VaLletta/Berlin. Die Bloggerin Daphne Caruana Galizia wurde auf Malta ermordet. Ein Motiv für die Tat hätten wohl mehrere mächtige Menschen gehabt.

Daphne Caruana Galizia ließ sich nicht einschüchtern. Mit ihren Recherchen und Enthüllungen brachte sie mächtige Politiker und Unternehmer im Inselstaat Malta in Bedrängnis. Sie war unbequem und pflegte auf ihrem Blog „Running Commentary“ einen schonungslosen Ton. Die Nachricht von dem brutalen Mord an ihr am Montag löst nun weltweites Entsetzen aus.

Wer den Sprengsatz unter ihrem Wagen deponierte, ist noch nicht bekannt. Die Polizei fand den verbrannten Leichnam auf dem Fahrersitz ihres kleinen Peugeot. Kriminalexperten aus den Niederlanden und den USA sollen den Tatort in der Gegend von Bidnija im Norden Maltas jetzt untersuchen. „Die Verantwortlichen für dieses abscheuliche Verbrechen müssen schnell und ohne politische Rücksichten bestraft werden“, fordert Christian Mihr, Geschäftsführer der Journalisten-Organisation „Reporter ohne Grenzen“.

Galizia löste mit Recherchen politische Krise aus

Die 53-jährige Galizia gehörte zu einem internationalen Recherchenetzwerk, das im April 2016 die „Panama-Papers“ veröffentlicht hatte – Dokumente, die zeigen, wie Drogenbosse, Politiker und Prominente mit Briefkastenfirmen auf Panama Geld versteckt haben. Galizias Recherchen zufolge war auch die Frau des maltesischen Premierministers Joseph Muscat an einer Firma in Panama beteiligt.

Muscat nennt dies eine Lüge. Zwischen dieser Firma und einem Bankkonto in Aserbaidschan – dem Land, aus dem Malta Gas bezieht – sollen hohe Summen geflossen sein. Mit ihren Enthüllungen löste Galizia eine politische Krise aus, die im Mai dieses Jahres zu einer Neuwahl führte, aus der der Premier als Sieger hervorging. Ausländische Beobachter vermuten Wahlbetrug.

Sohn bezieht auf Facebook Stellung

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In einem emotionalen Beitrag auf seiner Facebookseite warf einer von Galizias Kindern, ihr Sohn Matthew Caruana, der selbst Journalist ist, den maltesischen Behörden schweres Versagen vor: „Wenn die Institutionen ihre Arbeit getan hätten, hätte man jetzt keinen Anschlag aufzuklären – und meine Brüder und ich hätten noch eine Mutter.“ Vor zwei Wochen soll sich Galizia wegen Morddrohungen an die Polizei gewandt haben. Nach Angaben der „Times of Malta“ weist die Polizei die Vorwürfe zurück.

Die Sicherheitsbehörden stehen aber in keinem guten Licht da, denn kurz nach dem Attentat twitterte ein Polizist: „Jeder bekommt, was er verdient!“ Der Beamte wurde inzwischen suspendiert. Premier Muscat verurteilte den Kommentar als „verwerflich“.

Premierminister Muscat zeigt Betroffenheit

Muscat gibt sich nun betroffen: „Jeder weiß, dass Caruana Galizia eine scharfe Kritikerin von mir gewesen ist, sowohl politisch als auch persönlich, aber niemand kann diesen barbarischen Akt auf irgendeine Art rechtfertigen“, sagte er. Die Journalistin war von Muscat verklagt worden, nachdem sie über die Beteiligung seiner Ehefrau an der Briefkastenfirma geschrieben hatte. Galizias Sohn vermutet, gerade diese Recherchen über die Korruption in dem EU-Staat seien das Motiv für den Anschlag gewesen: „Meine Mutter wurde ermordet, weil sie zwischen dem Rechtsstaat und jenen stand, die ihn verletzen wollen“, schrieb er.

Die EU-Kommission rief die Behörden auf der Mittelmeerinsel dazu auf, ihre Arbeit zu tun. „Präsident Jean-Claude Juncker und die Kommission verurteilen diesen Anschlag mit den schärfstmöglichen Worten“, sagte Chefsprecher Margaritis Schinas in Brüssel. „Wir setzen darauf, dass das geahndet wird.“ Doch der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold will den Fall nicht Malta allein überlassen und fordert Maßnahmen von der EU. Die Tat müsse einen Aufschrei auslösen. „Der Mord an Galizia ist ein Anschlag auf Europas demokratische Werte.“ In Europa regiere der Rechtsstaat, nicht die Mafia, so Giegold. Die kriminelle Energie und engen Verbindungen zwischen politischer und wirtschaftlicher Elite in Malta seien verheerend. „Malta ist ein Mekka für Geldwäscher und Steuervermeider.“

„Malta ist weit entfernt von demokratischen Standards“

Auch der CDU-Europaabgeordnete Werner Langen spricht davon, dass „Malta ein korruptes System“ sei. Dies gelte nicht nur für die Regierungspartei, sondern auch für die Opposition. Die Insel, die seit 2004 Mitglied der EU ist und in der ersten Hälfte dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, sei „weit von demokratischen Standards entfernt.“ Es gebe dort keine freie Presse und keine unabhängige Justiz. So würden die Behörden die juristischen Verfahren des Premierministers gegen die Journalistin mit Hochdruck vorantreiben. Die Verfahren dagegen, die aufgrund von Galizias Enthüllungen gegen Regierungsmitglieder angestrengt worden seien, kämen dagegen nicht voran.

Langen ist Vorsitzender des Untersuchungsausschusses im EU-Parlament, der prüfen soll, welche Konsequenzen sich aus den Panama-Papieren ergeben. Er hat Galizia bei einem Besuch auf Malta im Februar dieses Jahres selbst erlebt. Damals trafen sich die EU-Abgeordneten mit fünf Journalisten. Langen beschreibt Galizia als eine „rigorose, direkte und offene“ Frau. „Sie hat sich nicht bemüht, freundlich zu sein“, sagt er. Die Journalistin und Bloggerin sei die treibende Kraft bei der Korruptionsbekämpfung auf Malta gewesen.

Am heutigen Mittwoch wird der Untersuchungsausschuss erste Teile des Abschlussberichts beraten. Man werde diskutieren, ob darin auch einzelne Personen namentlich genannt werden. Der Bericht, der auch den künftigen Umgang mit der Steueroase Malta beleuchtet, erscheint im Dezember.