Stockholm. USA und Russland investieren Milliarden in die Modernisierung ihrer Nuklearwaffensysteme. Der derzeitige Abrüstungstakt bleibt langsam.

Nach dem Ende des Kalten Krieges 1989 war die Hoffnung auf eine atomwaffenfreie Welt groß. Doch nach fast drei Jahrzehnten hat sich noch immer wenig getan. Laut Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri), der an diesem Montag veröffentlicht wird, gibt es kein Land weltweit, das sich in einer „vorhersehbaren Zukunft“ von seinen Atomwaffen verabschieden möchte. Sowohl die USA als auch Russland wollen an Atomwaffen als wesentlichen Bestandteilen ihrer militärischen Schlagfähigkeit festhalten.

Zusammen verfügen Moskau und Washington über 93 Prozent aller Atomwaffen weltweit. Die USA hatten Anfang 2017 noch 6800 Sprengköpfe, von denen 1800 direkt einsetzbar sind. Russland hatte 7000 Sprengköpfe, wovon 1950 direkt eingesetzt werden können. Der kleine Rest fällt auf Großbritannien (215), Frankreich (300), China (270), Indien (bis zu 130), Pakistan (bis zu 140), Israel (80) und Nordkorea (bis zu 20). Anfang 2017 hatten alle Atommächte laut Sipri zusammen vermutlich 14.935 nukleare Sprengköpfe. Das sind immerhin 460 Stück oder drei Prozent weniger als noch Anfang 2016.

Viele Atomwaffen offenbar ohnehin veraltet

Die Reduzierung beruht vor allem auf der Umsetzung des „New Start“-Abrüstungsabkommens von 2011 zwischen Moskau und Washington. „Der Abrüstungstakt bleibt hier langsam“, schreibt Sipri im Vergleich zu früheren Jahren, als beide Länder deutlich mehr Waffen pro Jahr abwickelten. Anscheinend nutzen beide Länder vor allem Atomwaffen, die ohnehin schon veraltet sind, um dem unterzeichneten Abkommen nachzukommen.

Gleichzeitig laufen in beiden Atomwaffen-Supermächten „extensive und teure nukleare Modernisierungsprogramme“, warnt Sipri. So wollen die USA zwischen 2017 und 2026 400 Milliarden Dollar (350 Milliarden Euro) in die „Aufrechterhaltung und umfassende Modernisierung“ ihrer atomaren Waffen stecken. In den darauffolgenden Jahren werden die USA vermutlich gar eine Billion Dollar (874 Milliarden Euro) für die Modernisierung ihrer Atomwaffen ausgeben. Zum Vergleich liegt der gesamte Staatshaushalt Deutschlands für 2017 bei unter 330 Milliarden Euro.

Eine Welt ohne Atomwaffen ist sehr unwahrscheinlich

„Das ist nicht überraschend, die gegenwärtige US-Regierung hält an dem von Präsident Obama entworfenen ambitiösen Modernisierungsprogramm fest“, sagt Sipri-Experte Shannon Kile dieser Zeitung. „Trump folgt dem, eine weitere extreme Erhöhung der Atomwaffenausgaben ist von ihm nicht zu erwarten“, sagt Kile. Auch die kleineren Atommächte sind bereits dabei oder haben angekündigt, ihre Atomwaffensysteme zu modernisieren und/oder zu vergrößern. China möchte modernisieren, Pakistan und Indien modernisieren und bauen aus.

Auch Nordkorea hatte laut Sipri-Schätzungen Anfang 2017 mehr spaltbares Material für Atomsprengköpfe als noch Anfang 2016. „Noch immer können wir die gesamte Welt mehrfach vernichten mit dem Atomwaffenarsenal, das wir heute haben, auch wenn es massiv gesunken ist seit dem Kalten Krieg. Eine Welt ohne Atomwaffen wird es wohl nie geben, das ist reine Fantasie. „Russland beispielsweise sieht sich noch immer als Supermacht, aber das stimmt bei Weitem nicht mehr, deshalb ist es Moskau so wichtig, an seinem Atomwaffenvorrat festzuhalten“, sagt Kile.