Buenos Aires. Eine Entdeckung mit Gänsehaut-Faktor: In einem geheimen Zimmer in Argentinien hat die Polizei vermeintliche Nazi-Relikte entdeckt.

Ein geheimes Zimmer, versteckt hinter Bücherregalen? Das gibt es nicht nur im Horror-Film. Die Polizei hat in einem verborgenen Raum in Argentinien eine Sammlung von vermeintlichen Nazi-Relikten entdeckt. Eine Spur zur Herkunft führt nach Solingen.

Pistolen, Degen, Reichsadler – überall prangt das Hakenkreuz, das Adolf Hitler einst als Symbol für seine grausame Herrschaft ausgesucht hatte. Daneben stehen Hitler-Büsten, Fern- und Vergrößerungsgläser sowie eine Mundharmonika-Sammlung. Dieser Fund erregt weltweites Aufsehen. Es wird spekuliert: Wie sind diese Gegenstände nach Argentinien gekommen?

Geheimes Zimmer hinter Bücherregalen

Es handelt sich um die größte NS-Sammlung in der Geschichte des Landes.
Es handelt sich um die größte NS-Sammlung in der Geschichte des Landes. © REUTERS | HANDOUT

Es ist der größte Fund von Nazi-Gegenständen in der Geschichte des Landes, den die Polizei bei der Razzia am 8. Juni in der Nähe von Buenos Aires gemacht hat. Insgesamt 75 Objekte entdeckten sie in dem Geheim-Raum eines Antiquitätenhändlers. Er wurde wegen Kunstschmuggels angeklagt.

Nach Angaben der Behörden handele es sich um Originalstücke aus der Zeit des nationalsozialistischen Regimes. Die Gegenstände sollen nach Abschluss der Ermittlungen in die Sammlung des Holocaust-Museums der Hauptstadt aufgenommen werden, erklärte die argentinische Sicherheitsministerin Patricia Bullrich am Montagabend (Ortszeit).

Die Geschichte eines Handels

Haben geflüchtete NS-Größen sie nach Buenos Aires gebracht? In argentinischen Medien ist schon die Rede davon, dass Adolf Eichmann oder Josef Mengele die Hitler-Büsten und Reichsadler nach Argentinien eingeführt hätten.

Die Deutsche Presse-Agentur konnte den 55 Jahre alten Händler in einem Vorort von Buenos Aires ausfindig machen – er will aber anonym bleiben. Seiner Version nach hat er die Sammlung vor über 25 Jahren von einem Argentinier erworben, sozusagen aus zweiter Hand. Einen illegalen Schmuggel oder Handel bestreitet der Händler.

Die Spur führt nach Nordrhein-Westfalen

Eine Sanduhr mit Hakenkreuz gehörte auch zu den Fundstücken.
Eine Sanduhr mit Hakenkreuz gehörte auch zu den Fundstücken. © dpa | Natacha Pisarenko

Auf den Fundstücken selbst findet sich ein Hinweis auf deren Herkunft: Viele der Objekte sind mit dem Fabrikationsstempel des 1865 gegründeten und auf Militärmesser spezialisierten Solinger Unternehmens Carl Eickhorn gekennzeichnet, unter ihnen auch der Reichsadler mit Hakenkreuz auf einem Marmorsockel. Eickhorn produzierte unter anderem Blankwaffen für SA und SS. Zu klären ist noch, ob es sich um Originalstücke handelt.

Der Name ist bis heute ein Begriff, das Nachfolgeunternehmen betont in einer Selbstdarstellung im Internet: „Während Eickhorn-Solingen früher fast ausschließlich den Behördenmarkt mit Bajonetten, Kampf- und Rettungsmessern bediente (...), möchte das Unternehmen nun auch den Zivilmarkt für innovative Messerentwürfe und Schneidwaren-Erzeugnisse aus modernster Fertigung begeistern“.

Gerüchte und Spekulationen

In Argentinien wird nun viel spekuliert über die Hintergründe. Man muss wissen: Nazi-Mythen sind dort weit verbreitet. Es halten sich Gerüchte, dass Adolf Hitler zusammen mit Eva Braun in Wahrheit mit der längsten Tauchfahrt eines U-Boots nach 1945 nach Patagonien geflohen und erst Jahrzehnte später in Argentinien gestorben sei.

Der Historiker Abel Basti hat mehrere Bücher über Hitler veröffentlicht, an dem Werk „Hitler in Argentina“ mit angeblichen vielen stichhaltigen Beweisen und Zeugen hat er nach eigenen Angaben 15 Jahre gearbeitet.

Hitler-Kult in Argentinien

Nach Angaben der Behörden handelt es sich um Originale aus der Zeit des Nationalsozialismus.
Nach Angaben der Behörden handelt es sich um Originale aus der Zeit des Nationalsozialismus. © dpa | Natacha Pisarenko

Fakt ist aber, dass die Mehrheit der zehntausenden Deutschen in Argentinien zu Hitlers historisch belegbaren Lebzeiten ihn verehrt hat – daher könnten die Utensilien auch ganz legal von damaligen Anhängern mit einem Schiff nach Buenos Aires gekommen sein.

In einer Veranstaltungshalle der Stadt feierten im April 1938 rund 10.000 Sympathisanten des Hitler-Regimes mit großen Hakenkreuzfahnen und in Trachten den Anschluss Österreichs. Deutsche Schulen wurden gleichgeschaltet, die NSDAP-Landesgruppe Argentinien hatte viel Zulauf.

Anlaufpunkt geflüchteter NS-Verbrecher

Sie wurde aber Mitte 1939 verboten, nachdem vom britischen Geheimdienst Gerüchte gestreut worden waren, Hitler wolle Patagonien annektieren, um dort Lebensraum zu schaffen. Die deutschfreundliche Einstellung kam etwas ins Wanken, aber zu Zeiten von Juan Domingo Perón wurde der La Plata zum Anlaufpunkt geflüchteter NS-Verbrecher.

Für den Vorsitzenden des Dachverbandes Jüdischer Vereinigungen Argentiniens, Areil Cohen Sabban, ist der Fall ein Skandal – er fällt sein Urteil, obwohl bisher Vieles noch im Dunkeln ist. „Die Objekte sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass ranghohe Nazi-Größen in Argentinien Zuflucht gefunden haben“, meint Sabban. (dpa/sth)