Brüssel/Berlin. Großbritannien deutet Zugeständnisse gegenüber der EU beim Brexit an. Doch die Europäische Union dämpft die Erwartungen sofort wieder.

Erster Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen über die Bedingungen für den EU-Austritt: Die britische Regierung hat erstmals ein konkretes Angebot für die Begleichung der milliardenschweren Schlussrechnung vorgelegt und ist damit auf Forderungen der EU eingegangen.

EU-Diplomaten in Brüssel bestätigten am Mittwoch eine entsprechende Annäherung. Danach ist Großbritannien zu Zusagen hinsichtlich seiner finanziellen Verpflichtungen bereit, die sich nach Angaben britischer Medien auf insgesamt 45 bis 55 Milliarden Euro belaufen dürften. Bislang hatte Premierministerin Theresa May ein deutlich niedrigeres Angebot skizziert, das bei rund 22 Milliarden Euro gelegen hatte.

EU-Verhandler widerspricht Eindruck von abschließender Einigung

Die genaue Summe der künftigen Verpflichtungen schwankt je nach Berechnungsmethode und ist nicht Teil der neuen Annäherung – was von der EU auch nicht verlangt worden war. Entscheidend ist, dass London nun erstmals im Detail zusagt, Forderungen nach Übernahme von Pensionslasten oder gemeinsam in der EU beschlossenen Ausgabe-Programmen nachzukommen.

Der Brexit-Chefverhandler auf EU-Seite, Michel Barnier, widersprach allerdings dem Eindruck, es gebe bereits eine abschließende Einigung. „Wir arbeiten noch daran, wir haben es noch nicht geschafft“, sagte Barnier während eines Aufenthalts in Berlin. Es wird erwartet, dass May ihr Angebot formell bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am kommenden Montag unterbreitet. Bis dahin hält sich die EU-Kommission offiziell bedeckt.

Grenze zu Irland bleibt Streitpunkt

Sowohl in der Kommission als auch im EU-Parlament wurde am Mittwoch betont, die offenkundigen Fortschritte beim Tauziehen um die Schlussrechnung seien noch nicht ausreichend, um Mitte Dezember beim EU-Gipfel grünes Licht für die zweite Stufe der Brexit-Verhandlungen zu geben – dann soll es um die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU und vor allem um das geplante Handelsabkommen gehen. Mit Sorge wird nun in Brüssel bilanziert, dass zwar neben den finanziellen Fortschritten auch die Frage der künftigen Bürgerrechte weitgehend geklärt ist – nicht aber der besonders heikle, künftige Status der Grenze zwischen dem britischen Nordirland und EU-Mitglied Irland.

Eine Lösung sei in dieser Frage nicht in Sicht, berichten mit den Verhandlungen vertraute EU-Vertreter. Irland will auf jeden Fall verhindern, dass eine neue, sichtbare Grenze errichtet wird. Doch sollte Großbritannien tatsächlich den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen, sind Grenzmarkierungen und Kontrollen nicht zu vermeiden. Die Staats- und Regierungschefs hatten signalisiert, dass sie die zweite Stufe der Verhandlungen erst eröffnen, wenn spätestens kommenden Montag „ausreichende Fortschritte“ bei allen drei Schlüsselfragen, also auch dem Irland-Problem, erzielt worden sind. Bremst der EU-Gipfel im Dezember erneut, droht der ohnehin knappe Zeitplan der Brexit-Verhandlungen vollends zu kippen.

Chefunterhändler Barnier dämpfte deshalb in Berlin die Erwartung. Das Ziel sei noch nicht erreicht, sagte er. „Wir arbeiten diese Woche weiter an den drei Schlüsselfragen – konstruktiv und mit der Absicht, echten ausreichenden Fortschritt zu erzielen.“