Glanzstück oder Mogelpackung: Was kann Trumps Steuerreform?
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Von Dirk Hautkapp
Washington. Trump und die Republikaner haben die Weichen für eine große Steuersenkung gestellt. Wer am meisten profitiert, ist aber umstritten.
Die Demokraten sprechen von einer „im Eiltempo durchgepeitschten Mogelpackung“ und einer „dreisten Umverteilung von Arm zu Reich“. Die Republikaner und Präsident Donald Trump jubeln über die „massivste Steuerentlastung für alle Amerikaner seit über 30 Jahren“.
Dabei ist es zunächst nur ein Etappensieg. Nach dem hauchdünnen 51:49-Erfolg in nächtlicher Sitzung im Senat müssen die Konservativen ihr Konzept mit einem in vielen Knackpunkten abweichenden Entwurf der republikanischen Kollegen im Repräsentantenhaus harmonisieren und darüber abstimmen.
Erst danach kann der Präsident das Reformwerk unterzeichnen. Das soll bis Weihnachten geschehen. Damit Trump seine Wähler doch noch „beschenken“ kann.
Trump hat nach einem Jahr wenig Erfolge vorzuweisen
Denn sein erstes Jahr war, wie selbst Republikaner sagen, „gelinde gesagt durchwachsen“. Statt Siegen bis zum Überdruss, die der Unternehmer versprochen hatte, gab es bei den großen Gesetzesvorhaben trotz republikanischer Mehrheit im Kongress viel Ausschuss.
Weder die Abschaffung der Krankenversicherung seines Vorgängers Obama noch der Bau einer Grenzmauer zu Mexiko ist bisher auch nur annähernd auf den Weg gebracht. Auch so erklären sich die historisch schlechten Zustimmungswerte des Präsidenten. Konstant 60 Prozent der Amerikaner sind unzufrieden bis peinlich berührt.
Demokraten werfen Trump Wahlbetrug vor
Das Steuer-Paket soll die Wende einleiten. Auch damit den Republikanern ein Denkzettel bei den Zwischenwahlen im November 2018 erspart bleibt.
Ob das gelingt, hängt davon ab, welche Deutung des 500 Seiten starken Gesetz-Entwurfs sich durchsetzt, der den Senatoren teilweise mit handschriftlichen Notizen in letzter Minute vorgelegt wurde.
Die Demokraten werfen Trump bei seinem Universalversprechen (Bürger entlasten, Konsum, Investitionen und Beschäftigung ankurbeln, im Ausland geparkte Firmengewinne zurückholen, Bürokratie abbauen, Schlupflöcher schließen) Wahlbetrug an der Mittelschicht vor.
Bessere Bedingungen für große Unternehmer
Danach sei nicht der „vergessene kleine Mann“ der Arbeiter- und Mittelschicht, als dessen Schutzmacht sich Trump im Wahlkampf empfohlen hat, der Hauptnutznießer, sagte der ehemalige Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders. Sondern „der große Unternehmer und der Reiche, der jetzt schon genug hat“.
Sanders bezieht sich auf den Kern der Reform: die Senkung der Unternehmenssteuer von 35 auf 20 Prozent. Und auf den Umstand, dass der Steuerfreibetrag bei Erbschaften von 5,5 Millionen Dollar (etwa 4,6 Millionen Euro) auf 11 Millionen (etwa 9,2 Millionen Euro) verdoppelt wird – bei Ehepaaren auf 22 Millionen Dollar (etwa 18,5 Millionen Euro).
Das sind die US-Präsidenten seit 1945
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Im Gegenzug wird Geld im Gesundheitswesen gekürzt
Auch dass Großkonzerne ihre in Steuerparadiesen geparkten Milliarden-Rücklagen zum Billigtarif von 14,5 Prozent nachversteuern und zurück in die USA holen können, behagt dem Senator aus Vermont nicht, der 2020 womöglich erneut für das Weiße Haus kandieren wird.
Ein weiterer Kritikpunkt von Sanders: Zur teilweisen Gegenfinanzierung ihres „Steuer-Märchens“ wollen die Republikaner staatliche Hilfen im Gesundheitswesen (Obamacare) wegfallen lassen. Was voraussichtlich 13 Millionen Menschen ihres Versicherungsschutzes berauben würde.
Trump selbst gehört zu den Profiteuren
Experten des unparteiischen Steuerausschusses im Kongress stützen die These von der sozialen Schieflage indirekt. Sie haben errechnet, dass die moderaten Steuerentlastungen für das Gros der Amerikaner am Ende der auf zehn Jahren begrenzten Senkungsphase klammheimlich wieder einkassiert werden.
Bezieher kleinerer Einkommen (50.000 bis 75.000 Dollar im Jahr, etwa 42.000 bis 63.000 Euro) könnten zwar 2019 und 2020 mit einer durchschnittlichen Ersparnis von 850 Dollar pro Haushalt rechnen (etwa 715 Euro). Ab 2026 drohten ihnen dagegen sogar höhere Steuern als heute.
Einkommensmillionäre dürften dagegen dauerhaft auf eine Reduzierung des Spitzensteuersatzes von 39,6 auf 35 Prozent bauen. Trump persönlich und seine Familie gehörten demnach zu den Profiteuren. Was der Präsident via Twitter vehement abstreitet.
Ausgaben-Disziplin offenbar nicht mehr wichtig
Weitere große Angriffsflächen bietet die Reform beim Dauerbrenner Staatsverschuldung. Jahrzehntelang haben die Republikaner ausgeglichene Haushalte zur Staatsräson erklärt. Als Präsident Obama in der Finanzkrise 2008/2009 die Auto-Industrie mit Subventionen rettete, pochten sie auf Ausgaben-Disziplin. Perdu.
Mit Ausnahme von Senator Bob Corker, der als einziger Konservativer mit „Nein“ stimmte, hat sich bei der „Grand Old Party“ gegen wissenschaftlichen Erfahrungsschatz der Glaube durchgesetzt, dass sich Steuersenkungen durch höheres Wachstum, höhere Löhne und dadurch letztlich höhere Steuereinnahmen selbst finanzieren.
Steuerreform erhöht Staatsdefizit
Dagegen stehen Berechnungen der Steuer-Experten im Parlament, die von Trump und den Wortführern der Republikaner als „schwarzseherisch“ abgetan werden: Die Reform wird danach das schon heute bei über 20.000 Milliarden Dollar (etwa 16.800 Milliarden Euro) liegende Staatsdefizit binnen des kommenden Jahrzehnts um weitere 1000 Milliarden Dollar (etwa 840,7 Milliarden Euro) erhöhen und, so Bob Corker, „kommenden Generationen das Leben schwer machen“.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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