Berlin. Der Sieg bei der Niedersachsen-Wahl verschafft Martin Schulz Mut und Zeit. Das muss er nutzen, um den Umbau der SPD voranzutreiben.

Da ist er endlich, der erste Wahlsieg für die Sozialdemokraten seit 385 Tagen. Durch vier tiefe Täler mussten die Sozialdemokraten schreiten. Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, die Bundestagswahl – alles ging krachend verloren. Jetzt gibt der deutliche Sieg in Niedersachsen der Partei und vor allem ihrem Vorsitzenden etwas Luft und neuen Mut.

Martin Schulz, der mit dem historisch besten Ergebnis SPD-Parteivorsitzender wurde und mit dem historisch schlechtesten Ergebnis aus der Bundestagswahl kam, sollte aus dem Wahlabend von Hannover aber nicht die falschen Schlüsse ziehen. Mit dem Sieg von gestern Abend ist die Krise der Sozialdemokraten noch lange nicht vorbei.

Martin Schulz muss den Umbau der Partei vorantreiben

Stephan Weil hatte als amtierender Ministerpräsident den Amtsbonus im Kreuz und im CDU-Mann Bernd Althusmann einen Herausforderer, der bis zum Ende des Wahlkampfs zu farblos blieb. Der Sozialdemokrat profitierte darüber hinaus vom Gerechtigkeitsgefühl mancher Wähler, das man aus der Vergangenheit kennt. Wird eine Partei im Bund hart abgestraft, schwingt das Pendel bei kurz darauf folgenden Landtagswahlen häufig zurück.

Weil: "Großer Tag für die niedersächsische SPD"

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    Für Martin Schulz heißt das: Er muss die Atempause nutzen, den Umbau der Partei vorantreiben und sich auch inhaltlich auf die neue Rolle als stärkste Kraft der Opposition vorbereiten.

    Die SPD wird gebraucht – trotz aktueller Probleme

    Ein Aufstand gegen den Parteivorsitzenden wird nach diesem Wahlausgang von Hannover immer unwahrscheinlicher – auch weil ein Königsmörder fehlt. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, der Schulz kritisch sieht, zaudert immer noch. Er möchte für einen Schulz-Sturz gerufen und nicht selbst aktiv werden. Auf den Ruf „Olaf, errette uns“, wird er jetzt noch eine Weile warten müssen.

    Ja, Deutschlands traditionsreichste Volkspartei SPD mag große Probleme haben. Für verzichtbar aber, wie zum Beispiel die Franzosen ihre Sozialisten sehen, halten sie die Deutschen noch lange nicht. Das ist auch gut so, schließlich ist das Land mit den Wechseln zwischen CDU- und SPD-geführten Regierungen gut gefahren. Und die SPD wird trotz ihrer aktuellen Probleme gebraucht – das zeigt besonders der Blick auf die politischen Ränder.

    Die CDU lag vorn – dann kippte die Stimmung

    Während die Sozialdemokraten aufatmen können, wird es für Angela Merkel nach der bitteren Niedersachsen-Schlappe noch ungemütlicher. Sie hat zwar die Bundestagswahl gewonnen, aber es war ein deprimierender Sieg für die Partei. Die Unzufriedenheit mit der Kanzlerin wächst jetzt noch weiter.

    Man darf nicht vergessen: Noch vor kurzem hatte die Union im Bund einen sensationellen Höhenflug, war auch in Niedersachsen der SPD enteilt. Zwölf Prozentpunkte lag die CDU vor dem jetzigen Wahlsieger – dann kippte die Stimmung.

    AfD ist mehr als nur ein schlechter Traum

    Mittlerweile dauert der Abschwung für die Union schon ganz schön lang, und es ist keine Haltelinie auf diesem Weg nach unten in Sicht. Jetzt steht noch ein nervenzehrendes Koalitionsgeschacher bevor. Mit einer FDP, die vor Kraft kaum laufen kann, und störrischen Grünen, die den Preis für eine Regierungsbeteiligung gewaltig hochtreiben werden. Das Ergebnis wird die Beliebtheit der Union in der Kernanhängerschaft sicher nicht steigern – im Gegenteil.

    Es besteht die Gefahr, dass Nutznießer dieser Entwicklung einmal mehr die AfD sein wird. Dass die Rechtspopulisten jetzt auch in Niedersachsen ins Parlament einziehen zeigt, dass die Alternative für Deutschland kein schlechter Traum der etablierten Altparteien war.