Wer Königin Camilla verstehen will, muss in die Welt von Jilly Cooper eintauchen. Was verrät sie über das Leben des englischen Adels?

Der Staatsbesuch in Deutschland war für Queen Consort Camilla (75), ein großer Erfolg – ein bisheriger Höhepunkt einer wohl einzigartigen royalen Spätkarriere. Die Karriere einer Frau, die immer die Nerven und die Contenance behielt, auch wenn sie lange Zeit als Ehebrecherin und eine Art böse Hexe im Umfeld des Hauses Windsor bezeichnet wurde. Um Camilla zu verstehen, reicht es kaum, in Wikipedia die mittlerweile reichlich gesammelten Lebensdaten abzufragen. Der Camilla-Kosmos ist am besten mit einem Namen und einer Region beschrieben.

Der Name: Jilly Cooper. Die heute 86-jährige Bestseller-Autorin hat sich nahe der privaten Residenzen von König Charles (74) und Camilla in Highgrove in ihrem Landhaus „Ray Mill“, beides in Grafschaft Wiltshire, niedergelassen. Cooper gehörte bereits 2004 zu den – damals noch wenigen – bekennenden Freunden von Camilla. Und Camilla zu den Cooper-Leserinnen.

Camilla: Autorin beschreibt ihr Umfeld in Romanen

Wie Camilla hat Cooper zwei Kinder. Ihre Romane „Riders“ und die in mehreren Büchern veröffentlichten „Rutshire Chronicles“ zeigen das gehobene Landleben – stets mit enger Verbindung zur Pferde- und Reiterszene, stets angesiedelt im gehobenen Milieu. Sie sind voller Ränkespiele, amouröser Verwicklungen und jeder Menge englischen Landlebens – das Ganze ein bisschen „Red Hot“ (also ziemlich erotisch). Eigentlich geht jeder mal irgendwo fremd, im Pferdestall, nach der Dinnerparty, gerne mal mit den Nachbarn, die zwei Hügel weiter wohnen oder der alten Jugendliebe. Die erste Ehe von Camilla mit ihrem Ex-Mann Andrew Parker-Bowles (83), die nach 22 Jahren mit einer Scheidung endete, war zwar real, hätte allerdings bestens in jeden Jilly Cooper-Roman gepasst.

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Passend dazu ist die Landschaft der Cotswolds, in der auch Jilly Cooper (ihr Haus liegt allerdings in der Grafschaft Gloucestershire) lebt. Geographisch gesehen ist das eine etwa 2000 Quadratkilometer große Hügellandschaft im Südwesten Englands, die durch sechs Grafschaften verläuft. Das gute, das schöne, das ländliche England, das jeder schon einmal gesehen hat – auch wenn er persönlich noch nicht da war. Zu sehen, beispielsweise in den Krimiserien „Agatha Raisin“ oder „Father Brown“, in vielen Szenen der „Harry Potter“-Filme, der Jane Austen-Verfilmung „Stolz und Vorurteil“ oder in vielen Außenaufnahmen der Serie „Downton Abbey“. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Costwolds: Heimat der britischen Alt-Reichen

Die grünen Hügel der Cotswolds sind die Heimat eines sehr speziellen, sehr britischen Lebensgefühls. Klar, die Preise für hübsche Landhäuser sind entsprechend. Das auf einen Wert von etwa 850.000 Pfund (ca. 965.000 Euro) geschätzte Anwesen von Camilla ist hier eher ein Schnäppchen. Das Cotswolds-Leben findet entweder im (kleineren) Cottage oder im größeren „Manor House“, einer Art Schloss "light", statt. Moderne Architektenvillen, die finanzkräftige Cotswolds-Neueinsteiger oft gerne errichten wollen, sind selten und meist, wenn überhaupt, nur gegen erbitterten Widerstand der Cotswolds-Gralshüterinnen und -Gralshüter zu realisieren.

König Charles III. von Großbritannien (M) und Königsgemahlin Camilla (r) winken vom Balkon des Hamburger Rathauses.
König Charles III. von Großbritannien (M) und Königsgemahlin Camilla (r) winken vom Balkon des Hamburger Rathauses. © Daniel Reinhardt/dpa

Das klassische Cotswolds-Heim ist mit ererbten oder in bestens sortierten Antik-Centern gekauften Holzmöbeln, mit jeder Menge Deko-Objekten (auch Fensterbretter machen hier Karriere), Ölgemälden und Stichen, die vorzugsweise entweder Ahnen, Pferde, Hunde oder Jagdszenen zeigen, schweren Vorhängen und bunten, gerne floralen Möbelstoffen ausgestattet. Nicht fehlen dürfen auch Dutzende von Silberrähmchen mit Fotos von Familie, Freunden oder schönen Momenten. Wo es immer es geht, ist Teppichboden verlegt (leider oft auch auf Toiletten). Die Wasserhähne in den Bädern liefern wechselweise eiskaltes oder kochend heißes Wasser.

Da fast jedes Haus in irgendeiner Weise unter Denkmalschutz steht, ist es mit seinen traditionellen Hochschiebe-Fenstern und einfach verglasten Hintertüren eine Einladung an handwerklich unbegabte Einbrecher. Was die Polizei in dem zersiedelten, durch endlose kleine Sträßchen zwischen traditionellen Steinmauern und ökologisch wertvollen Hecken geprägten Gebiet nicht leisten kann, versucht die „Neighborhood Watch“ (eine Art ehrenamtliche Sicherheitstruppe) durch freiwillige Patrouillen zu verhindern.

Großbritannien: Neo-konservative Gelassenheit im Adelshaus

Modern wirkende Coffee-Shops und Boutiquen prägen vor allem das Ortsbild in den touristischen Hotspots wie Broadway, Burton-on-the-Water oder Stow-on-the-Wold. Zu viel urbane Eleganz oder der tiefliegende Sportwagen italienischer Provenienz sind „nuvuu“, also „neureich“, abgeleitet vom französischen Begriff „Nouveaux Riches“. Das Cotwolds-Establishment bevorzugt geländegängige Fahrzeuge, SUV oder Kombi, idealweise Land Rover oder Range Rover, Audi (wie Charles privat) oder bestenfalls einem schwedischen Hersteller.

Beim Dresscode kommt es auf die richtigen Gummistiefel wie Hunter, Aigle oder LeChameau (trägt z. B. Kate) an – dazu Wachsjacken, Tweed, Cord und dicke Wollpullover. Für das gesellschaftliche Abendprogramm dann ein bisschen Cashmere und – immer angesagt – vor allem für Herren im fortgeschrittenen Alter Nadelstreifen-Anzüge. Ganz wichtig: die entsprechende Patina. Lieber mal ein Motten-Löchlein als ein vergessenes Preis-Etikett. Zu neue Gummistiefel, zu makellose Tweed-Jacketts wecken das Misstrauen, dass sich hier jemand nur als Cotswolds-People verkleidet haben könnte. Ein Hermès-Tuch als Accessoire ist bei Damen immer willkommen, allerdings ausschließlich mit traditionellem Pferde- und Jagdmuster, gerne auch ererbt oder als Vintage-Objekt in einem der in jedem Ort zu findenden Charity-Shops erworben.

Fast müßig zu sagen, dass die Wahlkreise und Lokalparlamente von Konservativen mit (Unterhaus) oder ohne (Gemeinderat) Parteibuch dominiert sind. Maximal der passende Kandidat der „LibDem“ (eine Art britische FDP) kann sich eine Außenseiter-Chance ausrechnen. Und auch in der gut-britischen Idylle wird fremdgegangen und auch mal das Vermögen verzockt – darüber wird auch gerne gesprochen, allerdings in einer bewundernswerten Gelassenheit. Durch die Cotswolds weht ein Geist von neo-konservativer britischer Gelassenheit, der nicht – wie lange in vielen anderen ländlichen Gegenden – durch ein ständiges Nachtrauern über das in den Gruften der Geschichte verschwundene Empire und seinen Geist geprägt ist.

Camilla: "Ray Mill" bleibt ihr Zuhause

Übrigens: Die Bekenntnisse von Windsor-Aussteiger Prinz Harry (38), über den „Verlust seiner Unschuld“ spielen – natürlich – in den Cotswolds und die Auserwählte war damals auch Stallmädchen. Jilly Cooper hätte es nicht besser erdenken können.

Es ist kein Zufall, dass sich Charles bereits vor Jahren – obwohl sein zu erwartendes Erbe schon damals einige der prachtvollsten Schlösser von Großbritannien beinhaltete – das Landhaus „Highgrove“ in den Cotswolds leistete. Und Camilla lebte bereits mit ihrem Ex-Mann in der Gegend, behielt „Ray Mill“ aber auch nach ihrer Scheidung und verbringt dort bis heute viel private Zeit mit ihren Kindern und Enkeln.

Eine kluge Entscheidung, denn Charles ist bekannt dafür, penibel zu sein und privat vor allem Ruhe zu schätzen. Und das Cotswolds-Gefühl zu leben. Während die Queen (1926-2022) wo immer sie sich aufhielt vor allem ihren eigenen Kosmos um sich aufbaute, haben sich Charles und Camilla schon früh in einem Kosmos niedergelassen, der ihnen privat gefiel und sie offensichtlich inspirierte. Ein Umfeld, das ihnen eine lange Ausdauer beim Warten auf den Thron und eine beachtliche Gelassenheit im Umgang mit Häme und Kritik gab. Und auch wenn die Epizentren des Königspaars offiziell in London und Windsor liegen: Irgendwie regieren auch die Cotswolds mit. Und das kommt offensichtlich an. Auf jeden Fall in Deutschland.