Istanbul. AKP-Anhänger haben in einem Istanbuler Wahllokal Erdogan-Gegner und Wahlbeobachter angegriffen. Ein Video zeigt tumultartige Szenen.

Ihre Aufgabe war es, beim Verfassungsreferendum in der Türkei auf die rechtmäßige Durchführung der Wahl zu achten und Wahlbetrug zu verhindern. Doch ihren Einsatz bezahlte eine 21 Jahre alte Studentin mit ihrer Gesundheit: Anhänger von Erdogans Partei AKP stürmten das Wahllokal, griffen Oppositions-Anhänger an – und verletzten auch die junge Frau schwer. Das berichten übereinstimmend mehrere türkische Medien, wie etwa die Tageszeitung „Cumhuriyet“ oder das Newsportal „Haberler“.

Die Studentin hatte ihren Dienst im Wahllokal in einer Schule in Istanbul angetreten. Während der Stimmauszählung am Abend wurde ihre Arbeit durch Erdogan-Anhänger nicht nur erschwert, sondern verhindert. Etwa 50 Erdogan-Anhänger sind den Berichten zufolge in das Wahllokal gestürmt und haben Erdogan-Gegnern und Wahlbeobachtern gedroht, sie umzubringen und zu verbrennen. Vor der Tür hätten weitere 150 AKP-Anhänger gewartet und „Erdogan“-Rufe skandiert.

Die Türkei hat abgestimmt – was bedeutet das für uns?

weitere Videos

    Ein Video zeigt die Angriffsszenen im Wahllokal

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Ein offenbar mit dem Handy gefilmtes Video, das in sozialen Netzwerken verbreitet wurde und auch in türkischen Medien zu sehen ist, zeigt Szenen der brutalen Auseinandersetzung. Darauf ist zu sehen, wie mehrere Männer auf Menschen losgehen und mit Stühlen auf sie einschlagen. „Was macht ihr?“, fragt eine Frau, ruft dann verzweifelt: „Ich habe ein Kind, ich habe ein Kind!“ Ob es sich bei der Frau um die Studentin handelt, ist nicht klar.

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Facebook, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Fotos der Studentin, die etwa der FDP-Politiker Tobias Huch auf seinem Profil geteilt hat, zeigen Verletzungen im Gesicht und am Kopf. Auch ihre Halswirbelsäule sei verletzt worden. Auf den Bildern trägt sie eine Halskrause. Es heißt, sie werde bleibende Schäden davontragen.

    Proteste gegen Erdogan nach Referendum

    Nach seinem knappen Sieg beim Verfassungsreferendum am Sonntag hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht nur Befürworter. Unterstützer des „Nein“-Lagers demonstrierten am Montag in der Hauptstadt Istanbul gegen den Ausgang des Referendums.
    Nach seinem knappen Sieg beim Verfassungsreferendum am Sonntag hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht nur Befürworter. Unterstützer des „Nein“-Lagers demonstrierten am Montag in der Hauptstadt Istanbul gegen den Ausgang des Referendums. © dpa | Emrah Gurel
    Im Stadtteil Besiktas im Zentrum der Millionenmetropole versammelten sich am Montagabend rund 2000 Demonstranten. Eine Frau hält bei einer Demonstration des „Nein“-Lagers ein Schild mit der Aufschrift „HAYIR KAZANDIK“ (etwa: „Nein, wir haben gewonnen“) hoch.
    Im Stadtteil Besiktas im Zentrum der Millionenmetropole versammelten sich am Montagabend rund 2000 Demonstranten. Eine Frau hält bei einer Demonstration des „Nein“-Lagers ein Schild mit der Aufschrift „HAYIR KAZANDIK“ (etwa: „Nein, wir haben gewonnen“) hoch. © dpa | Petros Karadjias
    Am Tag der Abstimmung kam es vor dem Hohen Wahlausschuss in Ankara auch zu Verhaftungen von Demonstranten.
    Am Tag der Abstimmung kam es vor dem Hohen Wahlausschuss in Ankara auch zu Verhaftungen von Demonstranten. © dpa | Burhan Ozbilici
    Die Türken stimmten am Sonntag, 16. April, über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems ab, das Staatspräsident Erdogan mehr Macht verleihen würde.
    Die Türken stimmten am Sonntag, 16. April, über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems ab, das Staatspräsident Erdogan mehr Macht verleihen würde. © dpa | Burhan Ozbilici
    Anhänger des „Nein“-Lagers schlugen als Zeichen des Protestes auf Töpfe. Erdogan verspottete die Demonstranten in einer Ansprache vor dem Präsidentenpalast. „Während das Ergebnis vom 16. April unser Volk zufriedengestellt und glücklich gemacht hat, hat es andere ganz ohne Zweifel enttäuscht“, sagte er. „Wie ich sehe, sind die mit den Kochtöpfen und Pfannen wieder aufgetaucht.“
    Anhänger des „Nein“-Lagers schlugen als Zeichen des Protestes auf Töpfe. Erdogan verspottete die Demonstranten in einer Ansprache vor dem Präsidentenpalast. „Während das Ergebnis vom 16. April unser Volk zufriedengestellt und glücklich gemacht hat, hat es andere ganz ohne Zweifel enttäuscht“, sagte er. „Wie ich sehe, sind die mit den Kochtöpfen und Pfannen wieder aufgetaucht.“ © dpa | Emrah Gurel
    In Anlehnung an die niedergeschlagenen Gezi-Proteste vom Sommer 2013 sagte Erdogan: „Das sind eben Gezi-Leute. Das sind die mit den Töpfen und Pfannen.“ Auch damals hatten Anwohner ihrem Protest durch das Schlagen auch Kochtöpfe Ausdruck verliehen.
    In Anlehnung an die niedergeschlagenen Gezi-Proteste vom Sommer 2013 sagte Erdogan: „Das sind eben Gezi-Leute. Das sind die mit den Töpfen und Pfannen.“ Auch damals hatten Anwohner ihrem Protest durch das Schlagen auch Kochtöpfe Ausdruck verliehen. © dpa | Emrah Gurel
    Auch in Deutschland wurde demonstriert: Unter dem Motto „Nein zur Diktatur – Ja zu Demokratie und Freiheit“ demonstrierten zum kurdischen Frühjahrsfest Newroz Kurden aus ganz Deutschland in Frankfurt am Main.
    Auch in Deutschland wurde demonstriert: Unter dem Motto „Nein zur Diktatur – Ja zu Demokratie und Freiheit“ demonstrierten zum kurdischen Frühjahrsfest Newroz Kurden aus ganz Deutschland in Frankfurt am Main. © dpa | Boris Roessler
    Im Istanbuler Viertel Kadiköy auf der asiatischen Seite versammelten sich ebenfalls mehrere Tausend Demonstranten.
    Im Istanbuler Viertel Kadiköy auf der asiatischen Seite versammelten sich ebenfalls mehrere Tausend Demonstranten. © dpa | Emrah Gurel
    Sie hielten Plakate in die Luft, auf denen in Anlehnung an den knappen Sieg des „Ja“-Lagers beim Referendum stand: „Das „Nein“ ist nicht zu Ende, es fängt gerade erst an“.
    Sie hielten Plakate in die Luft, auf denen in Anlehnung an den knappen Sieg des „Ja“-Lagers beim Referendum stand: „Das „Nein“ ist nicht zu Ende, es fängt gerade erst an“. © dpa | Emrah Gurel
    Die Gruppe „Hayir Besiktas“ (Nein Besiktas) hatte in dem Demonstrationsaufruf geschrieben: „Wir sind hier gegen Betrügereien, Ungerechtigkeiten und gestohlene Stimmen!“
    Die Gruppe „Hayir Besiktas“ (Nein Besiktas) hatte in dem Demonstrationsaufruf geschrieben: „Wir sind hier gegen Betrügereien, Ungerechtigkeiten und gestohlene Stimmen!“ © dpa | Petros Karadjias
    Oppositionsgruppen haben nach Beschwerden über zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Referendum in der Türkei zu Protesten in der Metropole Istanbul aufgerufen. Umstritten ist vor allem eine Entscheidung der Wahlkommission, die am Sonntagabend erklärt hatte, dass auch von ihr nicht gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt würden. Die größte Oppositionspartei CHP forderte am Montag eine Annullierung des Referendums.
    Oppositionsgruppen haben nach Beschwerden über zahlreiche Unregelmäßigkeiten beim Referendum in der Türkei zu Protesten in der Metropole Istanbul aufgerufen. Umstritten ist vor allem eine Entscheidung der Wahlkommission, die am Sonntagabend erklärt hatte, dass auch von ihr nicht gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt würden. Die größte Oppositionspartei CHP forderte am Montag eine Annullierung des Referendums. © dpa | Str
    1/11

    Nach der Referendum am Sonntag, das Erdogan knapp mit 51,4 Prozent der Stimmen gewonnen hatte, hatten nicht nur die Opposition, sondern auch unabhängige OSZE-Wahlbeobachter scharfe Kritik an der Wahl geäußert und die Rechtmäßigkeit in Frage gestellt. Die türkische Regierung weist jedoch jegliche Wahlmanipulations-Vorwürfe zurück. Den Antrag der Opposition, das Referendum wegen der Unregelmäßigkeiten zu annulieren, wurde von der Wahlkommission abgewiesen. (jkali)