Hamburg. Treffen von Staats- und Regierungschefs sind wichtig. Wer bei G20 Straftaten begeht, dem muss der Staat antworten: „Welcome to jail!“

Rauch über der Stadt, maskierte Horden, die Feuer legen, Polizei-Hundertschaften machen Jagd auf Randalierer. Der Hamburger G20-Gipfel hat die ersten Erwartungen bereits voll erfüllt – jedenfalls die Erwartungen der Gipfel-Kritiker und der Chefstrategen der autonomen Szene.

Tatsächlich dominieren schlimme Bilder das Gipfelgeschehen, versendet von fleißigen Fernsehsendern, die per Liveschalte auch noch den letzten brennenden Mülleimer weltweit groß rausbringen.

Dürfen solche Gipfeltreffen künftig nicht mehr stattfinden? Sind sie zu teuer und nicht zu verantworten? Und ist es gar „obszön“, wie der Intendant des renommierten Thalia-Theaters meinte, wenn sich die Staatsgäste mit der Bundeskanzlerin abends in der neu erbauten Elbphilharmonie versammeln und Beethovens Neunter lauschen?

Es geht um mehr

Ein Kommentar von Jörg Quoos, Chefredakteur der Berliner Zentralredaktion der Funke Mediengruppe.
Ein Kommentar von Jörg Quoos, Chefredakteur der Berliner Zentralredaktion der Funke Mediengruppe. © FMG | FMG

Alle diejenigen, die diese Fragen mit Ja beantworten, machen einen schweren Fehler. Es geht um mehr als nur um das Prinzip, dass sich demokratisch gewählte Führer jederzeit treffen und austauschen müssen. Es geht auch um den Erhalt der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, den ja besonders die notorischen Gipfel-Demonstranten zu Recht einfordern.

Diese Freiheit dürfen demokratische Gesellschaften nie opfern, egal wie praktisch, preiswert oder vernünftig es vielleicht wäre, auf der „USS Nimitz“ oder der Hallig Hooge zu tagen. Es darf niemals sein, dass eine kleine Minderheit bestimmen darf, wer sich mit wem, wann und wo trifft.

Eine Diktatur von unten wäre die Folge

Wer das zulässt, schafft eine Diktatur von unten, die er nie wieder loswird. Und wer das Demonstrationsrecht mit dem Motto „Welcome to hell“ missbraucht und schwere Straftaten begeht, dem kann der Staat nur entschlossen antworten: „Welcome to jail!“

Sicher kann man diskutieren, ob es eine gute Idee war, den Gipfel sprichwörtlich nur einen Steinwurf entfernt von Deutschlands lebendigster Autonomenszene zu veranstalten. Aber jetzt muss man zu der Veranstaltung stehen, so anstrengend es für alle Beteiligten auch wird.

Welche Alternative gibt es zu Gesprächen?

Und es war sicher keine gute Idee des Bundesaußenministers, zum Auftakt des Hamburger Gipfels den Austragungsort erst mal indirekt für ungeeignet zu erklären und New York als Dauergipfel-Stadt ins Gespräch zu bringen. Sigmar Gabriels Parteifreund und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz ist zu Recht sauer wegen dieses Fouls. Sollen sich etwa die
New Yorker mit gewalttätigen Demonstranten rumärgern, damit an der Alster der Sonntagsspaziergang nicht ausfällt?

Und die von den fundamentalen Gipfelkritikern angestoßene Debatte führt leider auch nicht weiter. Welche Alternative bitte gibt es zu Gesprächen? Bomben schmeißen? Zäune bauen? Was Politik by Twitter anrichtet, erleben wir anschaulich in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist es die falsche Sprache oder die Sprachlosigkeit, die Gräben aufreißt, statt zu versöhnen.

„Alle Menschen werden Brüder“ – kein schlechtes Motto

Selbstverständlich ersetzt nichts das persönliche Gespräch, in dem zivilisierte Demokraten um einen Konsens ringen und gleichzeitig versuchen, die weniger zivilisierten und weniger demokratischen Partner auf den richtigen Weg zu bringen. Gerne auch inspiriert durch friedliche Demonstranten.

Und wenn die politische Elite am Ende des anstrengenden Gipfeltages etwas Kultur atmet, kann das kein Fehler sein. Hoffentlich haben sie genau hingehört, als im Schlusschor Friedrich Schillers Vision einer besseren Welt erklang: „Alle Menschen werden Brüder“ – kein schlechtes Motto für den nächsten, hoffentlich friedlicheren, Gipfel.