozess zur Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu beginnen.
Applaus kam von jüdischen Verbänden in den USA sowie aus Israel. Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem „historischen Tag für Jerusalem“. Die Mauer der Jerusalemer Altstadt wurde am Mittwochabend in den Farben der Flaggen Israels und der USA angestrahlt. Auch israelische Oppositionspolitiker begrüßten Trumps Schritt, sprachen sich aber gleichzeitig für neue Friedensgespräche mit den Palästinensern aus.
Status der Heiligen Stätten soll erhalten bleiben
Jerusalem gilt als eines der heikelsten Probleme der Weltpolitik und als einer der fundamentalen Streitpunkte in dem seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Letztere reklamieren den arabisch geprägten Ostteil für sich und wollen dort die Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates errichten. Aus Protest gegen Trumps Entscheidung begannen die Palästinenser am Donnerstagmorgen einen Generalstreik. Im Westjordanland sowie in Ost-Jerusalem blieben öffentliche Einrichtungen, Geschäfte, Schulen und Banken geschlossen.
Trump – und wenig später Israels Premierminister Netanjahu – versicherten, der Status der Heiligen Stätten von Christen und Muslimen in Jerusalem werde sich nicht ändern. Die Muslime zählen den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem zu ihren wichtigsten Heiligtümern, die Christen die in Jerusalems Altstadt befindliche Grabeskirche Jesu. Juden beten an der Klagemauer.
Auch in Europa Besorgnis
Neben Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte sich besonders auch die Führung des Irans kritisch geäußert. „Die amerikanische Regierung hat sich mit dieser Erklärung dazu entschlossen, alle internationalen und bilateralen Resolutionen und Vereinbarungen zu verletzen“, sagte Abbas. „Diese irrationale und provokante Entscheidung wird zu einer weiteren Intifada sowie mehr Extremismus und Gewalt führen“, hieß es vom Außenministerium in Teheran. Die Türkei warf Trump vor, internationales Recht zu brechen. Jordanien bezeichnete Trumps Entscheidung als rechtlich ungültig.
Auch in Europa reagierten die Regierungen mit Besorgnis. „Ich glaube, dass sie (die Entscheidung Trumps) wirklich das Risiko beinhaltet, dass eine ohnehin schon schwierige Lage dort im Nahen Osten und in dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern jetzt noch weiter eskaliert“, sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in den ARD-„Tagesthemen“.
Das sind die heiligen Stätten Jerusalems
Bundesregierung unterstützt US-Haltung nicht
Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert via Twitter kundtun: „Die Bundesregierung unterstützt diese Haltung nicht, weil der Status von Jerusalem im Rahmen einer 2-Staaten-Lösung auszuhandeln ist.“ Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wurde deutlicher: „Diese Entscheidung verletzt internationales Recht und alle UN-Resolutionen.“
Die USA selbst warnten über ihre Botschaft in Israel vor Gewaltausbrüchen am Mittwoch infolge der Entscheidung. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte Trumps Schritt. Der Beschluss beinhalte die große Gefahr, „Öl ins Feuer zu gießen“.
Das US-Außenministerium rief in einer „Worldwide Caution“ sogleich zu erhöhter Wachsamkeit vor Terrorattacken auf. US-Bürger wurden aufgerufen, im Ausland besonders vorsichtig zu sein und sich vor Reiseantritt über etwaige Reisewarnungen für das Zielland zu informieren.
Israel hatte 1967 während des Sechs-Tage-Kriegs den arabisch geprägten Ostteil der Stadt erobert und später annektiert. Es beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Dieser Anspruch wird international nicht anerkannt. Unter anderem erkennen die Vereinten Nationen nicht ganz Jerusalem als Israels Hauptstadt an. (dpa/rtr)